Protocol of the Session on November 8, 2006

(Abg. Gundolf Fleischer CDU: So etwas nennt man Heuchelei!)

Das ist eine Doppelzüngigkeit, die wir nicht akzeptieren können.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Heuchelei!)

Meine Damen und Herren, es ist auf das Gorleben-Moratorium verwiesen worden. Ende September 2000 ist das Gorleben-Moratorium beschlossen worden.

(Zuruf des Abg. Thomas Knapp SPD)

Wir können eine Eignung des Salzstocks in Gorleben erst dann diskutieren und bestätigen, wenn auch eine untertägige Untersuchung stattgefunden hat.

(Abg. Gundolf Fleischer CDU: So ist es!)

Das ist notwendig, und das muss erfolgen, bevor irgendwelche anderen Standortdiskussionen geführt werden. Hätte die von Ihnen geführte Bundesregierung von 1998 bis 2005 ihre Hausaufgaben gemacht, hätten Sie jetzt nicht einen solchen Antrag stellen müssen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zurufe von der SPD, u. a. Abg. Dr. Nils Schmid: Hätte Frau Merkel ihre Hausaufgaben gemacht!)

Wir als CDU-Landtagsfraktion unterstützen Bundesumweltminister Gabriel, wenn er im Sinne der Koalitionsvereinbarung auf Bundesebene die Endlagerungsfrage zügig und ergebnisorientiert angeht. Das wollen wir schon seit Jahren. Helfen Sie mit, ihn anzuschieben, damit er dies im Sinne der Koalitionsvereinbarung auch tut.

Herr Kollege Stehmer, Sie sind nach meinem Zwischenruf zu dem von Ihnen verwendeten Begriff „Standortsuche“ auf die Untersuchungen eingegangen. Jetzt möchte ich aber noch einmal festhalten – Sie können das auch in der Stellungnahme der Landesregierung nachlesen –, dass es bei diesen Studien nicht um eine Standortsuche geht. Vielmehr könnten diese Studien, die angefertigt werden, allenfalls Vorstufen einer Standortsuche sein.

(Lachen des Abg. Wolfgang Stehmer SPD)

Das Ende des Landtagswahlkampfes liegt jetzt über ein halbes Jahr zurück. Sie haben dabei mitgeholfen, an verschiedenen Stellen kleine Feuerchen zu entzünden. Jetzt schauen wir uns das Ganze einmal an und nehmen es so, wie es ist.

(Abg. Thomas Knapp SPD: Wir haben Feuer ge- macht, weil ihr nicht aufhört, Kernelemente abzu- brennen!)

Aus unserer gemeinsamen Sicht heraus, liebe Kollegen von der SPD-Fraktion – das hat Herr Kollege Stehmer ja auch so gesagt –, gibt es, glaube ich, einen Standort, an dem wir uns eine Entsorgung von hoch radioaktivem Material vorstellen können. Diesen Standort müssen wir weiter untersuchen, damit die Entsorgung dort realisiert werden kann. Es gibt gar keine Notwendigkeit für eine weitere Standortsuche, solange es mit wissenschaftlicher Begründung diesen Standort mit dem Salzstock in Gorleben gibt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Zurufe der Abg. Franz Untersteller GRÜNE und Dr. Nils Schmid SPD)

Wir wollen die Endlagerungsfrage angehen. Wir haben offene Augen und offene Ohren in der Diskussion, die über solche Fragen allüberall stattfindet. Wir verfolgen aber genauso mit offenen Augen und Ohren die Fragen der Versorgung mit Stromenergie. Solange es auf das Problem, was denn nach einer Abschaltung von Atomkraftwerken ist, nur die Antwort gibt: „Wir verbrennen stattdessen vor allem

Kohle oder Gas“, so lange halten wir an unserer Position fest, dass die Restlaufzeiten der Atomkraftwerke verlängert werden müssen.

(Zuruf des Abg. Thomas Knapp SPD)

Der Zusammenhang, den Sie in dieser Frage mit der Entsorgungsdiskussion herstellen, ist so kurios, dass sich eine Aussage über unser Verhalten bei der Abstimmung über den Beschlussteil Ihres Antrags erübrigt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Gundolf Fleischer CDU: Sehr gut!)

Das Wort erhält Herr Abg. Untersteller.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Über den eigentlichen Anlass der Debatte kann man, glaube ich, schnell hinweggehen. Das war die Studie, die Einzelne im Sommer dieses Jahres gleich zu einer Suchgeschichte hochstilisiert haben. Der Bundesumweltminister hat am 30. Oktober gegenüber dem „Südkurier“ das Notwendige dazu gesagt. Überschrift: „Umweltminister Gabriel bezeichnet Gutachten für Atommüllendlager als Unsinn“. Somit können diejenigen, die gemeint haben, in Oberschwaben zwischen Blautopf und Donauversickerung Bürgerinitiativen gründen zu müssen, wieder zu anderen Dingen übergehen.

Nichtsdestotrotz, denke ich, ist eine solche Debatte über die Endlagerproblematik heute sinnvoll.

Herr Kollege Schebesta, ich finde, Schuldzuweisungen in dieser Frage bringen uns nicht weiter. Lassen Sie uns doch einmal nüchtern an das Problem herangehen. Wenn man nüchtern herangeht, stellt man fest, dass das Problem folgendermaßen aussieht: Gehen wir einmal davon aus, dass wir 24 000 m3 hoch radioaktiver Abfälle haben. Wir haben weiterhin eine viertel Million Kubikmeter schwach und mittel radioaktive Abfälle. Mit diesem Problem müssen Sie als Atomkraftbefürworter und ich als Atomkraftkritiker umgehen. Somit haben wir beide und alle zusammen in der Sache eine Verantwortung.

Wir reden über ein Problem, das folgendermaßen aussieht: Wir müssen die Sicherheit der Endlagerung für weit über 100 000 Jahre gewährleisten. So etwas – das wissen Sie wie ich – hat es in der gesamten Menschheitsgeschichte nicht gegeben. Um Ihnen ein Beispiel zu geben: Die Pyramiden sind 5 000 Jahre alt. Wenn Sie dann sagen, Gorleben ist es, machen Sie es sich ein bisschen einfach.

(Zuruf von der CDU: Aber anschauen muss man es doch, und man darf es nicht liegen lassen!)

Wenn Sie einmal ehrlich sind: 1970, 1975, als Gorleben ins Gespräch kam, war der Hauptgrund für diesen Standort, dass er nahe an der Zonengrenze liegt. Das war damals der Hauptgrund. Fakt war dann, dass man in unserer Regierungszeit gesagt hat, man macht ein Moratorium,

(Zuruf des Abg. Volker Schebesta CDU)

und dass man den Arbeitskreis Endlager einsetzte, der mit Befürwortern und Kritikern der Kernenergie besetzt war, wie Sie wissen. Diese Wissenschaftler haben über drei Jahre hinweg eine Arbeit dergestalt geleistet, dass man gefragt hat: Was sind eigentlich die wissenschaftlichen Kriterien für eine Endlagerung?

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Die Wissenschaftler kamen zu dem Ergebnis, dass neben Salz grundsätzlich auch andere Wirtsgesteine geeignet sind, nämlich Granit und Opalinuston. Das war das Ergebnis.

Woran es fehlt – das sage ich Ihnen ganz offen; das war ein Versäumnis unserer Regierungszeit und ist bisher auch ein Versäumnis Ihrer Regierungszeit in Berlin –, ist, aus den Ergebnissen von AkEnd endlich auch Konsequenzen zu ziehen und sie zum Gegenstand eines Gesetzgebungsverfahrens für eine neue Suchschleife in der Bundesrepublik zu machen. Da kann niemand Baden-Württemberg ausnehmen. So ist das nun einmal. Wenn ich einen offenen Suchlauf mache, geschieht es nach wissenschaftlichen Kriterien und anhand der Frage: Sind geeignete Wirtsgesteine da oder nicht? Bisher sind diese Kriterien allerdings nicht benannt worden. Ich kann nur an Sie appellieren, dass man dieses tut.

Frau Ministerin, ich wundere mich schon darüber, wie Sie an dem Standort Gorleben festhalten. Wenn klar ist, dass nicht nur Salz, sondern auch Granit und Opalinuston grundsätzlich geeignet sind, dann müssten Sie auch sagen: Dann muss man auf neuem wissenschaftlichen Stand eine Suchschleife machen und darf nicht, wie Sie es meines Erachtens fälschlicherweise tun, einseitig an Gorleben festhalten.

Ich darf im Zusammenhang mit Gorleben auch einmal an eine Pressemitteilung des Bundesamts für Strahlenschutz vom 20. September dieses Jahres erinnern, in der ausdrücklich auf Sie, Frau Gönner, Bezug genommen wird und in der es heißt:

Der … wiederholt erweckte Eindruck, es gebe bereits eine Eignungsaussage für den Standort Gorleben, ist nicht richtig. Richtig ist, dass die Eignung eines potenziellen Endlagerstandorts … erst durch einen standortspezifischen Langzeitsicherheitsnachweis festgestellt werden kann.

Ich würde mir wünschen, dass Sie so agieren, wie Sie bei Benken agieren. Da gibt es eine Pressemitteilung der Landesregierung vom 23. April 2004, Überschrift: „Gegen voreilige Entscheidung für atomares Endlager in Benken“. Ich zitiere:

Baden-Württemberg fordert ein transparentes Standortauswahlverfahren für die Entsorgung radioaktiver Abfälle im schweizerischen Benken. … Die Entscheidung dürfe nicht übers Knie gebrochen werden. Vielmehr müsse man die Zeit bis zu einem erst im Jahr 2020 erforderlichen konkreten Standortentscheid für intensive Untersuchungen und Erkundungen auch in weiteren geologischen und auch grenzferneren Formationen nutzen.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Gibt es in der Schweiz einen Salzstock?)

Den Anspruch, den Sie an die Schweiz haben, sollten Sie auch an uns selbst haben.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Gibt es in der Schweiz einen Salzstock?)

Ich weiß nicht, was es in der Schweiz gibt.

(Abg. Gundolf Fleischer CDU: Das sollten Sie aber!)

In der Schweiz gibt es Granit, und in der Schweiz gibt es Opalinuston. Daher sage ich Ihnen: Die Anforderungen, die Sie an die Schweiz stellen, sollten Sie auch hier gelten lassen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Wem darf ich für die FDP/DVP-Fraktion das Wort erteilen? – Frau Abg. Chef, bitte schön.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon bezeichnend, wenn die SPD-Landtagsfraktion in ihrem Antrag fordert, die Landesregierung möge ihre Kritik an dem unter Rot-Grün beschlossenen Atomausstieg beenden,

(Abg. Thomas Knapp SPD: Guter Vorschlag!)

„um den politischen Druck zur Einrichtung eines atomaren Endlagers in Baden-Württemberg zu vermindern“. Meine Damen und Herren, die FDP/DVP-Fraktion hält mehrheitlich den von Rot-Grün beschlossenen Atomausstieg für völligen volkswirtschaftlichen Unsinn.