Nach einem Ländervergleich der Agentur für Erneuerbare Energien ist Baden-Württemberg beim Ausbau umweltfreund licher Energiegewinnung in der Spitzengruppe.
Fast jede fünfte Kilowattstunde Solarstrom in Deutschland kommt aus Baden-Württemberg. Bei der Nutzung regenera tiver Wärmeenergie ist unser Land mit dem Wärmegesetz bun desweit Vorreiter.
Die Landesregierung hat die Bereiche Umwelttechnik und Ressourceneffizienz als strategischen Wachstumskern für Ba den-Württemberg benannt. Wir haben uns beim Ausbau rege nerativer Energieformen ehrgeizige Ziele gesetzt. Die Ziel marke eines Anteils von 20 % regenerativer Energien am Ge samtenergieaufkommen im Jahr 2020 ist für uns nur eine Un tergrenze, die wir natürlich auch übertreffen wollen. Dazu werden wir in der kommenden Legislaturperiode das Energie konzept 2020 der Landesregierung
zu einem umfassenden Konzept für das Zieljahr 2050 weiter entwickeln. Bis zu diesem Zieljahr sollen die erneuerbaren Energien etwa 80 % zur Energieerzeugung im Land beisteu ern.
Meine Damen und Herren, der Umstieg auf regenerative Ener gieformen wird als Reaktion auf die Ereignisse in Japan noch schneller vollzogen werden müssen. Aber es ist eine Illusion, zu glauben, regenerative Energien könnten ohne gesellschaft liche Konflikte ausgebaut werden.
Wer für erneuerbare Energien ist, darf sich nicht über Land schaftseingriffe für neue Speicherkraftwerke empören. Denn wir werden mehr Speicherkraftwerke brauchen. Wer für er neuerbare Energien ist, darf nicht reflexhaft gegen Biomasse kraftwerke sein. Wir werden in Zukunft mehr dieser Kraft werke brauchen. Wer für erneuerbare Energien ist, darf nicht reflexhaft gegen Biosprit an Tankstellen sein –
schon gar nicht, wenn er die Einführung mit beschlossen hat. Wir werden künftig mehr Biosprit verbrauchen. Wer für er neuerbare Energien ist, darf auch nicht gegen Stromtrassen sein, die den Strom von den Windparks an der Küste nach Ba den-Württemberg bringen.
Meine Damen und Herren, wir werden deshalb die Energie forschung zu Fragen der Kraftwerkstechnik, zu alternativen Antriebsformen, Energieerzeugung, Energiespeicherung und Energienetzen sowie zum energiesparenden Bauen zu einem Mittelpunkt der baden-württembergischen Forschungsanstren gungen machen.
Baden-Württemberg wird den Weg ins Zeitalter regenerativer Energien gehen. Dieser Weg wird aber auch unbequem sein. Es wird kein Weg einfacher Patentlösungen und schneller Ver sprechen sein. Es muss ein Weg der Besonnenheit und der Machbarkeit sein.
Bei allen notwendigen politischen Diskussionen sind unsere Gedanken am heutigen Tag aber bei den Menschen in Japan. Ich sage auch: Im Angesicht ihrer Not relativieren sich man che Konflikte und manche Debatten, die wir hier bei uns füh ren.
Herr Präsident, meine sehr ver ehrten Damen und Herren! Das Leiden der Menschen in Ja pan erfüllt mich mit tiefer Trauer. Wir alle spüren das Bedürf nis, innezuhalten und daran zu denken, was den Menschen
dort widerfahren ist, die ihr Hab und Gut, die Angehörige, Freunde und Bekannte so plötzlich verloren haben und jetzt vor einer ungewissen Zukunft stehen, die nicht wissen, wie es weitergeht – und zwar im wahrsten Sinn des Wortes. Denn die Katastrophe in Japan ist noch am Brodeln, und die Konse quenzen sind bislang unabsehbar.
Das Einzige, was wir in Europa, in Deutschland, in BadenWürttemberg tun können, ist, unser Mitgefühl auszusprechen und dort zu helfen, wo man noch helfen kann. Deshalb ist es richtig, dass in Baden-Württemberg auf Landesebene, bei den Hilfswerken, bei den Verbänden, alles darangesetzt wird, Hilfsanforderungen aus Japan entgegenzukommen.
Natürlich denken wir an unsere Freunde und Partner in Kana gawa, an die Städte und Gemeinden in Japan, die mit unseren Städten Partnerschaften und Freundschaften pflegen.
Mir kommt in diesen Tagen noch eine andere Erinnerung wie der in den Sinn, nämlich die Erinnerung an das Unglück in Tschernobyl vor 25 Jahren. Das war nicht ganz so weit von uns entfernt. Da hieß es: „Spielt nicht mehr draußen, verzehrt kein Wild und keine Pilze mehr.“ Es herrschte eine große Un gewissheit, weil wir keine Ahnung hatten, was diese ominö se Wolke bedeutete. Meine französischen Freunde sagten da mals, bei ihnen gebe es gar keine Wolke.
Ich bin drei Jahre später im Rahmen eines Schüleraustauschs in die damalige Sowjetunion, in die Ukraine, gereist. Das war der erste Schüleraustausch mit Poltawa. Ich weiß noch ganz genau, wie wir im Jahr 1989 auch in unseren Familien verun sichert waren und uns fragten, ob man da überhaupt hinfah ren könne. Wir haben uns damals gesagt, dass dieser Ort öst lich von Tschernobyl liegt und die Wolke eher Richtung Wes ten getrieben ist. Insofern war klar, dass wir uns auf die Rei se dorthin machten. Als wir aber dann dort vor Ort waren – drei Jahre nach dem Unglück –, hatten wir manchmal den Ein druck, wir wüssten mehr über das, was geschehen war, als die Menschen dort vor Ort. Trotzdem haben wir sofort gemerkt, welch einen tiefen Einschnitt es für eine Gesellschaft bedeu tet, wenn ein solch apokalyptischer Unfall über ein Land kommt. Die Folgen dieses Reaktorunglücks sind ja auch bis heute nicht bewältigt.
So, wie es vor 25 Jahren richtig war, darüber zu reden, was dieses Unglück für uns, für unsere Energiepolitik bedeutet, ist es jetzt unsere Pflicht, darüber zu sprechen, was die Ereignis se in Fukushima für uns in Deutschland, in Baden-Württem berg bedeuten. Es ist unsere Pflicht, darüber zu sprechen, wie solche Katastrophen in Zukunft verhindert werden können. Das ist eine hochpolitische Frage, eine Frage, der wir noch mehr Aufmerksamkeit widmen müssen als in der Vergangen heit. Eben weil es eine hochpolitische Frage ist, reicht es auch nicht aus, hilflos mit Vertröstungen darauf zu reagieren. Denn eines ist klar: CDU und FDP haben in diesem Punkt ein ganz dickes Glaubwürdigkeitsproblem.
Harrisburg, Tschernobyl und nun Fukushima – diese Katast rophe ist nicht irgendwo passiert, sondern im Hochtechnolo gieland Japan. Wer jetzt noch nicht begriffen hat, dass sich dieses angebliche Restrisiko sehr schnell und furchtbar reali
sieren kann, der hat nichts verstanden. Deshalb ist jetzt auch nicht die Zeit, darüber zu reden, wie man sich irgendwie über Wahltermine retten kann,
sondern es geht darum, jetzt darüber zu reden, wie wir in Deutschland diese Risikotechnologie Atomkraft endgültig ver bannen können.
Die Atomkraft birgt unbeherrschbare Risiken. Wir haben es erlebt. Die Katastrophe von Fukushima – ein Vierteljahrhun dert nach dem Super-GAU von Tschernobyl – war ein Fanal. Am 12. März 2011 um 15:36 Uhr ist das Atomzeitalter zu En de gegangen, meine sehr verehrten Damen und Herren, und zwar nicht nur für drei Monate, nicht nur bis zur Landtags wahl, sondern für immer.
Die Halbwertszeit von Plutonium-239, das Medienberichten zufolge aus einem der Reaktoren entwichen ist und von dem schon wenige Milligramm tödlich wirken, beträgt 24 000 Jah re. Ihr Aussetzen des Ausstiegs vom Ausstieg wird maximal drei Monate Bestand haben.
Wenn Sie, Herr Mappus, sagen, es sei ein emotionaler Aus nahmezustand, der da die Republik erfasst habe, dann sage ich Ihnen eines: Das einzige Ziel des Moratoriums ist es, die Menschen zu betäuben und ihnen eine Beruhigungspille zu verpassen. Das wird nicht ausreichen.
(Beifall bei der SPD und den Grünen – Oh-Rufe von der CDU – Abg. Peter Hauk CDU: Unverantwortlich! – Zuruf des Abg. Gundolf Fleischer CDU)
(Beifall bei der SPD und den Grünen – Zuruf: A wa! – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Billiger, plum per Wahlkampf!)
Sie sind vorneweg marschiert, als es darum ging, den rot-grü nen Atomkonsens aufzukündigen und die Laufzeiten zu ver längern.
Sie haben maßgeblich dafür gesorgt, dass auch die Menschen in Baden-Württemberg 25 Jahre länger mit dem Restrisiko von Atomkraftwerken leben müssen.