Protocol of the Session on March 2, 2011

(Abg. Reinhold Gall SPD: Wie man mit einem Stun denlohn von 7,60 € auf 1 500 € im Monat kommen soll, würde mich einmal interessieren! – Gegenruf des Abg. Claus Schmiedel SPD: Wenn man 80 Stun den in der Woche arbeitet!)

Denn bereits heute werden diese tariflichen Mindestbedingun gen zu nahezu 100 % erfüllt, weil fast alle Anbieter tarifge bunden sind. Es ist aber sichergestellt, dass, wenn ab 1. Mai im Zuge der Einführung der Arbeitnehmerfreizügigkeit Per sonen aus den neuen EU-Ländern zu uns auf den Arbeitsmarkt kommen, Dumpingmodelle ausgeschlossen sind.

Meine Damen und Herren, selbstverständlich muss die The matik überschaut werden. Wir müssen prüfen, wie sich die Si tuation entwickelt, um hier kein Lohndumping zuzulassen.

Im Übrigen bleibt es bei der bisherigen Kritik an Ihrem Ent wurf eines Tariftreuegesetzes. Dieser beinhaltet wirklich Bü rokratie ohne Ende. Ein solches Gesetz wäre eine Arbeitsbe schaffungsmaßnahme für Verwaltungen. Das kann nicht in un serem Sinn sein.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Ach Gott, ach Gott!)

Eines möchte ich noch erwähnen: Das Land hat bereits durch Ministerratsbeschluss vom 21. Juli 1997 eine Stammperso nalklausel eingeführt. Danach dürfen bei Hochbau- und Stra ßenbauaufträgen des Landes nur solche Unternehmen berück sichtigt werden, die mindestens 70 % der Bauleistung mit ei genem Stammpersonal erbringen. Diese Unternehmen müs

sen sich auch verpflichten, gegebenenfalls nur solche Nach unternehmer zu berücksichtigen, die diese Anforderungen er füllen. Das Stammpersonal muss dem öffentlichen Auftrag geber vorab nachgewiesen werden. Diese Liste muss bei Raz zien den Mitarbeitern des Hauptzollamts ausgehändigt wer den.

Mit dieser eigentlich primär mit Zuverlässigkeitsaspekten be gründeten vertraglichen Verpflichtung wird einer zunehmen den Beschäftigung von Arbeitskräften aus Billiglohnländern auf den Baustellen des Landes begegnet und das heimische Handwerk bzw. Baugewerbe geschützt.

Meine Damen und Herren, es ist wichtig, dass wir unsere Ar beitnehmer schützen. Es ist wichtig, dass wir gerechte Löhne haben. Wir bezweifeln allerdings, dass wir das auf dem im Gesetzentwurf vorgesehenen Weg erreichen können.

Wir werden uns weiter darum bemühen, dass Baden-Würt temberg ein Land bleibt, mit dem sich die Bürger und Bürge rinnen identifizieren können.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sehr gut! Aus gezeichnet! – Gegenruf des Abg. Reinhold Gall SPD: Da brauchst du dich aber nicht einzuschmeicheln! – Gegenruf des Abg. Dr. Klaus Schüle CDU)

Das Wort erteile ich Herrn Wirt schaftsminister Pfister.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Wirtschaftsministeri um gibt es seit geraumer Zeit einen Bürokratiekosten-TÜV.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Ah!)

Das bedeutet, dass aus dem Wirtschaftsministerium kein Ge setz, keine Verordnung, kein Erlass herausgeht, bei denen nicht vorher überprüft wird, ob dieses Gesetz, dieser Erlass oder diese Verordnung mehr Bürokratie oder weniger Büro kratie bringt. Wenn ein Gesetz oder ein Erlass mehr Bürokra tie mit sich bringen sollte, dann darf das Gesetz bzw. der Er lass das Haus nicht verlassen.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Da will ich an ein paar Verfügungen und Verordnungen erinnern! Da haben Sie Bürokratie ohne Ende gemacht!)

Wenn Sie wissen wollen, aus welchem Grund der von Ihnen vorgelegte Gesetzentwurf das Wirtschaftsministerium niemals verlassen wird, dann ist der Grund der, dass Sie hier einen Ge setzentwurf fabriziert haben, der geradezu einen Bürokratie wust darstellt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Claus Schmiedel SPD: Unsinn!)

Das ist kein Unsinn. Das ist so. Sie brauchen sich nur die Stellungnahmen bei der Anhörung anzusehen. Selbstverständ lich zwingt uns niemand, Anhörungsergebnisse für bare Mün ze zu nehmen. Wenn wir aber eine solche Anhörung machen, dann lohnt es sich, auch einmal hinzuschauen.

(Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU: So ist es!)

Sie werden feststellen, dass sich der Vorwurf einer zusätzli chen überbordenden Bürokratie wie ein roter Faden durch die Anhörungsergebnisse zieht.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Hagen Kluck FDP/ DVP: So ist es!)

Das wird bei den kommunalen Landesverbänden deutlich, die das sehr unverblümt sagen;

(Zuruf der Abg. Edith Sitzmann GRÜNE)

das wird aber auch bei den Wirtschaftsverbänden deutlich, und zwar bei allen Wirtschaftsverbänden. Was das Handwerk angeht, Herr Kollege Schmiedel, müssen Sie, wenn Sie zitie ren – es ist heute wichtig, richtig zu zitieren –, schon die gan ze Wahrheit sagen. Denn Sie haben nur die halbe Wahrheit ge sagt, was z. B. den BWHT angeht. Der BWHT sagt nämlich ausdrücklich, dass er eine inhaltliche Beschränkung auf die Entgeltregelung nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz for dert. Das heißt, innerhalb des Arbeitnehmer-Entsendegeset zes zu bleiben und dort die Mindestarbeitsbedingungengeset ze, die ohnehin schon gelten, zu beachten, dies aber auch für ausreichend zu erklären. Es heißt, dass ein Mindestlohn von 8,50 € – das ist auch gesagt worden – auch vom Handwerks tag abgelehnt wird.

In allen Stellungnahmen wird deutlich, dass Sie, wenn Sie das wirklich umsetzen wollen, einen ganzen Apparat von zusätz lichen Kontrollkommissionen brauchen. Sie brauchen Kom missionen im Sozialministerium. Das ist nicht unser Vor schlag. Sie selbst sagen das. Wenn Sie das durchführen wol len, müssen Sie Kontrollkommissionen – so nennt man das – im Sozialministerium einsetzen. Bei den Regierungspräsidi en brauchen Sie entsprechende Servicestellen. Der Gemein detag hat es auf den Punkt gebracht, indem er sagt: Wenn die ses Gesetz tatsächlich verwirklicht werden würde, würde das bedeuten, dass in allen Städten, insbesondere auch in den klei neren Städten, mindestens ein zusätzlicher Tarifexperte ein gestellt werden muss, um das alles zu bewerkstelligen.

Meine Damen und Herren, da liegen Sie nun wirklich völlig falsch. Frau Kollegin Sitzmann, ich bin wirklich etwas ent täuscht, dass Sie das Thema Bürokratie so herunterspielen.

(Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Ich habe es nicht he runtergespielt! Überhaupt nicht!)

Für mich ist es wirklich ein ganz wichtiges Thema.

(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Ich glaube sogar, dass die Bürokratie in der Wirtschaft, aber auch in der Gesellschaft insgesamt ein Krebsübel dieser Zeit ist, das bekämpft werden muss, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Jawohl! – Zu ruf der Abg. Edith Sitzmann GRÜNE)

Ein zweiter Punkt, bei dem die Bürokratie wieder durchschim mert, ist das Thema Mindestlöhne. Meine Damen und Herren, wenn wir bereits heute gesetzliche – in diesem Fall bundes gesetzliche – Grundlagen haben, um Mindestlöhne einzufüh

ren, nämlich über das Entsendegesetz, dann wird mir in hun dert kalten Winternächten niemand erklären können, weshalb wir dann zusätzlich ein Landesgesetz brauchen, um Mindest löhne einzuführen. Das wird mir niemand erklären können.

(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP – Zuruf des Abg. Claus Schmiedel SPD)

Wir haben es doch auch bewiesen. Wir haben in der Vergan genheit über das Entsendegesetz in verschiedenen Branchen Mindestlöhne eingeführt: im Baubereich – das wissen Sie –,

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Weil die Unternehmen es über Leiharbeitsstrukturen unterlaufen können!)

beim baunahen Handwerk, bei der Gebäudereinigung, bei der Abfallwirtschaft. Erst jetzt sind in Berlin die Beschlüsse ge fallen, die darauf abzielen, dass ab dem 1. Mai in zusätzlichen Branchen Mindestlöhne eingeführt werden: bei der Zeitarbeit – das ist erwähnt worden –, beim Wach- und Sicherheitsge werbe, bei der Weiterbildung. Das alles ist doch beschlossen und im Grunde ein Beweis dafür, dass man dies mit dem beste henden Instrumentarium in Einzelfällen machen kann, wenn man es will.

Das Thema Mindestlöhne ist natürlich ein heikles Thema. Ich habe nichts gegen Mindestlöhne. Wir müssen uns aber immer über eines im Klaren sein: Wenn die Mindestlöhne zu niedrig sind, dann hat niemand etwas davon.

(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Wenn sie aber zu hoch sind, besteht die Gefahr, dass insbe sondere die geringer Qualifizierten ihren Arbeitsplatz verlie ren.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: So ist es!)

Wer immer sich also mit dem Thema Mindestlöhne beschäf tigt und befasst, muss wissen, dass die Gefahr besteht – ich sage nicht „Automatismus“ –, dass diejenigen, die sich auf dem Arbeitsmarkt besonders schwertun, nämlich die Ge ringqualifizierten, durch die Einführung eines Mindestlohns ihren Arbeitsplatz verlieren, weil dieser Arbeitsplatz einfach wegrationalisiert wird. Das muss man dabei einfach wissen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Albrecht Fischer CDU: Sehr richtig! So ist es! – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Das ist denen doch egal! – Zuruf des Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU)

Dann gibt es noch einen dritten Punkt, bei dem Sie sogar ei ne Wettbewerbsverzerrung vorschlagen. Nicht alle Unterneh men in Baden-Württemberg oder in Deutschland unterliegen einer tariflichen Vereinbarung. Es gibt eine ganze Reihe von Unternehmen – das sind nicht Billigheimer –, die eigene Ta rife haben. Sie haben Haustarife. Sie machen das nicht aus Lust und Tollerei, sondern sie machen das beispielsweise des halb, weil ihre eigenen Betriebsräte sie zu solchen Haustari fen auffordern. Es gibt viele Unternehmen – das hat die Kri se gezeigt –, die, obwohl sie tarifliche Vereinbarungen hatten, Absenkungen beim Lohnniveau vorgenommen haben oder die

Arbeitszeiten verlängert haben oder auch beides gemacht ha ben, um die Krise abzuwenden.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Im Rahmen des Tarif vertrags! – Zuruf des Abg. Norbert Zeller SPD)

Ja, natürlich. Sie haben das gemacht. Auch hierbei, Herr Kollege Schmiedel, waren es gerade die Betriebsräte, die da zu aufgerufen haben, möglichst flexibel zu sein,

(Zuruf des Abg. Norbert Zeller SPD)

immer mit dem Ziel, das Unternehmen aus der Krise zu ret ten. Das ist doch ein völlig normales Verhalten. Das können Sie auch nicht kritisieren.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Das kritisieren wir doch auch nicht! – Gegenruf des Abg. Hagen Kluck FDP/ DVP: Natürlich!)