Protocol of the Session on March 15, 2011

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Norbert Zeller SPD: So ist es!)

Fünf Tage nach Ihrem Amtsantritt als Ministerpräsident ha ben Sie in einem Interview in der „Stuttgarter Zeitung“ ge droht:

Es wäre aber völlig inakzeptabel, wenn das die Konse quenz hätte, dass zwei Reaktoren, darunter Neckarwest heim I, abgeschaltet werden müssten. Das ist mit uns nicht zu machen.

(Zurufe von den Grünen und der SPD: Ah! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Der echte Mappus!)

Was sagt uns das über Ihre heutige Rede? Sie ist nicht glaub würdig. Das sagt uns das.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Dazu schreibt der „Tagesspiegel“ heute in einem Kommen tar:

Und jetzt will er

Mappus –

offenbar als derjenige durchgehen, der die Atomkraft im mer nur notgedrungen richtig fand. Aber das stimmt nicht. Ganz und gar nicht. Er, vor allem er, war es, der eine Ver längerung der Laufzeiten wollte. Er hat die Bundeskanz lerin unter Druck gesetzt, hat gegen den Bundesumwelt minister gehetzt, hat sich am Ende durchgesetzt. Darum darf man ihm das nun nicht durchgehen lassen.

(Zuruf: So ist es!)

Ja, so ist es. Das darf man ihm nicht durchgehen lassen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Das dürfen wir ihm in der Tat nicht durchgehen lassen.

Darum wäre es gut gewesen, Herr Ministerpräsident Mappus, wenn Sie sich hier heute hingestellt und gesagt hätten: „Das war ein schwerer Fehler, das gestehe ich hier ein. Weil ich da einen schweren Fehler gemacht habe, wird der jetzt ausgebü gelt. Ich setze mich dafür ein, dass diese alten Atomkraftwer ke endgültig stillgelegt werden.“ Das wäre die richtige Kon sequenz gewesen. Dann hätten wir Respekt vor Ihrer Rede ge habt.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, ich muss wirklich sagen: In die sem Zusammenhang überhaupt davon zu sprechen, dass es ein Moratorium des Ausstiegs sei, ist schon irreführend. Das ist eine ganz normale Stilllegung nach § 19 Abs. 3 des Atomge setzes, die man immer machen kann, wenn man z. B. Sicher heitsüberprüfungen macht.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: So ist es!)

Da Sie vorhaben, das nicht endgültig zu machen, ist das über haupt kein Moratorium des Ausstiegs aus dem Ausstieg. Es ist eine ganz normale Maßnahme, die man jederzeit treffen kann. Darum ist das keine besondere Tat, für die Sie sich jetzt auf die Schulter klopfen können. Man hätte aufgrund der dra matischen Ereignisse erwarten können, dass Sie da etwas mehr tun, als Sie getan haben.

Ich kann also zusammenfassen: Für das Land Baden-Würt temberg ist es unmittelbar wichtig, nicht nur Neckarwest heim I, sondern auch Philippsburg 1 stillzulegen.

(Abg. Ingo Rust SPD: Sofort!)

Wir werden dies machen. Wenn es die Bundesregierung nicht macht, werden wir durch die Beteiligung an der EnBW zu sammen mit den Oberschwäbischen Elektrizitätswerken durch setzen, dass wir auch Philippsburg 1 stilllegen. Denn dies sind wir der Bevölkerung und ihrer Sicherheit nach den Katastro phen, die wir in Japan erlebt haben, schuldig.

(Ministerpräsident Stefan Mappus: Wie geht denn das?)

Deswegen gibt es eine grundsätzliche Entscheidung über die Frage: Wie wird mit den Interessen der Menschen in diesem Land umgegangen? Am 27. März wird darüber eine grund sätzliche Entscheidung gefällt.

(Abg. Klaus Herrmann CDU: Aha! Jetzt lässt er die Katze aus dem Sack!)

In welche Richtung geht man? Geht das Land in die Richtung, diese gefährlichen Atommeiler stillzulegen? Oder geht das Land in die Richtung, diese nur zeitweise abzuschalten und danach irgendwie weiterzumachen?

Denn wir wissen: Die Verlängerung der Laufzeiten ist keine Brückentechnologie. Die Verlängerung der Laufzeiten ist ei ne Bremstechnologie für die erneuerbaren Energien. Das wis

sen wir heute. Jeder weiß – in Unternehmen, in Stadtwerken, in Genossenschaften –:

(Abg. Peter Hauk CDU: Woher denn? Woher denn? Das stimmt nicht, Herr Kretschmann! Sie haben nicht recht!)

Menschen, die etwas mit regenerativen Energien, die etwas in Richtung Energieeffizienz machen wollen, müssen investie ren.

(Abg. Peter Hauk CDU: Natürlich!)

Diese Menschen müssen Kapital in die Hand nehmen und et was unternehmen. Mit Ihrer Laufzeitverlängerung bringen Sie sie nur unter Druck im Wettbewerb mit den alten Monopolen,

(Abg. Peter Hauk CDU: Vorhin haben Sie gesagt, der Strompreis sei zu hoch! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Nein, nein!)

denen Sie durch die Verlängerung der Laufzeiten Extraprofi te zusichern wollten. Das ist die Wahrheit.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Darum heißt ein Wechsel am 27. März auch: So schnell wie möglich weg von dieser Risikotechnologie, hin zur Zukunft der regenerativen Energien. Das werden wir durchsetzen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Sie machen mit den Ängsten der Menschen Wahlkampf!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Rülke.

Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen! Das erste Wort der FDP/DVPFraktion richtet sich in diesen Tagen an die Opfer dieser fürch terlichen Katastrophe in Japan. Diese sind die Opfer einer Erd beben- und Tsunamikatastrophe wirklich biblischen Ausma ßes. Eine solche Katastrophe hätte sich so kaum jemand vor stellen können. Dies droht über manche Diskussionen, die in diesen Tagen in Deutschland geführt werden, in Vergessen heit zu geraten.

Ich denke, den individuellen Schicksalen dieser Menschen und natürlich auch den Ängsten, die in den nächsten Tagen und Wochen noch auf diese Menschen zukommen, sollten un sere allerersten Gedanken gelten.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Herr Kollege Kretschmann und Herr Kollege Schmid, der sich wahrscheinlich schon wieder im Wahlkampf befindet,

(Abg. Dr. Rainer Prewo SPD: Na ja! – Zuruf von der SPD: Na, na, na! – Gegenruf des Abg. Werner Raab CDU: Er sollte hier sein! Das verlangt der Anstand!)

Ihr Vorwurf an diese Regierungskoalition ist sehr bemerkens wert. Sie werfen uns und insbesondere dem Ministerpräsiden ten im Grunde vor, deshalb nicht glaubwürdig zu sein, weil nach dieser Katastrophe in Japan Aspekte anders bewertet würden als zuvor.

Meine Damen und Herren, dieser Vorwurf fällt auf Sie selbst zurück. Das kann man durchaus beweisen: Auch Sie haben ei ne Neubewertung vorgenommen. Denn als Sie beispielswei se in den Jahren 2001/2002 diesen von Ihnen immer wieder gelobten und eingeforderten rot-grünen Atombeschluss ge fasst haben, bestand der Siedewasserreaktor in Philippsburg schon.

Sie, Herr Kollege Kretschmann, haben gerade gesagt, man müsse den Begriff „Restrisiko“ aus dem Wortschatz streichen. Aber offensichtlich haben Sie genau mit einem solchen Rest risiko hantiert. Sie haben nämlich im Jahr 2002 nicht be schlossen, den Siedewasserreaktor in Philippsburg umgehend stillzulegen. Vielmehr haben Sie ihm eine Restlaufzeit von mehr als zehn Jahren zugebilligt.

(Abg. Albrecht Fischer CDU: Aha!)

Sie selbst sind Brückenbauer,

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: So ist es!)

gemeinsam mit der SPD.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)