Meine Damen und Herren, wir haben uns mit dem Ziel der Nullneuverschuldung 2011 ganz bewusst selbst in die Pflicht genommen. Wir erreichen dieses Ziel nur mit einer langfristigen Strategie und mit einem langen Atem. Ich erlebe immer wieder in politischen Diskussionen, dass es viele Menschen gibt, die mit Symbolpolitik arbeiten wollen. Sie meinen, man könnte die eine große Entscheidung fällen, der Big Bang müsste gemacht werden, und dann hätten wir die Nullneuverschuldung. So, meine Damen und Herren, funktioniert das nicht. Das ist ein hartes Geschäft. Man muss zäh arbeiten, man muss mit langem Atem arbeiten. Sensationen wird es nicht geben, aber am Ende steht als Ergebnis des Fleißes und der Anstrengungen der bessere Haushalt. Darauf haben wir uns eingeschworen.
Wir müssen auch sehen, dass man nicht alles von einem auf den anderen Tag ändern kann. Betroffene genießen zu Recht Vertrauensschutz, Förderprogramme haben eine Restlaufzeit, Umstrukturierungen brauchen ihre Zeit. Nur mit einer gemeinsamen Überzeugung, einem Generalplan, mit Geduld und Beharrlichkeit lässt sich unsere nachhaltige Finanzpolitik durchsetzen.
Es kommt ein Weiteres hinzu, meine Damen und Herren. In einer demokratischen Gesellschaft müssen Sie die Mehrheiten mitnehmen. Für mich ist interessant, dass Sie in einer öffentlichen Diskussion über die Notwendigkeit der Haushaltskonsolidierung immer volle Zustimmung bekommen. Schwieriger wird es, wenn Sie in Einzelfragen gehen. Das liegt zum einen daran, dass jeder zunächst einmal seine Interessen sieht, es liegt aber zum anderen daran, dass jeder glaubt, der andere werde besser behandelt als er selbst. Man glaubt oft nicht an die Gerechtigkeit.
Deswegen ist es ganz wichtig, dass wir in der Regierung – der Ministerpräsident, alle Minister –, aber auch die Fraktionen glaubhaft versichern können: Alle werden gleich behandelt. Wir wollen nicht nur jedes Einzelinteresse berücksichtigen, sondern wir wollen auch insgesamt den Haushalt in Ordnung bringen. Ich bin davon überzeugt, dass wir dazu in der Lage sind.
Wir haben mit sehr vielen betroffenen Gruppen gesprochen. Es war erstaunlich, wie schwierig das zum einen war, zum anderen, von welchem Erfolg diese Gespräche gekrönt waren. Wir haben Lösungswege gefunden, wir haben lange diskutiert. Meine Damen und Herren, ich sage ganz bewusst: Wir haben nach dem Motto gehandelt: überzeugen und nicht überrumpeln. Dieses Motto hat sich ausgezahlt.
Wir haben bereits ein beachtliches Stück des Weges zurückgelegt. Unser Haushalt ist generationengerecht, er ist zukunftsgerichtet, und er ist nachhaltig. Ich behaupte, meine Damen und Herren: Dieser Haushalt wird in der Finanzgeschichte des Landes Baden-Württemberg eine wichtige Rolle spielen. Das ist wirklich ein ganz wichtiger Anfang.
(Beifall bei der CDU – Heiterkeit bei den Grünen – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Jeder Haushalt! – Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Unwichtige Haushalte gibt es nicht!)
Dieser Haushalt spielt eine ganz besondere Rolle, weil er der erste große Schritt in Richtung Nullneuverschuldung ist.
Meine Damen und Herren, mit dem Berlin-Urteil hat das Bundesverfassungsgericht im Oktober ein Bekenntnis zur Eigenverantwortlichkeit der Länder abgegeben. Hierbei sind folgende Kernaussagen für uns von besonderer Wichtigkeit:
Zweitens: In der föderalen Bundesrepublik gibt es noch keine Regelungen zum Umgang mit Ländern, die zu Sanierungsfällen werden. Wir werden uns in der zweiten Stufe der Föderalismusreform dafür einsetzen, Frühwarnsysteme und andere Möglichkeiten zu entwickeln, um Finanzkrisen rechtzeitig erkennen zu können, um sie gewissermaßen an den Pranger zu stellen – auch das ist, glaube ich, wichtig – und vor allem, um auch Möglichkeiten zur Behebung zu haben.
Wir sind der festen Überzeugung, dass die zulässige Kreditaufnahme in allen öffentlichen Haushalten begrenzt werden muss, und zwar deutlicher, als das bisher der Fall war. Wir hatten ja in der Verfassung und in den Haushaltsverordnungen Begrenzungen vorgenommen. Aber diese Begrenzungen waren offensichtlich zu leicht auszuhebeln und zu leicht zu umgehen.
Wir schützen mit unseren bisherigen und unseren zukünftigen Anstrengungen nicht zuletzt auch uns selbst, wenn wir uns dafür in der Föderalismusreform einsetzen. Wir werden nicht etwa warten, bis diese Föderalismuskommission zu endgültigen Ergebnissen kommt, sondern wir werden in unserem Land auch weiterhin selbst aktiv bleiben.
Meine Damen und Herren, welche Maßnahmen wollen wir zur Verhinderung einer weiteren Verschuldung ergreifen? Wir schlagen mit dem Haushaltsstrukturgesetz 2007 die Verankerung eines Neuverschuldungsverbots in der Landeshaushaltsordnung vor. Nur das Land Bayern hat sich bisher so weit vorgewagt. Wir haben in der Regierung bereits beschlossen und beabsichtigen, im Jahre 2011, wenn die Nullneuverschuldung erreicht ist, diese nicht nur in Haushaltsgesetzen, sondern auch in der Verfassung zu verankern.
Wir haben, meine Damen und Herren, auch über eine Rücklagenbildung nachgedacht. Wir sind der Meinung, dass man dann, wenn sich zwar die Steuereinnahmen besonders gut entwickeln, man auf der anderen Seite aber absehen kann, dass in absehbarer Zeit eine deutliche zusätzliche Belastung kommt, Rücklagen bilden soll.
Wir haben die Möglichkeit der Rücklagenbildung in unserem Staatshaushaltsgesetz vorgesehen. Und wir wollen auch
eine Rücklage im nächsten Jahr für das übernächste Jahr, für das Jahr 2008, bilden; denn wir gehen davon aus, dass die Unternehmensteuerreform, die ja von der Großen Koalition vorangetrieben wird, zu Ausfällen in beachtlicher Höhe führt – zumindest in den ersten Jahren. Dafür wollen wir gerüstet sein.
Meine Damen und Herren, wie ist unsere heutige Situation, wo stehen wir? Wir hatten in Baden-Württemberg im Jahr 2005 die drittniedrigste Verschuldung der Länder in der Bundesrepublik Deutschland. Besser als Baden-Württemberg sind lediglich Bayern und Sachsen, wobei ich sagen muss, dass sich dann, wenn man die Kommunen hinzurechnet, der Abstand zu Bayern wesentlich verringert und wir sogar Sachsen überholen. Unsere Kommunen stehen besser da als die Kommunen in den anderen Bundesländern. Aber immerhin müssen wir sehen, dass Bayern deutlich vor Baden-Württemberg liegt. Man muss auch anerkennen, dass Sachsen in der kurzen Zeit seines Bestehens offensichtlich eine hervorragende Finanzpolitik betrieben hat.
Unsere Einnahmen sind seit Jahren geringer als die Ausgaben. Wir haben zwischenzeitlich strukturelle Deckungslücken von bis zu 2,5 Milliarden € gehabt. Unsere Verschuldung beträgt in der Zwischenzeit ca. 40 Milliarden € – und das ist sehr viel.
Hinzu kommt, dass wir natürlich ein großes Zinsrisiko haben. Auch das muss man sehen. Wir zahlen zurzeit ungefähr 2 Milliarden € pro Jahr Zinsen. Sie können das ganz grob ausrechnen: Das sind ungefähr 5 % von den ca. 40 Milliarden €. Diejenigen, die die Zinsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland in den letzten 40 Jahren zurückverfolgen können, wissen, dass dies ein historisch niedriger Zinssatz ist, wie es ihn eigentlich noch nie gegeben hat. Ich erinnere mich an Zeiten, da lag der Zinssatz bei 12 %; der Durchschnitt lag bei 7 oder 8 %. Sie müssen bedenken, dass uns jede Zinssteigerung um einen Prozentpunkt 400 Millionen € kosten würde – zumindest mittelfristig. Das ist ohne Frage ein großes Risiko.
Ein zweites Risiko, das wir im Haushalt haben – alle anderen Bundesländer auch, aber wir müssen uns um unseren Haushalt kümmern –, sind die Versorgungsausgaben. Sie wissen, dass wir zurzeit ungefähr 80 000 Versorgungsempfänger haben. Wir werden in 20 Jahren 160 000 Versorgungsempfänger haben. Bereits bis zum Jahr 2010 werden die Pensionsausgaben um ein Drittel ansteigen. Bis zum Jahr 2020 werden sie sich ganz eindeutig verdoppeln. Dadurch wird deutlich, dass wir bei der Verschuldung etwas machen müssen, denn die Pensionsausgaben werden auf jeden Fall wachsen.
Unsere Aufgaben und auch die Ausgaben sind zum großen Teil rechtlich – teilweise auch politisch, aber vor allem rechtlich – langfristig vorgegeben. Rund 55 % der Gesamtausgaben sind durch Leistungen aufgrund von Bundes- oder Landesgesetzen, durch Zinsausgaben oder sonstige Rechtsverpflichtungen gebunden. Bedenken Sie: Von den 31 Milliarden € geben wir 2,3 Milliarden € im Länderfinanzausgleich aus, 2 Milliarden € für Zinsen und 3 Milliarden € für Pensionen. Das sind Verpflichtungen, bei denen wir gar nichts machen können. Die muss man einfach akzeptieren. Sie sehen, wie relativ gering der tatsächliche Spielraum ist.
Weitere 40 % der Gesamtausgaben geben wir immer noch für unser Personal aus. Ich weise immer darauf hin, dass es in Wirklichkeit sogar noch mehr ist. 40 % sind das, was wir direkt bezahlen. Wenn wir die Zuschüsse an alle möglichen Institutionen, die damit wieder Personal bezahlen, einrechnen würden, würde sich der Anteil eher der 50-%-Marke als der 40-%-Marke nähern. Es ist keine Frage, dass wir trotz beachtlicher Sparleistungen und geringer Lohn- und Besoldungsanpassungen in den letzten Jahren gerade so in etwa die Personalkostenausgabenquote stabil halten konnten.
Meine Damen und Herren, wir haben unseren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen viel zugemutet – das muss ich jetzt auch einmal sagen –, insbesondere den Beamten. Ein Haushalt mit Zukunft muss ohne Frage auch die Personalausgaben im Griff haben. Ich sage an dieser Stelle auch ganz deutlich: Wir können die Bezahlung nicht weiter herunterschrauben oder die Wochenarbeitszeit noch weiter erhöhen. Wir brauchen im öffentlichen Dienst auch künftig gutes und motiviertes Personal.
Der Wettbewerb mit der Wirtschaft um die besten Köpfe wird in Zukunft härter werden. Die Bezahlung im öffentlichen Dienst muss dem Rechnung tragen. Wir werden weiter Stellen abbauen müssen – davon bin ich überzeugt –, aber einen weiteren Abstand zwischen der Bezahlung in der Wirtschaft und im öffentlichen Dienst sollten wir tunlichst vermeiden.
Meine Damen und Herren, wie sind die ökonomischen Rahmenbedingungen, in denen wir unseren Haushalt aufstellen müssen? Unser Haushalt – davon sind wir überzeugt – ist auf dem richtigen Weg, und ich muss sagen: Wir haben durch die ökonomische Gesamtsituation einen Rückenwind wie noch nie in den letzten fünf oder sechs Jahren. Der Aufschwung, den wir im Augenblick erleben, scheint robust und stabil zu sein. Jahrelang hatten wir eigentlich nur Wachstumsimpulse durch den Außenhandel. In der Zwischenzeit steigt auch die Binnennachfrage. Die Investitionen nehmen zu. Die Arbeitslosigkeit nimmt ab, und, was ganz entscheidend ist, die Menschen scheinen mit mehr Optimismus und mehr Zuversicht in die Zukunft zu schauen.
Die Bundesregierung – das geht auch entsprechend in die Steuerschätzungen ein – geht für das Jahr 2006 von einer Wachstumsrate von 2,3 % aus. Für 2007 rechnet sie mit 1,4 %.
Vielleicht auch dazu eine Bemerkung: Das ist wesentlich weniger, als der Sachverständigenrat annimmt. Das ist ein Unterschied zu den Bundesregierungen der letzten fünf Jahre, die das Wachstum immer eher zu hoch geschätzt haben. Die jetzige Bundesregierung hat eindeutig eine sehr konservative Schätzung vorgenommen, und ich glaube, das ist auch der richtige Weg.
Auch eine realistische, wenn man so will. Gut, die Steuerschätzungen waren zuletzt nicht realistisch, sondern im Grunde genommen zu pessimistisch. Manchmal freut man sich auch, wenn es dann anders kommt.
Der Aufschwung dieses Jahres wird sich offensichtlich auch im nächsten Jahr fortsetzen. In der Zwischenzeit sind sich alle Sachverständigen darüber einig, dass auch die Mehrwertsteuererhöhung daran nichts oder nur wenig ändern wird.
Jetzt muss ich aber auch auf eines hinweisen: Durch die Senkung der Arbeitslosenbeiträge werden ungefähr 16 Milliarden € an den Markt zurückgegeben. Die Mehrwertsteuererhöhung kostet 19 Milliarden €. Also fallen, wenn Sie so wollen, nur ungefähr 3 Milliarden € aus. Die 16 Milliarden € fallen allerdings zur einen Hälfte bei den Verbrauchern an, zur anderen Hälfte bei den Unternehmen; aber die Unternehmer sind ja schließlich auch Verbraucher.
Immerhin, man muss das gegeneinander aufrechnen. Ein großer Teil der Mehrwertsteuererhöhung wird nicht genutzt, um die Haushalte zu sanieren, sondern um die Arbeitslosenversicherung bzw. diejenigen, die einzahlen müssen, um 16 Milliarden € zu entlasten.
In den letzten Jahren war das Wachstum schwach. In der Zwischenzeit entwickelt sich der Arbeitsmarkt gerade in Baden-Württemberg wieder ausgezeichnet. Es ist keine Frage, dass Deutschland binnen Jahresfrist im globalen Wettbewerb als Investitions- und Wirtschaftsstandort aufgeholt und an Attraktivität gewonnen hat. Dies hat viele Gründe. Ein Grund dafür ist, dass der Reformstau zum Teil aufgelöst worden ist; man ist daran gegangen, den Reformstau der letzten Jahre aufzulösen.
Meine Damen und Herren, es gibt immer große Diskussionen darüber, woran das eigentlich liegt. Ich habe keine Probleme, zu sagen, dass die Hartz-IV-Gesetze alles in allem richtig waren. Ich muss dazusagen, dass auch wir ihnen zugestimmt haben. Das wird oft unterschlagen.
Dennoch müssen Sie, wenn Sie schon so politisch kommen, natürlich sehen: Das Problem war, dass die rot-grüne Regierung in den ersten fünf Jahren eben nichts gemacht hat, dass die Hartz-IV-Gesetze und all das viel zu spät kamen und deswegen Zeit verloren gegangen ist.