Protocol of the Session on February 3, 2011

Eines, liebe Kolleginnen und Kollegen, stimmt natürlich auch: Wer mehr Rechte hat, bekommt auch mehr Pflichten.

(Zuruf: So ist es!)

Darauf hat auch der Kollege Hofelich hingewiesen. Wer die Arbeit im Europaausschuss und im Parlament betrachtet hat, hat festgestellt, dass wir alle uns bei einem Punkt immer ei nig sind: Europa wird immer wichtiger, regiert an vielen Stel len mit. Aber wenn hier im Plenum über Europa diskutiert worden ist, war das Interesse manchmal doch relativ gering. Woran lag das? Es lag daran, dass wir manches sehr häufig erst im Nachhinein – ich benutze jetzt einmal dieses wüste Wort – „abnicken“ mussten.

(Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: So ist es! Ja!)

Meistens war es ja so, dass es die Regierung schon in unse rem Sinn verhandelt hatte – meistens jedenfalls. Trotzdem ist es nicht ganz befriedigend, wenn man erst informiert wird und zur Abstimmung kommen kann, wenn im Bundesrat respek tive in der EU alles schon gelaufen ist.

(Beifall des Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP – Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: So ist es!)

Es ist auch ein Riesenfortschritt, dass wir in dem Begleitge setz eine verstärkte zeitnahe Berichtspflicht haben werden, die dazu führt, dass wir nicht erst dann, wenn die Messe gelesen ist, sondern noch während die Musik spielt

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Jawohl!)

auch auf europäischer Ebene im Konzert mitspielen können.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das einzige Thema, bei dem ein kleiner Dissens bestand, war, ob wir den Europabericht in der bisherigen Form haben wol len. Man muss schon sagen: Das war ein Riesenkonvolut, das – so behaupte ich – wohl wenige vollständig gelesen haben. Mit der gemeinsam beantragten neuen Regelung, Kollege Blenke,

(Zuruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP)

wollen wir künftig einen verschlankten, aktuelleren Bericht. Man wird sehen, wie man damit klarkommt. Man kann dies noch immer ändern, weil das nicht Bestandteil des Gesetzes ist.

Jetzt muss ich doch, weil noch eine gewisse Schärfe in die Diskussion gekommen ist, noch ein, zwei Sätze zu dem sa gen, was uns im Europabericht dargelegt wurde.

Das Erste – das hat den Kollegen Wetzel auch immer wieder zu Recht aufgeregt –: Herr Hofelich, Sie sind einfach klüger.

Sie wissen doch, dass gerade die neoliberale Schule eine Zü gelung des Marktes wollte, dass sie keine Monopole wollte, dass sie dem Markt Ketten anlegen wollte und mehr Verant wortung wollte.

(Beifall bei der FDP/DVP – Lachen des Abg. Peter Hofelich SPD – Abg. Peter Hofelich SPD: Ketten?)

Ja, natürlich. – Das ist die neoliberale Schule. Ich weiß schon, was Sie meinen. Sie meinen einen falsch verstandenen Liberalismus,

(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

einen grenzenlosen Marktliberalismus. Diesen vertritt hier niemand.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Jetzt komme ich zu Herrn Walter. „Die FDP hat keine Ah nung“, das schreiben ausgerechnet die angloamerikanischen Autoren, also die Autoren aus dem Land, das uns mit seinem Finanzsystem „in die Kacke hineingeritten“ hat.

(Beifall bei der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Dietmar Bachmann FDP/DVP)

„Financial Times“, sage ich nur.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: „Financial Times Deutschland“! – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Herr Lehmann und seine Brüder! – Heiterkeit)

Jetzt sage ich eines – darauf bitte ich zu achten –:

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: „Financial Times Deutschland“, was ist denn daran angloamerika nisch?)

Was führt denn bei unseren Bürgerinnen und Bürgern zu Ver druss, wenn es um Europa geht? Es ist genau dieses Gefühl, das auch beim Länderfinanzausgleich aufkommt: Wir sind die Zahlmeister. Immer, wenn irgendwo etwas schiefgeht, sollen wir gleich dastehen und sagen: „Jawohl, wir helfen, wir ret ten euch.“

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Jetzt komm!)

Es ist ja richtig, dass wir in der Krise agiert haben, weil wir den Wert eines stabilen Euro gerade auch für unser Land ken nen.

(Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: Und schätzen! Jawohl! – Zuruf des Abg. Jürgen Walter GRÜNE)

Aber wenn man von vornherein jedem Mühseligen und Bela denen sagen würde: „Wenn es bei euch nicht klappt, könnt ihr euch auf uns verlassen“,

(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP – Abg. Jür gen Walter GRÜNE: Das fordert niemand!)

dann wäre das genau der falsche Weg.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Beate Fauser FDP/ DVP: Genau! – Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Das will doch niemand!)

Wir haben heute hier über den Länderfinanzausgleich disku tiert. Bei allen unterschiedlichen Auffassungen waren wir ins gesamt der Meinung, dass er ungerecht ist. Aber diejenigen, die sich die EU als künftige Transferunion vorstellen

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Wir nicht!)

und die anderen, die da die Bremse reinhauen, zögerlich nen nen,

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Na, na, na!)

verstehe ich nicht. Denn wir müssen genau hier schon am An fang die Bremse reinhauen, damit nicht zugekleistert wird, dass die einzelnen Staaten ihre Verantwortung für eine ver nünftige Wirtschafts-, Finanz-, Haushalts- und Sozialpolitik wahrnehmen müssen.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Hagen Kluck FDP/ DVP: Genau! – Abg. Dietmar Bachmann FDP/DVP: So ist es!)

Wenn wir den Druck nicht aufrechterhalten, sondern jedem sozusagen das Schlamperleben weiter genehmigen,

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Davon redet doch nie mand! – Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: „Das Schlam perleben“! – Gegenruf von der CDU: So ist es doch!)

dann wird sich nichts ändern.

In dem Europabericht kann man lesen, dass die Verschuldung im Durchschnitt aller EU-Staaten derzeit bei 6,8 % des Brut toinlandsprodukts liegt, obwohl der Stabilitäts- und Wachs tumspakt nur 3 % erlaubt.

(Zuruf des Abg. Jürgen Walter GRÜNE)

Das heißt, kein europäischer Staat hält den Stabilitäts- und Wachstumspakt ein. Das kann so nicht weitergehen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Denn wir müssen es schaffen, dass sich alle Staaten bemühen, sich anstrengen, ihre Haushalte zu konsolidieren. Man kann unseren Bürgern nicht vermitteln, dass wir bis zum Alter von 67 Jahren arbeiten sollen, während Bürger aus anderen EUStaaten mit 55 Jahren in Pension gehen, wofür wir auch noch mit bezahlen sollen. Das schafft doch Europaverdruss.

(Beifall bei der FDP/DVP – Zurufe, u. a. Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Ihr wollt noch mehr Verschuldung durch Steuererleichterungen! So ein Quatsch!)

Sie würden womöglich auch gern noch Europasteuern ein führen.