Protocol of the Session on November 8, 2006

Vielmehr muss das dann auf die Bediener- und Benutzerfreundlichkeit des ÖPNV und der Züge übertragen werden. Da stellt sich nicht die Frage, ob ich einen Hilfsberater neben den Automaten stellen kann. Das ist doch Unfug.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Das schafft Ar- beitsplätze!)

Vielmehr muss ich hergehen und sagen, man muss die Bedienung vereinfachen. Ich sage auch ganz eindeutig: Leute, wir brauchen wieder den Schaffner im Zug. Ich brauche einen Ansprechpartner, bei dem ich auch nachlösen kann. Denn Sie haben sonst keine Chance, wenn Sie eine Fahrkarte lösen wollen, außer schwarzzufahren.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Wir brauchen je- manden, der gut helfen kann!)

Selbst wenn Sie es kapieren, ist vor Ihnen jemand, der zehn Minuten braucht. Dann reicht es noch immer nicht.

Später dazu mehr.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja- wohl! Das war richtig!)

Für die Fraktion GRÜNE hat Herr Abg. Palmer das Wort.

(Abg. Andrea Krueger CDU: Jetzt ist er noch kurz da! Jetzt ist die Gelegenheit!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst herzlichen Dank, Herr Scheuermann, für die Glückwünsche. Ich kann mich heute kaum vor Glückwünschen retten.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Die kommen von Herzen, Herr Palmer!)

Ich hoffe, dass das nicht als Wunsch, mich loszuwerden, gemeint ist, sondern ehrlich. Sicher kann man nicht sein. Bei manchen auf der anderen Seite kann man da nicht sicher sein.

Herr Kollege Haller, was mich an Ihnen und Ihrem munteren Auftritt freut, ist, dass man offensichtlich auch nach acht Jahren Amtszeit als Oberbürgermeister noch gute Reden halten kann. Das ist mir auch eine Ermutigung.

(Abg. Hans-Martin Haller SPD: Noch bessere so- gar!)

Und noch bessere sogar. Das ist ganz wunderbar.

Zur Sache: Herr Scheuermann, Sie haben mich für meine in diesem Sommer durchgeführte Reise durch Baden-Württemberg kritisiert

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Kampagne!)

Kampagne; meinetwegen –, bei der ich davor gewarnt habe, was eintreten kann, wenn die Kürzungen des Bundes in Kürzungen der Verkehrsleistungen umgesetzt werden. Ich habe immer gesagt, es handle sich um ein Szenario, von dem ich möchte, dass es nicht eintritt.

(Abg. Gundolf Fleischer CDU: Na, na, na! – Zuruf des Abg. Jochen Karl Kübler CDU)

Das ist überall nachlesbar, Herr Kollege Fleischmann. Ich habe gesagt, mit drei Maßnahmen könnten diese Kürzungen verhindert werden,

(Abg. Gundolf Fleischer CDU: Das war genauso inkorrekt!)

nämlich erstens indem man mit der Deutschen Bahn AG hart verhandelt und einen Preisnachlass einfordert, weil die Bahn uns ausnimmt wie eine Weihnachtsgans und über 100 Millionen € Jahresgewinn aus unseren Zuschüssen erwirtschaftet, zweitens indem man bei Stuttgart 21 ein Stoppsignal setzt und dann eben Mittel frei hat, die man nicht vergraben muss,

(Zuruf des Abg. Jochen Karl Kübler CDU)

und drittens indem man beim GVFG Umschichtungen von der Straße zur Schiene vornimmt. Das war mein Gegenfinanzierungsvorschlag. Damit wollte ich die Streichungen verhindern. Sie haben jetzt einen anderen Weg gewählt. Ich sage Ihnen ganz offen: Es freut mich

(Zuruf des Abg. Gundolf Fleischer CDU)

Herr Kollege Fleischmann –,

(Abg. Gundolf Fleischer CDU: Sie kennen mich überhaupt nicht!)

dass Sie es geschafft haben, von 70 Millionen € Kürzungsvolumen des Bundes – da hat Schwarz-Rot wirklich den Klimaschutz und den Verkehr in Baden-Württemberg böse attackiert – auf 14 Millionen € Streichungsvolumen bei den Bahnen herunterzukommen. Das finde ich hervorragend. Dafür meinen Respekt. Das ist eine Leistung.

Allerdings gibt es Wermutstropfen. Der erste Wermutstropfen – da sind wir uns einig, Herr Kollege Scheuermann – ist, dass der Busverkehr mit 25 Millionen € bluten muss. Bei der von mir vorgeschlagenen Lösung wäre das vermeidbar gewesen. Man hätte den Busverkehr nicht so schröpfen müssen. Ich sage auch: Das können Sie nicht dauerhaft so machen. Im Hinblick auf den ländlichen Raum ist das eine Übergangslösung. Man kann diese Förderung einmal für zwei Jahre einstellen, aber man kann die Förderung des Busverkehrs nicht dauerhaft auf null kürzen. Das heißt, Sie brauchen strukturell eine andere Lösung.

(Minister Peter Hauk: Aufzählen!)

Zum Zweiten haben Sie den Vorschlag, den ich gemacht habe – ob Sie das so oder so getan hätten, weiß ich nicht –, nämlich die Umschichtung von der Straße zur Schiene, durchgeführt. Allen Respekt, das hätte ich Ihnen nicht zugetraut. Denn in den letzten Jahren, als wir das beantragt haben, haben Sie das stets für unmöglich erklärt. Jetzt geht es. Ich breche nicht in Triumphgeheul aus, sondern stelle nur fest: Dieser Vorschlag ist von Ihnen realisiert worden. Auch das freut mich, weil es der Umwelt und dem Schienenverkehr in Baden-Württemberg nützt.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Leider ist nicht realisiert worden, dass Sie endlich bei der Bahn Druck machen. Das ist für mich der größte Wermutstropfen. Ich meine, dass Sie, um Stuttgart 21 zu erhalten, leider bereit sind, sich von der Bahn schon wieder über den Tisch ziehen zu lassen. Darauf will ich den Rest meiner Redezeit verwenden.

Was ist geschehen? Von Ihnen hat es merkwürdigerweise niemand angesprochen. Vielleicht ist es Ihnen nicht aufgefallen, aber Tatsache ist: Sie streichen der Bahn 13 Millionen € Zuschüsse, und dafür darf die Bahn Verkehrsleistungen im Wert von 18 Millionen € einstellen. Das ist ein Faktor von 1,42.

Laut Verkehrsvertrag ist zunächst über eine mengenneutrale Lösung zu verhandeln, das heißt, Sie hätten verhandeln müssen: Bahn, wir streichen 13 Millionen €, aber ihr fahrt trotzdem genauso viel wie bisher. Da hat Ihnen die Bahn offenbar gesagt: Das steht zwar so im Vertrag, aber wir machen es nicht. Dann haben Sie weiter verhandelt und haben fast bis zum Maximalwert – 1,5 ist nämlich laut Vertrag der Maximalwert – der Bahn Zugeständnisse gemacht bis zu einem Faktor von 1,42. Das heißt, Sie haben 5 Millionen € jährlich verschenkt – wohlgemerkt jährlich! –, und die Bahn macht zusätzliche Gewinne, indem sie Verkehrsleistungen einstellt. Man kann bis auf den einzelnen Euro nachrechnen, dass Sie damit massiv Geld verschenken.

Herr Scheuermann, Sie sind vom Kollegen Haller gelobt worden. Auch ich lobe Sie gerne. Sie sind ein ehrlicher und vernünftiger Politiker.

(Oh-Rufe von der CDU – Abg. Winfried Scheuer- mann CDU: Es wird immer besser! – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Schon immer gewesen! – Zuruf von der SPD: Was nicht alle von sich be- haupten können!)

Immer schon gewesen. – Vor dem Verband der Omnibusunternehmer haben Sie gesagt, dass der Verkehrsvertrag für die Bahn so günstig ist, dass er ihr so hohe Zahlungen garantiert und dass er ihr jetzt erlaubt, auch noch daran zu verdienen, dass sie Züge streicht. Das sei ja zu verstehen, denn das sei eine Vorleistung auf Stuttgart 21. Sie haben es gesagt, ich wiederhole es nur. Da kann ich nur sagen: Das ist der Beweis dessen, was ich immer gesagt habe. Es beweist, dass Stuttgart 21 dem Verkehr im Land schadet,

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Das ist der Be- weis! – Zuruf von der FDP/DVP: Nicht schon wie- der! Langweilig!)

dass der Rest des Landes darunter leiden muss, dass der Rest des Landes bluten muss, um Ihre Tunnelbegeisterung zu finanzieren. Das ist hochproblematisch. Denken Sie noch einmal darüber nach.

Eines will ich Ihnen noch mit auf den Weg geben: Es gibt im Land Baden-Württemberg 18 Verkehrsverträge: einen mit der DB, über den wir gerade geredet haben, und 17 mit anderen, teilweise Tochterunternehmen der DB.

(Dem Redner wird das Ende seiner Redezeit ange- zeigt.)

Letzte Bemerkung, Herr Präsident.

In 17 Verkehrsverträgen ist geregelt, dass bei Abbestellungen von Verkehrsleistungen für 1 € weniger Zuschuss 1 € weniger Leistung erbracht werden muss. Nur ein einziger Vertrag enthält die Klausel, dass für 1 € weniger Zuschuss im Gegenwert von 1,50 € Leistung eingestellt werden darf. Das ist der Vertrag mit der Deutschen Bahn AG.

(Minister Peter Hauk: Dafür haben wir einen Ein- heitspreis! Dafür kostet der Zugkilometer in Stutt- gart gleich viel wie anderswo im Land!)

Warum sollten alle anderen Verkehrsunternehmen im Verhältnis 1 : 1 kürzen müssen, aber der Deutschen Bahn AG müssen für jeden Euro noch 42 Cent geschenkt werden? Wenn Sie darauf eine vernünftige Antwort geben, Herr Kollege Hauk, dann wären wir weiter.

Ich hoffe, dass es mit den Kürzungen im Land damit genug ist. Denn unter dem Gesichtspunkt der Herausforderungen des Klimawandels, der Klimakonferenz in Nairobi, worüber wir heute überall in den Zeitungen lesen, ist es absolut verheerend, dass wir beim Schienenverkehr, beim umweltfreundlichen Verkehr Eingriffe in die Verkehrsleistungen vornehmen. Ich bedauere das sehr. Man hätte sie ganz verhindern können, wenn Sie noch mehr auf unsere Vorschläge eingegangen wären.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Und Tübingen bleibt am Bahnnetz!)

Für die Landesregierung erteile ich dem Staatssekretär im Innenministerium, Herrn Köberle, das Wort.

Verehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wir haben im Verlauf dieses Jahres in diesem Haus mehrfach über den öffentlichen Personennahverkehr diskutiert. Der Antrag, der heute im Mittelpunkt steht, stammt vom Sommer dieses Jahres. Seither haben wir mehr Klarheit bekommen, wie es in den nächsten Jahren – ganz konkret bis zum Jahr 2010 – mit dem ÖPNV in Baden-Württemberg weitergeht.

Deshalb ist heute, glaube ich, der richtige Zeitpunkt, um kurz zurückzublicken, allerdings nur kurz, weil es eher um Fragen der Zukunft geht.