Ich weiß auch – Sie wissen es ebenso –: Unter Ihnen sind ei nige, die dieses Gesetz für hoch problematisch halten. Ich bit te diese Kollegen und Kolleginnen, Mut zu haben und die Fraktionsdisziplin heute zu verlassen. Nehmen Sie sich ein Beispiel an denjenigen aus Ihren eigenen Reihen, die noch nicht im Landtag sind und die sich heute deutlich zu ihrer Kri tik an dem Gesetz bekannt haben. Ich zitiere nicht Tübingen, sondern ich zitiere eine FDP-Vertreterin aus Heidelberg, die heute gegenüber der Presse zum Universitätsmedizingesetz erklärt hat – hören Sie gut zu –:
Manchmal zeigt Politik in meinen Augen auch dadurch Stärke, dass sie ursprünglich für richtig gehaltene Posi tionen nochmals überdenkt. Dies wäre hier geboten.
Recht hat die Frau. Ich fordere Sie auf: Überdenken Sie Ihren Gesetzentwurf. Lehnen Sie das Gesetz heute ab. Für den Fall der Fälle, dass Sie dieses Gesetz heute doch durchziehen, kün digen wir, die grüne Fraktion, an: Für den Fall, dass es einen
dass die Übergangsphase von einem Jahr dazu genutzt wird, dieses Gesetz grundlegend zu überarbeiten.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kolle gen! Wäre nicht Wahlkampf, könnten wir uns die heutige De batte sparen. Denn in der Ersten Beratung wurde alles Not wendige gesagt. Es ist aber Wahlkampf. Deshalb herrscht ein völlig unangemessenes Getöse.
Ich will mich einmal der Sache zuwenden. Worum geht es denn bei diesem Gesetz? Es geht um einen schwierigen Spa gat. Es geht darum, die knappen finanziellen Ressourcen mit dem Finanzbedarf einer Universitätsmedizin in Einklang zu bringen, die weltweit in der Spitzengruppe liegt. Unsere Uni versitätsklinika erhielten 2010 fast 500 Millionen € aus dem Landeshaushalt. Hinzu kommen Bauinvestitionen in Höhe von etwa 200 Millionen €, ganz zu schweigen von den Milli arden, die die Krankenkassen aus den Mitteln der Versicher ten in die Klinika investieren. Das ist gut investiertes Geld. Dieses Geld kommt der Gesundheit der Patientinnen und Pa tienten zugute. Dieses Geld ist ein Baustein für die hohe Le benserwartung in unserem Land.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Umgang des Landes mit den Kommunen gibt es einen Verfassungsgrundsatz, der un serer Fraktion sehr wichtig ist. Das ist das Konnexitätsprin zip: Wer bestellt, bezahlt. Im Umkehrschluss muss das aber heißen: Wer bezahlt, darf auch bei der Bestellung mitreden. Das ist der einzige Punkt, bei dem es im bisherigen Hoch schulrecht eine gewisse Schieflage für die Klinika gibt. Bis her bestellen die Klinikvorstände, und die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler bezahlen.
In Zukunft wird es so sein, dass über den strategischen Ge samtplan, also die Gesamtmenge des Geldes einschließlich Krediten und Bürgschaften, wieder die Vertreter der Steuer zahler entscheiden.
Manchmal wundere ich mich. Zwei Drittel der Chefärzte ha ben nach dem Buhei den Aufruf sehr bewusst nicht unter schrieben, sondern stehen offenbar zu dem Gesetz.
Einige Chefärzte hingegen erklären Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie verstünden nichts von Medizin. Sie seien offenbar schlicht zu blöd, über die Verwendung des Geldes in der Universitätsmedizin zu diskutieren. Die Abgeordneten der Opposition freuen sich dann sogar, sind offenbar froh, wenn ihnen Chefärzte sagen, sie seien zu blöd, die ihnen vom Volk übertragene Aufgabe, auf das Geld aufzupassen, zu erfüllen.
In der Anhörung – Frau Kollegin, Sie waren auch dabei – ha be ich den Dekan einer Medizinischen Fakultät gefragt, wer denn am Ende für eventuelle Verluste, für zusätzliche Kosten und für die von den Klinika bereits aufgenommenen Kredite geradestehen müsse. Der gute Mann hat mir ins Gesicht ge sagt, das sei eine rhetorische Frage.
Natürlich ist das eine rhetorische Frage. Denn wir, lieber Kol lege Gall, wissen: Es geht um das Geld der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes.
Wer Freiheit möchte, muss auch die Verantwortung tragen. In einem privaten Unternehmen müssen sich Vorstände und Ge schäftsführer gegenüber den Anteilseignern ständig rechtfer tigen.
Warum soll das bei staatlichen Einrichtungen anders sein? Na türlich ist es für einen Vorstand bequem, alle Freiheit zu ha ben, aber keine Kontrolle durch die Anteilseigner. Aber kön nen Sie als Vertreter des Volkes dies wirklich wollen? Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Gesetz belässt alle Verantwor tung in medizinischen Fragen – –
Das Gesetz belässt al le Verantwortung in medizinischen Fragen, alle Verantwor tung für den Wirtschaftsplan und fast jede andere Verantwor tung bei den Aufsichtsräten vor Ort. Wir Liberalen hatten uns sogar dafür ausgesprochen, auf das Instrument der Gewähr trägerversammlung zu verzichten und Volksvertreter in die Aufsichtsräte zu entsenden. Wir räumen aber ein, dass uns in den Gesprächen mit unserem Koalitionspartner bewusst ge worden ist, dass eine Gewährträgerversammlung die dem Par lament und der Regierung vorbehaltenen Kernkompetenzen besser ausüben kann, weil dann eine politische Einflussnah me, die ja immer kritisiert wird, in den Aufsichtsräten vor Ort eben völlig ausgeschlossen ist. Deswegen sind wir der Mei nung, dass dies der richtige Weg ist.
Herr Präsident, wird mir die „Nachspielzeit“ noch eingeräumt, wenn ich die Zwischenfrage jetzt zulasse? –
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt auch einen anderen Weg, bei dem die Gewährträgerversammlung ebenso über flüssig wird wie Aufsichtsratssitze für Abgeordnete. Diesen Weg hat die CDU-Alleinregierung Koch in Hessen beschrit ten, und zwar mit Erfolg. Im Universitätsklinikum Gießen und Marburg gibt es keine solchen Skandale wie z. B. in Freiburg.
Der Ärztliche Direktor, zugleich der langjährige Vorsitzende des zuständigen Ausschusses des Wissenschaftsrats, hat in der Anhörung klipp und klar gesagt,
bei ihm gebe es kurze Entscheidungswege. Geben wir den Chefärzten also, was sie wollen: kurze Entscheidungswege in privatisierten Klinika. Bis sich dafür eine Mehrheit findet, ge ben wir ihnen eben dieses Gesetz.