Protocol of the Session on March 1, 2011

wenn Sie von „verheerenden Zuständen“ sprechen, dann muss ich darauf hinweisen, dass das Zahlen aus den Jahren 2007 und 2008 sind. Ich hoffe doch, dass die SPD-Fraktion auf der Höhe der Zeit argumentiert und nicht in die Vergangenheit schaut und darauf angewiesen ist, auf alte Zahlen zurückzu greifen.

Sie haben diesen Bericht – neben der Tatsache, dass Sie alte Zahlen genannt haben – sehr unvollständig zitiert; denn Sie haben andere Dinge nicht genannt, nämlich die Arbeitslosen quote bei den Frauen in Baden-Württemberg und den Frauen anteil an den Langzeitarbeitslosen. Das sind im Länderver gleich die niedrigsten Zahlen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Die Beschäftigungsquote der Frauen ist in Baden-Württem berg vergleichsweise hoch.

(Abg. Katrin Altpeter SPD: Und die Zahl der Zeitar beitsverhältnisse!)

Auch die Quote der Erwerbsbeteiligung von Frauen mit Kin dern unter drei Jahren liegt im vorderen Drittel. Auch das sind Themen, die angesprochen werden müssen, wenn man schon den Gleichstellungsatlas zitiert und meint, „verheerende Ver hältnisse“ feststellen zu müssen.

Das Problem des Pay Gap wurde genannt. Dass Frauen schlechter bezahlt werden als Männer ist ein Thema, das uns in der Tat alle bewegt. Man muss aber für Baden-Württemberg sol che Zahlen auch ein bisschen differenziert betrachten und darf keine Schwarz-Weiß-Malerei betreiben – auch nicht, wenn Wahlkampf ist. Wir haben hier in Baden-Württemberg in der Tat eine Wirtschaftsstruktur, in der männerdominierte Berufe überwiegen. Die Männer verdienen hier aufgrund unserer Wirtschaftsstruktur sehr viel, und deswegen ist der Pay Gap in Baden-Württemberg vergleichsweise groß. In Berlin ist die se Differenz natürlich kleiner, weil dort auch die Männer we sentlich weniger verdienen.

Ich wünsche mir natürlich – hierzu unternehmen wir ja auch vielfältige Anstrengungen –, dass Frauen verstärkt auch sol che Berufe wählen, die sehr gut bezahlt werden.

Die Frauenquote bei den Führungskräften ist genannt worden. Der Wahrheit halber muss jedoch hinzugefügt werden: Die Quote der weiblichen Führungskräfte in der Privatwirtschaft ist im Gleichstellungsatlas als Indikator nicht genannt. Dass dieser Indikator dort nicht enthalten ist, geht insbesondere auf den Wunsch von Rheinland-Pfalz zurück; denn die Zahlen sind angeblich schlecht vergleichbar.

(Abg. Werner Raab CDU: Aha!)

Es geschah insbesondere auf Wunsch von Ländern, die uns zum Vergleich besonders interessieren würden, weil dort an dere Parteien regieren, dass die Frauenquote bei den Füh rungskräften in der Privatwirtschaft nicht in diesen Gleich stellungsatlas aufgenommen worden ist. Das füge ich der Voll ständigkeit halber hinzu.

Natürlich gibt es auf dem Arbeitsmarkt in Baden-Württem berg eine hohe Zahl von Teilzeitbeschäftigungsverhältnissen.

Aber ich muss auch einmal Folgendes sagen: Das ist – wenn auch sicherlich nicht immer und überall – durchaus von vie len Frauen so gewünscht. Ich kenne viele Frauen, die als Müt ter von zwei oder drei Kindern gern einer Erwerbstätigkeit nachgehen, dies jedoch bevorzugt in Teilzeit.

(Abg. Katrin Altpeter SPD: Genau! Abends von sie ben bis zehn Uhr im Kaufhaus!)

Gerade unsere Landesverwaltung bietet eine Vielzahl von Teilzeitmöglichkeiten, und es zeigt sich, dass diese Möglich keiten gern in Anspruch genommen werden.

Im Übrigen wurde vorhin bereits gesagt, dass sich zunehmend auch Männer mehr Zeit für die Familie wünschen und flexib le Arbeitszeiten sowie Teilzeitmodelle in Anspruch nehmen möchten. Das ist ein Stück Wahlfreiheit, und wir sollten dies auch nicht schlechtreden, sondern schätzen. Jeder sollte es so handhaben können, wie er meint, es mit seiner Lebensplanung vereinbaren zu können.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Aber es sind doch 83 % Frauen!)

Natürlich haben wir einen Fachkräftemangel. Wir können auf die gut ausgebildeten Frauen nicht verzichten. Das ist auch ei ne Herausforderung für die Wirtschaft; da ist die Wirtschaft gefragt, wenn es darum geht, familienfreundliche Arbeitsbe dingungen zu schaffen. Natürlich könnten wir – der Staat – sagen: Jetzt schreiben wir alles vor. Wer sich aber ein biss chen in der Wirtschaft umschaut – ich selbst mache sehr vie le Besuche in Betrieben und Unternehmen –, der stellt fest, dass die Unternehmen, eben weil sie wissen, dass sie auf die se gut ausgebildeten Frauen nicht verzichten können, bereits auf einem sehr guten Weg sind, was familienfreundliche Ar beitsbedingungen betrifft. Gerade die mittelständische Wirt schaft ist zunehmend kreativ, um hier entsprechend wettbe werbsfähig zu sein und auf die gut ausgebildeten Frauen leicht zurückgreifen zu können.

Wir begleiten diese Anstrengungen der Wirtschaft, z. B. durch unser Kompetenzzentrum der Familienforschung „Beruf & Familie“, und beraten vor allem kleine und mittlere Unterneh men dabei, wie familienfreundliche Arbeitsbedingungen ge staltet werden können. Wir fördern dabei natürlich auch das betriebliche Betreuungsangebot.

Damit bin ich beim Thema Betreuung. Das ist in der Tat der Bereich, in dem der Staat seinen Beitrag zu leisten hat, indem er Kinderbetreuungsmöglichkeiten schafft. Dabei kann man natürlich Zahlen der Jahre 2007/2008 aus dem Gleichstel lungsatlas anführen; damit ist man aber nicht auf der Höhe der Zeit. Denn wir haben seit dieser Zeit einen enormen Ausbau der Kleinkindbetreuung bewerkstelligt. Ende des Jahres 2010 haben wir eine Betreuungsquote von 22,4 % erreicht und ent sprechen damit unserer klaren Vereinbarung mit den Kommu nen. Die Kommunen halten diese Vereinbarung ebenfalls ein.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Die fordern aber einen Nachschlag!)

Wir machen das schon ein bisschen fundierter und arbeiten nicht nur mit Schlagworten. Wir haben mit den Kommunen eine klare Vereinbarung getroffen. Allerdings ist durchaus auch damit zu rechnen, dass dieser Bedarf rascher ansteigt,

als es der ursprünglichen Vereinbarung entspricht. Wenn also in diesem Frühjahr vom Deutschen Jugendinstitut die Bedarfs zahlen vorgelegt werden, werden wir erneut in Gespräche mit den Kommunen eintreten und werden die Kommunen bei die ser Aufgabe nicht alleinlassen.

Die Kleinkindbetreuung ist natürlich nicht das alleinige The ma, wenn es um Kinderbetreuung geht. Da geht es natürlich auch um die Ganztagsschulen. Wir haben seit 2004 die An zahl der Ganztagsschulen verdoppelt. Wir haben in BadenWürttemberg einen Anteil von 24 % Ganztagsschülern. Wir liegen damit vor Bayern, vor dem Saarland und – man höre und staune – auch vor Rheinland-Pfalz.

(Beifall des Abg. Klaus Herrmann CDU – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Unglaublich!)

Das Thema „Familienfreundliche Arbeitsbedingungen“ ist für die Landesregierung ein wichtiges Thema. Wir haben deswe gen ein Programm und Leitsätze entworfen. Wir wollen, dass die Landesregierung Vorbild für Familienfreundlichkeit ist. Deswegen werden in allen Ministerien, in allen Ressorts viel fältige Maßnahmen ergriffen, um die Arbeitsbedingungen für Väter und Mütter familienfreundlich zu gestalten. Das reicht so weit, dass wir auch als Landesverwaltung Betreuungsplät ze zur Verfügung stellen. Wir haben nochmals 500 000 € zur Verfügung gestellt, um betriebsnahe Einrichtungen zu schaf fen, damit wir, wenn wir von der Wirtschaft ihren Anteil ein fordern, auch seitens der Landesregierung entsprechend vor bildhaft sind.

Was den Anteil der Frauen in Führungspositionen betrifft – das wurde jetzt angesprochen –, ist es sicher kein Thema der Landespolitik, ob man eine gesetzliche Quote einführt oder nicht. Ich kenne kein Land – auch kein Land, das von der SPD regiert wird –, das sich hier in irgendeiner Weise gesetzgebe risch eingebracht hätte. Die Diskussion findet auf bundespo litischer Ebene statt.

Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich für die Einführung ei ner Quote bin, weil auch ich sehe, dass es solcher Signale be darf, um etwas schneller vorwärtszukommen. Aber das, was unsere Bundesfamilienministerin jetzt vorschlägt – eine stu fenweise Einführung einer Verpflichtung –, ist, denke ich, ein Weg, mit dem es uns sicher gelingt, auch all diejenigen mit zunehmen, die noch Probleme mit der Quote haben, die Wirt schaft mitzunehmen und auch die Frauen mitzunehmen, die sich mit der Quote noch nicht so richtig angefreundet haben. Ich denke, das ist ein sinnvoller Weg, den wir unterstützen wollen. Im Jahr 2013 werden wir sehen, wie weit wir sind. Dann können wir uns nochmals über das Thema unterhalten. Aber das ist kein Thema der Landespolitik.

Wir in der Landesverwaltung wollen hier Vorbild sein. Da ha ben wir in den letzten Jahren gute Schritte getan. Ich habe nicht den Eindruck, dass die Politik der Opposition, die sich auf alte Zahlen bezieht und in den eigenen Reihen auch nicht schneller vorwärtskommt, uns in der nächsten Legislatur wei terbringt.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Wer ner Raab CDU: So viel zur Kontinuität!)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Alt peter.

(Zuruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP)

Herr Präsident, liebe Kollegin nen und liebe Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Her ren! Wir sollten eines sicher nicht tun: Wir sollten nicht bis zum Jahr 2013 warten, um uns erneut dieses Themas anzu nehmen. Denn dann sind wieder zwei Jahre möglicherweise im Dornröschenschlaf vergangen. Wieder wird mit Zahlen ge arbeitet, und wieder hat sich womöglich nichts verändert. Des wegen müssen wir dieses Thema ständig bearbeiten. Da gibt es wahrlich genug zu tun.

Als Sie, liebe Frau Ministerin, vorhin von Frauen gesprochen haben, die so gern in Teilzeit arbeiten, können Sie alle mög lichen Berufe gemeint haben. Aber Sie haben sicher nicht die Verkäuferin gemeint, die von 18:00 bis 22:00 Uhr an der Kas se im Supermarkt sitzt, und Sie können auch nicht die Erzie herin gemeint haben, die allein zwei Kinder zu versorgen hat und schlicht und einfach beispielsweise in der Region Stutt gart mit dem Gehalt, das sie bezieht, nicht überleben kann. Die können Sie sicher nicht gemeint haben.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Ich möchte einen Punkt ansprechen, der mir in der Debatte et was zu kurz gekommen ist. Die Frauenförderung wurde ins besondere von den Vertreterinnen von CDU und FDP/DVP vorwiegend auf Familienpolitik beschränkt. Frauenförderung ist aber mehr als Familienförderung, und Gleichstellung ist mehr als nur ein Frauenthema. Hierbei geht es nämlich auch um die Entwicklung unseres Landes und um die Perspektiven, die Frauen einbringen können.

Vor nicht allzu langer Zeit haben wir hier an dieser Stelle er lebt, wie der Ministerpräsident das McKinsey-Gutachten vor gestellt hat. In diesem werden Potenziale und Perspektiven des Landes dargestellt. Einen großen Umfang in diesem Gut achten nimmt die Förderung von Frauenpotenzialen im Hin blick auf einen zukünftigen Arbeitsmarkt, auf einen zukünf tigen Fachkräftemangel ein.

Ich möchte nicht unerwähnt lassen, dass der Ministerpräsi dent dieses Thema hier nur am Rande gestreift hat, obwohl al le immer beklagen, wie groß der Fachkräftemangel ist, und darauf hinweisen, dass die Kinder, die wir zukünftig als Fach kräfte brauchen, heute bereits geboren sind.

Wenn wir also von Fachkräftemangel reden, geht es darum, Frauen zu fördern, Frauen in Berufe zu bringen, bei denen das Gehalt auskömmlich ist. Es geht auch darum, dass sie in Gre mien entsprechend vertreten sind. Wenn es nach Ihnen geht, sollen Frauen dagegen nicht nur in der Wirtschaft in BadenWürttemberg, sondern auch in den Gremien keine große Rol le spielen.

Dazu darf ich ein Beispiel anführen: Wochenlang wird in al len Medien darüber diskutiert, ob wir in Deutschland ange sichts der Tatsache, dass der Frauenanteil in den Aufsichtsrä ten der großen Konzerne unter 10 % liegt und dieser Frauen anteil in der Regel durch die Frauen auf der Arbeitnehmersei te zustande kommt, eine feste Frauenquote brauchen. Wir for dern das. Das fordert auch die CDU-Bundesarbeitsministerin

von der Leyen, und die Bundesfamilienministerin Schröder fordert immerhin eine Stufenregelung. Sie nehmen offensicht lich die ganze Debatte nicht wahr, obwohl sich – wie Frau Krueger erwähnt hat – die frauenpolitischen Sprecherinnen in dieser Sache mehrmals an den Ministerpräsidenten gewandt haben.

(Abg. Peter Hauk CDU: Entschuldigung, wir haben für das Thema Frauenförderung im Nachtrag Millio nen bereitgestellt! Ich weiß nicht, was Ihre Kritik soll! – Abg. Andrea Krueger CDU: Na ja! – Abg. Ha gen Kluck FDP/DVP: Wir haben doch eine Bundes kanzlerin! Die FDP hat auch Frauen! – Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Sie besetzen am nächsten Tag – übrigens gegen unseren Wil len – Aufsichtsratsposten, für die das Land die Kandidaten be nennen kann, ausschließlich mit Männern. Ich nehme es Ih nen nicht ab, dass Sie in ganz Baden-Württemberg nicht eine Frau gefunden haben, die unser Land kompetent im Aufsichts rat der EnBW hätte vertreten können.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Sie haben nicht mit ernsthaftem Vorsatz gesucht. Damit ha ben Sie auch gegen das Gesetz zur Chancengleichheit in un serem Land verstoßen.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Peter Hofelich SPD: So ist es! – Abg. Albrecht Fischer CDU: Das ist doch ein Geschwätz! – Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Skandal! – Abg. Hagen Kluck FDP/ DVP: Skandal um Rosi!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es gibt viel zu tun. Es gilt, die Unterschiede in der Bezahlung auszugleichen. Es gilt aber auch, gleiche Bedingungen zu schaffen.

Sie haben sich vorhin darüber mokiert, dass von unserer Frak tion ein Mann zu diesem Thema gesprochen hat: Ich glaube, das ist ein wichtiges Zeichen, weil Gleichstellung ein Thema für alle ist und nicht nur ein Nischenthema für Frauen bleiben darf.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Brigit te Lösch GRÜNE: Das geht alle an! – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Das ist niedlich!)

Gibt es keine weiteren Wortmeldun gen? – Dann ist die Aktuelle Debatte und damit Punkt 1 der Tagesordnung beendet.