Protocol of the Session on November 8, 2006

Deshalb ist heute, glaube ich, der richtige Zeitpunkt, um kurz zurückzublicken, allerdings nur kurz, weil es eher um Fragen der Zukunft geht.

(Zustimmung des Abg. Hans-Martin Haller SPD)

Ich will Ihre vier Punkte, Herr Kollege Haller, gern mit einbeziehen. Es sind sachliche, ganz berechtigte Punkte, auf die wir eine Antwort suchen und in nächster Zeit eine Antwort geben müssen. Ich lade Sie herzlich ein, diesen Prozess so sachlich wie heute mit zu begleiten.

(Abg. Hans-Martin Haller SPD: Selbstverständlich! Haben Sie etwas anderes erwartet?)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist in diesem Haus mehrfach von einer beispiellosen Erfolgsgeschichte des ÖPNV in Baden-Württemberg gesprochen worden. Das lässt sich mit vielen Fakten belegen. Die vergangenen zehn Jahre waren erfolgreiche Jahre für den ÖPNV. Ich nenne aus Zeitgründen nur schlagwortartig: Integrierter Taktfahrplan, erhebliche Ausweitung der Verkehrsleistungen, 1,6 Milliarden € Investitionen in die Infrastruktur, 1,1 Milliarden € Investitionen in Busse und Schienenfahrzeuge.

Wir haben ein fast flächendeckendes System der Verkehrsund Tarifverbünde, wobei wir in der Sache gerne die Diskussion weiterführen können, ob wir zu viele Verkehrsverbünde haben. Wenn sie eine Vereinheitlichung der Tarife verhindern, würde ich sagen: Dann sind es zu viele. Wenn sie aber menschennah, gemeindenah und nutzernah Aktivitäten entfalten wollen, damit wir mehr Menschen in den öffentlichen Personennahverkehr bekommen, dann wäre dies, glaube ich, gerechtfertigt.

Das Ergebnis dieser Anstrengungen der vergangenen zehn Jahre, meine Damen und Herren, sind 50 % mehr Fahrgäste im öffentlichen Personennahverkehr.

Mittlerweile haben die Haushaltsprobleme der öffentlichen Hand jedoch auch den ÖPNV mit voller Wucht erfasst. In den nächsten Jahren kann es nicht mehr darum gehen, das Ausbautempo der vergangenen Jahre beizubehalten, sondern es geht darum, das Erreichte zu sichern.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Das ist zu wenig!)

Ich glaube, das wird uns gelingen: zu sichern und eine gemäßigte Weiterentwicklung zu ermöglichen.

Lieber Kollege Palmer, nun stehen Sie heute – weil es nur noch wenige Gelegenheiten gibt, sich hier mit Ihnen persönlich auseinanderzusetzen –

(Staatssekretär Rudolf Köberle)

(Heiterkeit des Abg. Boris Palmer GRÜNE – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Abwarten! Der ver- schiebts noch einmal!)

natürlich zwangsläufig im Mittelpunkt. Nachdem Sie schon heute Morgen das Vergnügen hatten, weitgehend fraktionsübergreifendes Mitleid zu spüren, weil Sie im Stuttgarter Sackbahnhof in der Sackgasse sitzen,

(Heiterkeit des Abg. Boris Palmer GRÜNE)

so müssen jetzt auch aus meiner Sicht noch ein paar Worte zu dem hinzugefügt werden, was sich hier in den Sommermonaten landauf, landab abgespielt hat. Ich empfand es bisher, lieber Herr Palmer, als anregend, bedenkenswert und häufig auch herausfordernd, was Sie in die verkehrspolitische Debatte unseres Landes eingebracht haben. Aber nach Ihren völlig neben der Realität liegenden Inszenierungen wegen Streckenstilllegungen muss ich meine Einschätzung schon korrigieren.

Da gab es eine erste Runde, die heute nicht angesprochen worden ist: Börsengang der Bahn, ein Gutachten und geschwärzte Stellen. Da haben Sie schon Ihre erste Tour durchs Land gemacht und angekündigt, welche Strecken zur Stilllegung vorgesehen seien, und zwar völlig losgelöst von der Wirklichkeit – davon, was wirklich hinter den schwarz gefärbten Stellen steht, nämlich Betriebsgeheimnisse der Bahn. Sie haben ja überall Zugang zu Informationen. Dann wissen Sie auch, dass Sie hier falsche Informationen verbreitet haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Widerspruch des Abg. Boris Palmer GRÜNE)

Die gleiche Runde haben Sie dann im Sommer entlang der Umsetzungsdebatte zur Kürzung der Regionalisierungsmittel gemacht. Sie erwähnen Stuttgart 21 bei jeder Gelegenheit, wenn etwas im Verkehr nicht machbar oder bezahlbar ist, bis hin zum Thema der Finanzierung der Hochschulen. Diese Schallplatte kennen wir inzwischen. Ich frage mich, lieber Kollege Palmer, ob Sie eigentlich selbst das glauben,

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Ja! – Heiterkeit – Beifall bei Abgeordneten der CDU)

was Sie in der Presse oder in der Öffentlichkeit so verbreiten.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Voll und ganz! Ich schwöre! – Heiterkeit)

Wenn Sie das selbst glauben, dann halte ich das für außerordentlich bedenklich.

(Zuruf von der CDU: Die armen Tübinger!)

Ihr heutiger Auftritt war ja schon angenehmer oder gemäßigter. Aber jetzt versuchen Sie, Ihr Gesicht zu wahren, nachdem unbestritten ist, dass wir mit unseren Verhandlungen mit der Bahn Erfolg hatten. Sie behaupten, wir seien von der Bahn über den Tisch gezogen worden.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Ja, dramatisch!)

Das macht die ganze Sache nicht besser. Das ist ärmlich und eigentlich erbärmlich, wie Sie hier argumentieren.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Jemand, der sich Verkehrsexperte nennt und gerne so nennen lässt, kann sich so viele Fehleinschätzungen und Bauchlandungen eigentlich nicht leisten, wenn er glaubwürdig bleiben und als seriös gelten will.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Lachen des Abg. Boris Palmer GRÜNE – Zuruf des Abg. Jörg Döpper CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Landesregierung wird eine verantwortungsvolle Politik für die Menschen in den Städten und auf dem Land machen. Es ist immer unsere Aufgabe, eine ausgewogene Politik zu machen und – auch wenn es Einschränkungen gibt – diese gerecht über das Land zu verteilen. Das haben wir bei der Umsetzung der Kürzung der Regionalisierungsmittel durch den Bund in den vergangenen Wochen unter Beweis gestellt.

Wir waren ja in einer schwierigen Situation. Auf der einen Seite gibt es die finanzpolitische Zielsetzung, im Jahr 2011 die Nullneuverschuldung zu erreichen – auch mit großer Zustimmung des Landtags. Deshalb können wir, wenn der Bund uns für eine an uns übertragene Aufgabe weniger Geld gibt, nicht einfach locker und fröhlich zum Ausgleich Geld aus der Landeskasse nehmen. Wenn wir damit anfangen würden, fiele dem Bund ganz schnell die nächste Kürzungsrunde ein.

Auf der anderen Seite war es unser verkehrspolitisches, unser strukturpolitisches Ziel, unsere Schieneninfrastruktur nicht zu reduzieren, sondern sie in ihrer Gesamtheit mit allen Strecken zu erhalten. Das, was manche schon fast als Quadratur des Kreises bezeichnet haben, ist uns nach wochen- und monatelangen Verhandlungen gelungen. Es ist gelungen, jede Streckenstilllegung in Baden-Württemberg auszuschließen, ohne den Haushalt des Landes weiter zu belasten.

(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Dank des Drucks von Palmer! – Gegenruf des Abg. Dr. Ul- rich Noll FDP/DVP: Da überschätzen Sie ihn aber maßlos!)

Lieber Kollege Kretschmann, lesen Sie doch einmal im Protokoll der anfänglichen Debatte, die wir hier im Landtag geführt haben, nach, wer was gesagt hat. Zu dem damaligen Zeitpunkt war die Reisediplomatie des Kollegen Palmer noch nicht in Gang gesetzt, aber die Landesregierung hat vom ersten Tag an gesagt: Unser Ziel ist es, Streckenstilllegungen in Baden-Württemberg zu verhindern und dafür notfalls Kürzungen im System hinzunehmen, die jedoch akzeptabel und zumutbar sind.

(Abg. Reinhold Pix GRÜNE: Für wen?)

Dafür braucht es überhaupt keine Aufforderungen oder Druckszenarien durch den Kollegen Palmer.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Was soll die Opposi- tion denn anderes machen als darauf hinzuweisen, was passiert, wenn es so kommt?)

(Staatssekretär Rudolf Köberle)

Diese Frage müssen Sie selbst beantworten. Ich gebe Ihnen doch keine Ratschläge darüber,

(Glocke des Präsidenten)

was Sie in der Opposition tun sollen. Das ist doch Ihre eigene Sache.

(Beifall des Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU – Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Dann fallen Sie auch nicht über uns her!)

Hier setzen wir uns mit dem Thema auseinander. Ich vertrete die Regierungsseite und kann das mit gutem Gewissen tun.

(Zuruf des Abg. Boris Palmer GRÜNE)

Ich brauche nicht zurückzurudern, ganz im Gegenteil: Wir sind in unseren Verhandlungen Schritt für Schritt vorangekommen, und Sie müssen feststellen, dass Ihre Ankündigungen in sich zusammengebrochen sind.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Win- fried Kretschmann GRÜNE: Wie soll man sonst Opposition machen? – Glocke des Präsidenten)

Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Haas?

Jawohl, lieber Kollege Haas, aber gern.

Bitte schön, Herr Kollege Haas.

(Zuruf des Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE – Unruhe)