Aber man muss auch Folgendes sehen: Das One-Stop-Government ist eine der zentralen Neuerungen, die das Zuwanderungsgesetz eingeführt hat, und es ist schon verständlich, wenn sich der Bund davon jetzt nicht schon wieder so ohne Weiteres verabschieden möchte, sondern sich im Evaluierungsbericht dafür ausspricht, zunächst die Möglichkeiten für eine Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den Ausländerbehörden und den Arbeitsagenturen, insbesondere durch verstärkten EDV-Einsatz, auszuschöpfen. Das liegt ja nahe. Ich glaube also nicht, dass der Bund jetzt schon bereit ist, hier grundsätzlich über Neuerungen nachzudenken, sondern dass er zunächst einmal an eine Verbesserung des Verfahrens denkt.
Angesprochen wurde ja die Altfall- und Bleiberechtsregelung. Meine Damen und Herren, dazu will ich Ihnen unsere Position noch einmal klar benennen: Die Innenministerkonferenz hat im Dezember 2005 – das war noch unter Vorsitz Baden-Württembergs – die Einrichtung einer länderoffenen Arbeitsgruppe auf Ministerebene beschlossen. Diese Arbeitsgruppe hat im vergangenen Oktober in München auch getagt, und ich kann sagen, dass dabei doch eine deutliche weitere Annäherung der Standpunkte bei der Frage der inhaltlichen Ausgestaltung – um diese ging es vorrangig – erreicht wurde. Die Länder, und gerade Baden-Württemberg, haben ja erklärt: Wir sind grundsätzlich bereit, eine solche Altfall- und Bleiberechtsregelung einzuführen; es ist nur die Frage, wie wir die Eckpunkte und die Inhalte festlegen. Damit definiert sich natürlich auch der Personenkreis, der davon betroffen ist.
Ich sage es unumwunden: Wir haben 1999 eine Altfallregelung gehabt. Wenn wir die gleichen Kriterien wie damals anlegen würden, dann wären in Baden-Württemberg nach vorsichtiger Schätzung – ich kann das nicht so trennscharf sagen – etwa 8 000 bis 9 000, vielleicht auch 10 000 Personen der insgesamt 24 000 Geduldeten, die wir in BadenWürttemberg haben – bundesweit sind das 180 000 –, betroffen, die dann unter diese Regelung fallen würden. Grundsätzlich haben wir damals schon Ja gesagt.
Jetzt soll dieses Thema in der anstehenden Innenministerkonferenz am 16. und 17. November 2006 in Nürnberg behandelt werden. Unsere Vorstellungen über die Eckpunkte haben wir frühzeitig in die Diskussion eingebracht. In die Beratungsergebnisse, soweit diese jetzt als Zwischenstand vorliegen, sind sie weitgehend mit eingeflossen, sodass wir diese natürlich im Grundsatz mittragen können. Diese Vorstellungen heißen: Eine Bleiberechtsregelung kann nur für Personen mit langjährigem Aufenthalt in Betracht kommen. Aber ein langjähriger Aufenthalt – die Zahlen wurden genannt: sechs bzw. acht Jahre – allein kann eben nicht aus
reichend sein. Es müssen schon noch weitere Fakten hinzukommen, die dann auch für eine erfolgte Integration sprechen. Wer es nur durch Täuschung der Behörden geschafft hat, über viele Jahre hinweg seine Ausreise zu verhindern, wer untergetaucht war, wer mit falschen Identitäten operiert hat, wer seinen Pass weggeworfen hat, der darf eben jetzt nicht noch mit einer Bleiberechtsregelung für dieses Verhalten belohnt werden.
Glauben Sie ja nicht, dass das nur wenige Einzelfälle wären. Das sind es beileibe nicht. Und genau das gilt natürlich erst recht für jemanden, der in erheblichem Umfang straffällig geworden ist, oder auch für denjenigen, der Beziehungen zu rechtsextremistischen oder zu linksextremistischen Vereinigungen erkennen lässt.
(Abg. Stephan Braun SPD: Worüber reden Sie denn? Das will doch keiner! – Gegenruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das gibt es aber, wenn solche Leute nicht abgeschoben werden!)
Jetzt komme ich zu dem Punkt, über den wir heute diskutiert haben. In der Arbeitsgruppensitzung am 9. Oktober gab es auch Einvernehmen darüber, dass es keine Einwanderung in die Sozialsysteme geben darf. In der Diskussion ist jetzt, dass Geduldeten, die unverschuldet an der Arbeitsplatzsuche gehindert waren, mit einer eingeräumten Frist, nämlich höchstens bis zum 30. September des kommenden Jahres, eine Duldung zur Arbeitsplatzsuche erteilt werden kann. Das ist schon eine Regelung, über die wir reden sollten. Für uns aber gilt, auch in diesem Punkt: Erst Arbeit, dann Aufenthaltsrecht, und nicht umgekehrt.
Herr Minister, ich weiß, dass Sie hier nicht direkt zuständig sind, aber mich interessiert trotzdem die Meinung der Landesregierung zu einem besonders betroffenen Personenkreis, und zwar zu denjenigen, die durch die Härtefallkommission anerkannt sind und denen jetzt sozusagen die Überprüfung durch das Innenministerium bevorsteht. Nach dem, was Sie gesagt haben, gilt: erst die Arbeit, und dann der Aufenthalt.
In meinem Wahlkreis lebt eine Familie, die seit 13 Jahren in Deutschland ansässig ist. Der Vater hat überwiegend gearbeitet, die Kinder sind hier geboren und haben hier die Schule besucht, und die Familie hat die Ausreise auch nicht schuldhaft verschleppt. Sie ist von der Härtefallkommission anerkannt zur erneuten Überprüfung im nächsten Frühjahr, und jetzt passiert Folgendes: Die Arbeitsverwaltung verwei
gert die Arbeitserlaubnis. Sie kennen das Beispiel des Hauptmanns von Köpenick: ohne Arbeitserlaubnis keine Aufenthaltsgenehmigung, ohne Aufenthaltsgenehmigung keine Arbeitserlaubnis.
Ich glaube, wir müssen diesen besonderen Personenkreis derer, die durch die Härtefallkommission Anerkennung gefunden haben, unterscheiden von den Geduldeten, von denen Sie gesprochen haben, und für die vielleicht noch eine besondere Regelung schaffen.
Herr Kollege Schmiedel, Sie haben Verständnis dafür, wenn ich auf den Fall aus Ihrem Wahlkreis nicht eingehe. Es ist immer schwierig. Manchmal würde es mich wirklich drängen, zu solchen Fällen etwas auch in der Öffentlichkeit zu sagen, weil viele der Fälle, die in der Öffentlichkeit diskutiert werden, deswegen nicht sachgerecht diskutiert werden, weil Fakten aus den Akten nicht veröffentlicht werden dürfen.
Daran bin auch ich gebunden. Das ist höchst ärgerlich. Manches würde sich sehr schnell aufklären. Aber wir halten uns trotz allem, was dann in der Diskussion die negative Folge – auch für mich als Innenminister – ist, an die Regeln, die wir einzuhalten haben.
Die Härtefallkommission, die Sie angesprochen haben, arbeitet quantitativ und qualitativ hervorragend. Sie arbeitet in einer Tiefe und mit einem Verantwortungsbewusstsein, das letztlich dazu führt, dass 90 % der Fälle, die mir von der Härtefallkommission zur Annahme vorgelegt werden – also Bleiberecht –, auch so laufen. Nur 10 % der Fälle, die von der Härtefallkommission befürwortet werden, lehne ich ab. Das sind wirklich wenige. Die Härtefallkommission hat allerdings natürlich die Befugnis, nachdem sie einen Fall diskutiert hat, zu sagen: „Wir legen diesen Fall dem Innenminister nicht vor.“ Dann habe ich keine Möglichkeit, den Fall an mich zu ziehen, mich über dieses Votum der Härtefallkommission auf Nichtvorlage – „Nichtberücksichtigung“ würde man im Petitionsausschuss sagen – hinwegzusetzen und zu sagen: Ich ziehe den Fall an mich und befürworte ihn. Im umgekehrten Fall habe ich die Möglichkeit, abzulehnen.
Jetzt nochmals zu den Geduldeten. Der Dissens liegt ja klar auf der Hand. Wir sagen: Wir wollen für die Geduldeten einen Zugang zum Arbeitsmarkt schaffen, aber ohne dass sie zunächst einen verfestigten Aufenthaltstitel haben. Es sind rechtskräftig, bestandskräftig zur Ausreise Verpflichtete. Um diesen Personenkreis handelt es sich. Mir scheint, dass aufseiten des Bundesarbeitsministers – Sie haben zu Recht gesagt, dass ich nicht zuständig bin – die Tendenz besteht – ich drücke mich vorsichtig aus, wir reden ja noch darüber –, es umgekehrt einfädeln zu wollen und zu sagen: Die bekommen einen Zugang zum Arbeitsmarkt, aber erst, wenn
sie einen Aufenthaltstitel haben. Bei nüchterner Überlegung können Sie erkennen, was dahintersteckt. Deswegen sage ich jetzt zugespitzt noch einmal: Für uns gilt: erst Arbeit, dann Aufenthaltsrecht – und nicht umgekehrt.
Jetzt noch zum Thema Vorgriffsregelung. Gemeint ist ja nichts anderes als ein Abschiebestopp. Da sehe ich keine Notwendigkeit und auch keine Möglichkeit. Meine Damen und Herren, ungeachtet dessen, was andere Bundesländer machen, sage ich: Ich spreche mich grundsätzlich für eine Bleiberechtsregelung aus, weil wir anders dieses Problem nicht mehr lösen können. Auch eine Altfallregelung wird uns dieses Problem jedoch nicht dauerhaft lösen. Wir werden uns, egal, wie wir sie ausgestalten, in acht, zehn oder spätestens zwölf Jahren erneut über eine Altfallregelung unterhalten müssen.
Daran knüpfen sich eine Reihe von Fragen, weshalb wir beispielsweise in Einzelfällen Verfahrensdauern von Rechtsmittelverfahren haben, die dazu führen, dass Familien acht, neun, zehn Jahre hier sind, obwohl sie vom ersten Tag an wissen, dass sie zur Ausreise verpflichtet sind,
und wir dann nach zehn, zwölf Jahren sagen: Wenn wir sie eh nicht mehr abschieben können, wenn es unserem Staat nicht gelingt, in einem zügigen Verfahren Klarheit zu schaffen, dann lassen wir sie halt da. Das ist auch ein Stück weit, wie böse Zungen sagen würden, Kapitulation vor dem quantitativen Problem.
Deswegen sage ich abschließend mit aller Deutlichkeit: Solange nicht klar ist, ob eine Altfallregelung kommt, und sosehr ich diese unter den gegebenen Umständen befürworte, werde ich auch keinen Abschiebestopp verhängen. Dies werde ich nicht tun. Vielmehr werden wir über die Altfallregelung reden. Wenn sie kommt, dann kommt sie – ich befürworte dies –, und wenn sie nicht kommt, dann werde ich mir nicht vorwerfen lassen, dass ich aufgrund einer zögerlichen Haltung Abschiebungen ein halbes Jahr oder ein Jahr verzögert hätte.
Ich halte mich an Beschlüsse, die gefasst sind, und nicht an Beschlüsse, die vielleicht gefasst werden.
(Beifall bei der CDU – Abg. Stephan Braun SPD: Die Sitzung ist in einer Woche! Die werden Sie doch vorbereiten! Wir sind doch einig, dass sie kommt!)
Der Kollege Braun hat den Einwand gemacht – ich darf seinen Zuruf wiederholen –, wir seien im Grundsatz einig, dass die Regelung kommt. Herr Kollege Braun, wir hier sind im Grundsatz einig, dass sie kommt. Nicht bei allen 16 Bundesländern ist dies so. Deswegen – ich erinnere noch an das Einstimmigkeitsprinzip – halte ich mich an Beschlüsse, die gefasst sind, und nicht an solche, die vielleicht gefasst werden oder sogar tunlichst gefasst werden sollten. Ich halte mich an die Rechtslage und vollziehe die geltenden Gesetze so lange, wie dies, auch unter Berücksichtigung der humanitären Verpflichtung, die vor allem dann auch durch
Zuerst war ich arg zufrieden, Herr Minister Rech, weil Sie in aller Sachlichkeit noch einmal hergeleitet haben, wie die Rechtslage ist, wie sich der Zugang zum Arbeitsmarkt gestaltet hat, wie sich das entwickelt hat und welche Schwierigkeiten in der Tat im Detail vorhanden sind. Das haben Sie – –
Wunderbar! Ich habe mich nur bedankt, weil der Minister es noch einmal sachlich und nüchtern für alle hergeleitet hat. Wenn es für Sie unnötig war, mögen Sie sich beim Herrn Minister beschweren und nicht bei mir.
Bei aller Nüchternheit! Sie haben mich gefragt, und ich habe Ihnen eine Antwort gegeben, Herr Zimmermann.