Frau Präsidentin, mei ne Damen und Herren! Es ist schon erstaunlich, welche Phan tomdebatten heute hier geführt werden.
(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Ich habe Phantomschmerzen! – Gegenruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)
Kollege Kaufmann, Kollege Lehmann, vor einem Jahr hätte ich Ihnen in Teilen durchaus noch zugestimmt. Sie wissen, dass ich das am 5. Mai letzten Jahres auch getan habe.
Die Welt ist inzwischen ein Stückchen weiter gediehen. Wir haben ab dem nächsten Schuljahr – Sie haben das selbst an gesprochen – zusätzliche Klassen an den beruflichen Gymna sien.
Herr Lehmann, ich habe nicht gesagt, wir wollten keine Rechtsansprüche – weil wir das nicht einhalten können –,
sondern ich habe Sie darauf hingewiesen, dass Rot und Grün am laufenden Band Rechtsansprüche generieren und sie dann nicht einhalten können.
Das können Sie auch an den Rechtsansprüchen sehen, die Sie zur Zeit Ihrer gemeinsamen Bundesregierung geschaffen ha ben.
Da haben Sie auch Rechtsansprüche generiert, die dann zu lasten der Kommunen gingen. Jetzt werfen Sie uns vor, dass wir das Geld dafür nicht bereitstellen. Rechtsansprüche sind keine Form einer guten Politik.
Herr Kaufmann, Sie behaupten dann auch noch, dass Zahlen dies belegten. Sie können im Moment gar keine solchen Zah len haben,
weil die neuen Klassen noch gar nicht eingerichtet sind. Sie wissen definitiv nicht, wie viele Bewerber es im nächsten Schuljahr geben wird und wie viele davon eventuell abgewie sen werden.
Jetzt kommt noch eines dazu: Nach dieser Debatte am 5. Mai letzten Jahres habe ich mich auf den Weg gemacht und habe aufgrund der Zahlen in der damaligen Drucksache in allen be ruflichen Schulen im Kreis Böblingen nachgefragt. Ich habe gefragt: Wie viele von denen, die hier als abgewiesen stehen, waren denn am Ende wirklich abgewiesen? Eine Schule nach der anderen hat mir gesagt, dass am Schluss niemand mehr übrig war.
(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: So ist es! – Abg. Gunter Kaufmann SPD: Weil sie woanders hin sind!)
Jetzt haben wir zusätzliche Klassen eingerichtet. Man muss schon genau hingucken. Mir ist klar, dass Sie Zustimmung be kommen, wenn Sie einen Rechtsanspruch fordern.
Es gibt viele Leute, die sich darüber freuen, weil sie sich nicht im Klaren darüber sind, dass Sie das, was Sie alles in Ihren Wahlprogrammen versprechen, nie im Leben einhalten kön nen. Das ist klar. Wer zusammenzählen kann, der weiß das.
Liebe Frau Berroth, ich war gestern mit meinem Sohn unterwegs, um ihn an einem beruf lichen Gymnasium anzumelden. Man kann heute auf einem Anmeldezettel acht Prioritäten angeben. Diese werden über das Regierungspräsidium dann zusammengefasst und ausge wertet.
Er würde gern in erster Priorität auf ein sozialwissenschaftli ches Gymnasium, in zweiter Priorität auf ein Gymnasium mit Schwerpunkten wie Design und Marketing gehen. Ich habe ihn davon überzeugt, dass er sicherheitshalber auf den Plät zen 7 und 8 der Prioritätenliste ein ernährungswissenschaftli ches und ein wirtschaftliches Gymnasium erwähnt.
Dann sind wir mit dieser Liste mit acht Prioritäten losgezo gen. Beim Gymnasium, das als erste Priorität auf der Liste steht, muss man diese Liste abgeben. Als wir diese Liste dort abgegeben haben, haben uns die von der Schule gesagt: „Sie haben hier fünf oder sechs sozialwissenschaftliche Gymnasi en angegeben. Das können Sie bei dem Notendurchschnitt von vornherein vergessen. Wir wissen schon jetzt aus Querbefra gungen, dass man mindestens einen Notendurchschnitt von 2,0, wahrscheinlich sogar einen besseren haben muss, um dort überhaupt einen Platz zu bekommen.“
Ähnliches galt für die Gymnasien mit Schwerpunkten Mar keting und Design. Mit dem ernährungswissenschaftlichen Gymnasium, worauf er überhaupt keine Lust hat
... und mit dem Wirtschafts gymnasium könnte es klappen, aber auch nicht sicher. Das ist frustrierend, nicht wahr?
Wenn wir hier jetzt nicht sieben oder acht Prioritäten aufge führt hätten, dann gäbe es für ihn vermutlich gar keinen Platz.
Dann haben wir ihn sicherheitshalber auf fünf Berufskollegs angemeldet. Von dort kam jedes Mal die Rückmeldung: Es sind bereits 100 Bewerbungen eingegangen, wir haben aber nur 30 Plätze; es sieht für Ihren Sohn sehr schlecht aus.
Erklären Sie mir jetzt erstens, wie ich meinem Sohn erklären soll, dass wir hier aus Ihrer Sicht eine Phantomdebatte füh ren, und zweitens, was das mit Menschenbild zu tun hat, wenn er vermutlich weder für das eine noch für das andere Angebot einen Platz bekommt