Protocol of the Session on November 8, 2006

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 11. Sitzung des 14. Landtags von Baden-Württemberg und begrüße Sie.

Urlaub für heute habe ich den Herren Abg. Joseph und Kleinmann erteilt.

Entschuldigt aus dienstlichen Gründen ist Herr Minister Rau.

Meine Damen und Herren, auf Ihren Tischen finden Sie einen Vorschlag der SPD-Fraktion für Umbesetzungen im Ausschuss für Schule, Jugend und Sport. – Ich stelle fest, dass Sie diesem Vorschlag zustimmen.

Eine Zusammenstellung der E i n g ä n g e liegt Ihnen vervielfältigt vor. – Sie nehmen davon Kenntnis und stimmen den Überweisungsvorschlägen zu.

Im Eingang befinden sich:

1. Mitteilung der Landesregierung vom 16. Oktober 2006 – Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK); hier: Anmeldung des Landes zum Rahmenplan 2007 bis 2010 – Drucksache 14/431

Überweisung an den Ausschuss Ländlicher Raum und Landwirtschaft und federführend an den Finanzausschuss

2. Antrag der Landesregierung vom 24. Oktober 2006 – Zugehörigkeit von Mitgliedern der Landesregierung zu Organen wirtschaftlicher Unternehmen – Drucksache 14/482

Überweisung an den Ständigen Ausschuss

Wir treten in die Tagesordnung ein.

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:

Aktuelle Debatte – Neue Chancen für eine verbesserte Einbindung des Stuttgarter Kopfbahnhofs ins europäische Netz – beantragt von der Fraktion GRÜNE

Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: fünf Minuten für die einleitenden Erklärungen der Fraktionen und fünf Minuten für die Redner in der zweiten Runde.

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Boris Palmer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Als dieses Hohe Haus vor drei Wochen zum letzten Mal zusammenkam, konnte man die Reden des Abg. Drexler und von Ministerpräsident Oettinger an diesem Plenartag in drei Aussagen zusammenfassen:

Erstens: Die Finanzierung von Stuttgart 21 steht. Zweitens: Das Gemälde von Hans Baldung Grien gehört zweifelsfrei dem Haus Baden. Und drittens, Herr Drexler: Boris Palmer wird niemals Oberbürgermeister in Tübingen.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD – Abg. Mi- chael Theurer FDP/DVP: Was hat das mit Stutt- gart 21 zu tun?)

Seitdem hat sich einiges verändert. Stuttgart 21 und die Neubaustrecke Wendlingen–Ulm sind nicht untrennbar miteinander verknüpft. In der Tat sind es unterschiedliche Projekte mit unterschiedlichen Verantwortlichkeiten. Die Neubaustrecke lässt sich durchaus allein, unabhängig von Stuttgart 21, realisieren.

(Zuruf des Abg. Michael Theurer FDP/DVP)

Kurze Aufenthalte, Herr Kollege Theurer, sind heute selbstverständlich auch in Kopfbahnhöfen möglich. Im Hauptbahnhof Frankfurt wird vorgemacht, wie das geht.

Stuttgart 21 ist ein Konzept, das besonders die Anbindung des Flughafens und der Messe zum Ziel hat. Das Projekt soll die Möglichkeit eröffnen, die frei werdenden Gleisflächen wirtschaftlich und stadtgestalterisch zu nutzen.

Mir ist wichtig, dass wir an die milliardenschweren Projekte strenge Maßstäbe anlegen. Herr Ministerpräsident Oettinger möchte, dass der Bund rund eine halbe Milliarde Euro in das städtebauliche Projekt Stuttgart 21 investiert. Aber es wird bei der Realisierung von Stuttgart 21 entscheidend auf die Bereitschaft Baden-Württembergs und seiner Partner ankommen, die wesentlichen Finanzlasten und -risiken zu tragen.

Jetzt liegt die Wirtschaftlichkeitsrechnung vor. Sie weist eine Finanzlücke von 1,5 Milliarden € aus. Die Positionen, über die diese Lücke geschlossen werden soll, müssen noch einmal auf den Prüfstand. Wir sind es dem Steuerzahler schuldig, da genau hinzuschauen. Jeder Häuslebauer fängt doch auch erst an zu bauen, wenn die Finanzierung steht und die Risiken beherrschbar sind.

Die Bahn hat eine Risikoposition von 1 Milliarde € aufgemacht. Wir könnten Probleme mit den Tunneln bekommen.

Ich erinnere z. B. an die Kostensteigerung bei der Strecke Ingolstadt–Nürnberg. Dort mussten teilweise im Gebirge Brücken gebaut werden, weil der Grund nicht getragen hat.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Aber sie haben es getan!)

Sie haben es getan. Ob das gut war, steht auf einem anderen Blatt.

(Zuruf des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP)

Das alles hat zu einer Verdoppelung der Kosten geführt. Land und Bahn rechnen in ihr Finanzierungskonzept für Stuttgart 21 einen Zuschuss in Höhe von 250 Millionen € aus Brüssel ein. Angesichts des schmalen EU-Budgets und der Vielzahl von Projekten der Länder wird es schwierig, diesen Zuschuss tatsächlich zu bekommen. Wir werden die Fördermittel konzentrieren müssen.

Die Argumentation, die Sanierung des Kopfbahnhofs sei genauso teuer wie der Neubau von 55 km Tunnelstrecken im Stuttgarter Talkessel, habe ich vernommen – auch wenn ich ihr momentan nicht folgen kann. Aber ich bin sicher, dass die Berechnungen von Bund und Bahn plausibel sind, und die gehen von deutlich weniger Geld aus.

Meine Damen und Herren, der Ruhe im Saal entnehme ich, dass Sie gemerkt haben: Hier hat nicht der Abgeordnete Boris Palmer gesprochen.

(Abg. Jörg Döpper CDU: Der Oberbürgermeister!)

Auch nicht der Oberbürgermeister von Tübingen.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Der gibt ja auch das Mandat nicht auf!)

Vielmehr sind das, was ich Ihnen soeben vorgetragen habe, ausschließlich Aussagen des Bundesverkehrsministers Tiefensee vom 22. Oktober – über die Nachrichtenagentur AP –

(Abg. Ute Vogt SPD: Vom 2. November!)

und vom 2. November dieses Jahres.

Meine Damen und Herren, wenn ich in diesem Haus in der Vergangenheit gesagt habe, dieses Projekt beinhalte ein Risiko von 1,5 Milliarden €, haben Sie mich als Schwarzmaler, als Kassandra, als was auch immer bezeichnet.

(Zuruf des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP)

Ich bin gespannt, wie die SPD heute die Position des Bundesverkehrsministers bewertet – ich hoffe: positiv. Er hat nämlich recht, und zwar in jedem einzelnen Punkt.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Das haben wir doch schon beim letzten Mal gesagt!)

Er hat völlig recht: Uns fehlen 1,5 Milliarden €. Ich bin gespannt, wie die Landesregierung angesichts dessen, dass eine Lücke von 1,5 Milliarden € zu schließen ist, ihr Ziel der Nettonullverschuldung erreichen will. Ich warte auf Ihre Aussagen.

(Beifall bei den Grünen)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Krueger.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Jetzt wird es wieder sachlich!)

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine Riesenchance auf Entlastung der Straßenfernverbindungen, eine leistungsfähige Schieneneinbindung in das transeuropäische Hochgeschwindigkeitsnetz, innerstädtische Erschließungsflächen in der Größenordnung von rund 80 ha, ohne Zersiedelung, ohne Landschaftsverbrauch: Das, meine Damen und Herren, ist Stuttgart 21.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Sehr gut!)

Dies ist eine Jahrhundertchance, die wir uns nicht werden nehmen lassen.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Schöne Träume! – Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Träume weiter!)

Und die Grünen gehen nicht mit. Lassen Sie doch allmählich Ihre Fundamentalopposition! Beteiligen Sie sich aktiv, damit Stuttgart 21 endlich realisiert werden kann.