Protocol of the Session on March 1, 2011

Jüngste Untersuchungen, Herr Röhm, haben gezeigt: Ein Drit tel der Familien in Deutschland

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ich helfe daheim! Schauen Sie mich nicht so an!)

Sie helfen daheim; das ist sehr erfreulich –

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Sie müssen einmal seinen Kartoffelsalat probieren!)

leiden unter Zeitnot. Das heißt, Vollzeittätigkeit ist heute noch immer mit einem ganz bestimmten Bild verbunden, nämlich dem des sorglosen Arbeitnehmers, der ständig verfügbar sein muss, in Führungspositionen natürlich auch abends und am Wochenende. Das heißt, Mütter weichen auf Teilzeitbeschäf tigung aus, weil sie diese Doppelbelastung vermeiden wollen. Das bedeutet in der Regel Verzicht auf Karriere.

Die Zahlen belegen das auch: 85 % der Teilzeitarbeitenden in Baden-Württemberg sind Frauen. Zwei Drittel der Minijobs sind in Frauenhand.

Dabei wünschen sich Eltern eigentlich etwas anderes. Über raschenderweise wünschen sich drei Viertel der Väter eine Re duzierung ihrer Arbeitszeit. Auch die Hälfte der Mütter wün schen sich eine Reduzierung der Arbeitszeit. Die Wunschar beitszeiten bewegen sich zwischen einem hohen Teilzeit- und einem gemäßigten Vollzeitumfang.

Hier sehe ich eine Lösungsmöglichkeit. Aber diese kann ich eben auch nicht verordnen. Wir müssen gerade für die Fami lienphase zu neuen Arbeitszeitmodellen kommen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das stimmt!)

Wir müssen von der lebenslangen Vollzeittätigkeit mit der ständigen Präsenz wegkommen, und wir müssen die Arbeits zeiten für Männer wie für Frauen gerechter verteilen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Wie kann das geschehen? Wir haben im Moment Führungs positionen im Blick. Diese Forderung gilt gerade auch für Führungspositionen. Es ist durchaus machbar, meine Damen und Herren, wenn wir Arbeitszeit und Arbeitsort flexibler handhaben – z. B. mehr Teilzeit auch für Männer im Beruf

(Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

oder Gleitzeit in vielen Berufen. Die Erreichbarkeit über Han dy und Laptop ist doch heute gegeben. Sie alle erinnern sich sicher an die Reklame im Fernsehen, bei der ein Mann in ei nem Boot sitzt und angelt und telefoniert, während ein ande rer rudert und telefoniert. Beide behaupten, sie seien im Bü ro. Warum müssen sie das noch behaupten? Wir können heu te an Stellen arbeiten, an denen das früher gar nicht möglich war. Diese Flexibilität sollten wir auch nutzen.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Aber diese Art der Freizeitgestaltung kann doch nicht Ihr Ziel sein!)

Nein, sie arbeiten ja. Aber sie machen beides gleichzeitig. Das heißt, die Flexibilität, was Arbeitszeit und Arbeitsort an belangt, können wir auch für Führungspositionen auf den Weg bringen. Dann wäre das auch für Frauen leistbar.

Es zeichnet sich ein Lichtstreif am Horizont ab. Es wird – das ist schon heute erkennbar – in Zukunft ein großer Wettbe werbsnachteil sein – hier komme ich auf die Unternehmens seite zu sprechen –, wenn Arbeitgeber keine familiengerech ten Angebote machen.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: So ist es! Richtig!)

Früher war das ein Alleinstellungsmerkmal. Aber heute wird das im Grunde von einem guten Arbeitgeber erwartet. Wie kann das aussehen? Er kann eine eigene Kindertagesstätte ein richten. Er kann die Kinderbetreuung seiner Beschäftigten be zuschussen.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Er kann auch Belegplätze in öffentlichen Einrichtungen bu chen. Diese Investition rechnet sich, weil sie die Motivation der Beschäftigten stärkt; es gibt weniger Fehlzeiten,

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Jawohl!)

und es gibt eine stärkere Bindung an das Unternehmen. Das ist gerade in Zeiten des Fachkräftemangels ein ganz wichti ger Wettbewerbsvorteil.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Hier deutet sich ein Umdenken an. Denn laut einer repräsen tativen Umfrage aus dem Jahr 2009 sehen 74 % der Unterneh men mittlerweile ganz konkrete betriebswirtschaftliche Vor teile durch das Angebot von familienfreundlichen Maßnah men. Diesen Weg müssen wir gehen, meine Damen und Her ren. Wir brauchen nicht nur Gesetze, sondern auch eine Ver änderung aufseiten der Unternehmenslandschaft.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Ein weiterer Lichtstreif, den ich abschließend noch anspre chen möchte, ist: Viele junge Väter wollen heute nicht mehr nur die Rolle des Brotverdieners spielen, sondern sie wollen von Anfang an eine intensive Beziehung zu ihren Kindern auf bauen. Erfreulicherweise haben im Jahr 2008 immerhin 21 % der Väter von der Möglichkeit des Bezugs von Elterngeld Ge brauch gemacht, wenn auch leider meist nur für zwei Mona te und nicht für den vollen Zeitraum. Aber hier kündigt sich ein Bewusstseinswandel an. Das, meine Damen und Herren, müssen wir unterstützen.

Wir müssen die richtige Balance zwischen der Familie und der Arbeit finden. Beides muss uns gleich wichtig sein: Fami lie – also Familienarbeit – und Beruf – also Erwerbsarbeit. Wenn wir hier die richtige Balance hinbekommen, dann kön nen sich Frauen stärker um ihre Karriere kümmern und sind nicht mehr dieser Doppelbelastung ausgesetzt.

Das zweite Positive ist, dass dann die Väter in unsere Famili en zurückkehren. Sie sind dort dringend nötig. Es würde un serer Gesellschaft sehr guttun, wenn sich diese Entwicklung fortsetzen würde.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das Wort erteile ich der Ministerin für Arbeit und Sozialordnung, Familien und Senioren, Frau Dr. Stolz.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist schön, dass die antragstellende Fraktion ei nen Mann vorgeschickt hat. Das zeigt das Bewusstsein für die Gleichstellung der Frauen.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Wo ist denn Ihr Frakti onsvorsitzender bei diesem Thema? Abgetaucht!)

Sehr geehrter Herr Schmiedel, mit der Botschaft „Wir ma chen alles besser“ kommt man nicht durch; denn die Zahl ist genannt worden. Wie sieht es mit den Frauen in der Politik aus? Wenn man ein Schattenkabinett vorstellt und dabei nur auf eine Frau in der eigenen Fraktion zurückgreifen kann, dann zeigt das schon, dass die Entwicklung von Frauen bei der SPD offensichtlich keinen Deut besser ist als in den ande ren Fraktionen.

(Beifall bei der CDU – Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Das ist ja Blödsinn! Immerhin haben wir mehr Frau en drin als Sie!)

Wir sind uns darüber einig, dass das Thema Gleichstellung – –

(Glocke des Präsidenten)

Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Stickelberger?

Nein; ich habe ja noch gar nicht richtig angefangen.

(Heiterkeit)

Man sollte mich jetzt erst einmal reden lassen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Heiterkeit)

Ich möchte mit versöhnlichen Worten beginnen.

(Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Das sind doch keine ver söhnlichen Worte! Das ist Blödsinn!)

Das Thema Gleichstellung ist kein einfaches Thema. Frau Lösch hat gesagt, dass es im Schneckentempo vorangeht. Das sehen wir alle so. Ich denke, das Beispiel aus der SPD-Frak tion macht deutlich, dass es beim Thema Frauen überall nicht so einfach ist.

(Abg. Rainer Stickelberger SPD: Wie viele gibt es denn in Ihrer Fraktion?)

Veränderungen fallen in der Tat nicht vom Himmel. Ich möch te nur deutlich machen, dass Sie es um keinen Deut besser machen und dass es offensichtlich nicht so einfach ist.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Lassen Sie mich jetzt einen herzlichen Dank für das Lob und für das vielfache Zitieren des Gleichstellungsatlasses sagen, der in der Frauenministerkonferenz in der Tat auf Initiative von Baden-Württemberg, auf meine Initiative hin erstellt wur de, wohl wissend, dass er bei den Indikatoren, die dort erho ben wurden, Baden-Württemberg durchaus nicht in allen Po sitionen an der Spitze sieht. Der Verweis auf den Gleichstel lungsatlas – Sie haben ihn zitiert – mag richtig sein. Aber

wenn Sie von „verheerenden Zuständen“ sprechen, dann muss ich darauf hinweisen, dass das Zahlen aus den Jahren 2007 und 2008 sind. Ich hoffe doch, dass die SPD-Fraktion auf der Höhe der Zeit argumentiert und nicht in die Vergangenheit schaut und darauf angewiesen ist, auf alte Zahlen zurückzu greifen.