Protocol of the Session on February 2, 2011

Wir begrüßen zum Zweiten den Vorschlag, dass der Deckel – die Dauer eines Bachelor- und eines Masterstudiums soll zehn Semester insgesamt nicht überschreiten – aufgehoben wird und dass eine größere Flexibilität einkehrt, insbesondere vor dem Hintergrund, dass wir uns darauf freuen und erwarten, dass künftig auch mehr Bachelorstudiengänge angeboten wer den, die sieben oder acht Semester dauern. Daher ist auch die ser Vorschlag richtig.

Wir begrüßen zum Dritten den Vorschlag, abzusichern, dass im Rahmen eines Bachelorstudiums auch ein Auslandsstudi um absolviert werden kann und dass die Pflicht, den Nach weis zu führen, dass ein solches Auslandsstudium möglich ist, aufseiten der Hochschulen selbst liegt. Bei all diesen Punkten haben wir einen Konsens.

Der Dissens besteht bei einem Punkt – das ist kein unwichti ger –, nämlich bei der Frage, wie man es mit dem Übergang

vom Bachelor zum Master hält. Wir teilen – um den letzten Konsens zu bezeichnen – auch die Sorge von vielen Studie renden, die sagen: Wir wollen nicht auf einen Bachelor fest gelegt werden, der womöglich eine Sackgasse ist.

(Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: Wohl wahr!)

Wir kennen diese Ängste. Sie sind auch nicht ganz unbegrün det, zumal der Bachelor an einigen Hochschulen durchaus Qualitätsprobleme aufweist. Wir teilen auch die Sorge man cher Menschen, die Angst davor haben, dass sie gegen ihren Willen und gegen ihre Qualifikationen vom Weiterstudieren abgehalten werden, weil es nicht genügend Masterstudienplät ze gibt. Das ist die Sorge davor, dass der Übergang vom Ba chelor zum Master ein Nadelöhr wird. Wir haben dafür zu sor gen, dass es dieses Nadelöhr nicht gibt. Deswegen plädieren wir auch im Masterbereich für einen bedarfsgerechten Aus bau.

Allerdings halten wir nichts davon, dass es beim Übergang vom Bachelor zum Master qua Gesetz für den Master keiner lei Zugangskriterien mehr geben soll. Gerade unter dem Ge sichtspunkt der Polyvalenz und gerade weil wir wollen, dass nach einem Bachelorstudium neu kombiniert werden kann, Fachrichtungswechsel durchgeführt werden können, Berufs phasen dazwischengeschoben werden können, gerade weil wir diesen Wechsel wollen, werden wir realistischerweise nicht umhinkommen, dass Kriterien benannt werden,

(Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: So ist es! Ja wohl!)

weil wir durch die formale Gleichbehandlung lediglich dafür sorgen würden, dass es zu einem unglaublich hohen NC kommt.

(Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: Richtig! Dann hätten wir es beim alten System lassen können!)

Das ist nicht das intelligenteste Zulassungskriterium.

(Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: Sehr gut!)

Deswegen glauben wir, dass der Weg, den die SPD an diesem Punkt vorschlägt, noch nicht ausgereift ist. Die Absicht ist die richtige. Das erkennen wir wohl an. Deswegen werden wir uns heute der Stimme enthalten. Wenn wir dann hoffentlich in die Situation kommen, miteinander Koalitionsverhandlun gen zu führen, werden wir uns in diesem Punkt – da bin ich ganz sicher – einigen können.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Zuruf der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Bachmann für die Fraktion der FDP/DVP.

Verehrte Frau Präsi dentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die baden-württem bergischen Universitäten und Hochschulen liegen europaweit auf Spitzenplätzen.

(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Dies soll so bleiben. Damit dies so bleibt, wird die Koalition diesen Gesetzentwurf ablehnen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Das haben Sie vielleicht schon geahnt. Ich möchte es Ihnen aber auch begründen. Gestatten Sie mir, dies mit einem Blick in das letzte Jahrtausend zu tun. Mitte der Neunzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts wurde Deutschland von einer schwarz-gelben Bundesregierung unter Hans-Dietrich Gen scher und Helmut Kohl regiert. Es herrschten Wachstum und Wohlstand. Heute ist das übrigens unter Schwarz-Gelb wie der so. Das haben Sie alle heute Morgen lesen können.

Im Hochschulbereich fanden damals Verhandlungen über ei nen europäischen Standard für Studium und Studienabschlüs se statt.

(Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: So ist es!)

In einem vereinigten Europa ist gerade im Bereich von For schung und Wissenschaft der problemlose Wechsel zwischen den Staaten eine Grundvoraussetzung für den gemeinsamen Erfolg. Zu diesem Ideal stand die FDP damals, und zu diesem Ideal bekennen wir uns auch heute.

Dann geschah das Unglück.

(Heiterkeit des Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP)

Diejenigen, die z. B. mit Gesetzentwürfen wie dem heute vor liegenden die Illusion geschaffen hatten, sie könnten in der Bildungspolitik alles besser, kamen an die Bundesregierung. Rot-Grün unterschrieb die Abmachung von Bologna und da mit die Absicht, das deutsche System über Bord zu werfen und auf das angelsächsische Bachelor/Master-System umzu steigen.

(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Rot-grüne Bildungspolitiker waren es, die versuchten, dieses System in Deutschland ohne Wenn und Aber umzusetzen. Deshalb hat niemand anderes als Rot und Grün den BolognaProzess und seine nationale Umsetzung zu vertreten. Sie tra gen Verantwortung dafür, dass es an den Hochschulen berech tigte Proteste gibt.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Warum wollen Sie es dann nicht ändern? Jetzt haben Sie doch die Gelegenheit dazu!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere Landesregierung in den Landesfarben Schwarz-Gelb hat alles Mögliche und Denkbare getan, um die Folgen dieses Prozesses abzumildern. Nicht umsonst kamen bei uns acht von neun Universitäten in der Exzellenzinitiative zum Zuge.

(Abg. Johannes Stober SPD: Aber nicht wegen Ihnen, Herr Bachmann! – Zuruf des Abg. Claus Schmiedel SPD)

Nicht umsonst finden fast alle Studierenden bei uns nach dem Examen Arbeit – schauen Sie doch z. B. einmal nach Berlin. Nicht umsonst steckt Baden-Württemberg den europaweit höchsten Anteil seines Bruttoinlandsprodukts in die For

schung, hat die meisten Patentanmeldungen und eine Wirt schaft, die mehr denn je brummt.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Dies alles ist nur möglich, weil bei uns in der Wissenschaft wie in der Schule der Grundsatz gilt: individuelle Förderung statt Gleichmacherei.

Bei uns wurde der Bologna-Prozess so umgesetzt, dass der Bachelor, wie von Rot-Grün vorgeschrieben, der berufsqua lifizierende Abschluss ist. An den Hochschulen wurden aber von vornherein zahlreiche Masterstudiengänge geschaffen, die eine Weiterqualifizierung in großem Umfang ermöglichen. Das müssen wir weiter ausbauen. Da hat Kollegin Bauer völ lig recht.

Auch an den Universitäten – dies ist einer der großen Vortei le des Bologna-Prozesses – haben Studierende mit dem Ba chelor einen berufsqualifizierenden Abschluss. Wenn ihre in dividuellen Fähigkeiten für ein erfolgreiches Masterstudium nicht ausreichen, sie also früher das Diplom nicht geschafft hätten, können sie heute mit diesem Abschluss ins Berufsle ben wechseln.

In vielen Fächern erwartet die Wirtschaft von den Absolven ten allerdings einen Masterabschluss, und die Übergangsquo ten sind entsprechend hoch. Wir wären schlecht beraten, wenn wir dem vorliegenden Gesetzentwurf zustimmen würden und einen Anspruch auf den Übergang in einen Masterstudiengang verwirklichen würden.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Der Landesvorsitzende der SPD, Kollege Nils Schmid, hat kürzlich auf einer Veranstaltung zu Recht erklärt, es gebe kei nen anstrengungslosen Wohlstand.

(Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: Wie wahr!)

Was für den Wohlstand gilt, muss auch für Examina gelten. Wenn man ernsthaft meint, nach einem Examen wie dem Ba chelor sollten alle weiterstudieren dürfen – ganz gleich, wie schlecht das Examen ausgefallen ist –, kann man das Examen auch gleich abschaffen.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Ja!)

Eigentlich kann man dann gleich allen Kindern mit der Kin dergartenreife auch den Doktortitel verleihen.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Sehr gut! – Abg. Jo hannes Stober SPD: Mehr abwerten kann man unse re Hochschulabschlüsse und unser Abitur wohl kaum, Herr Bachmann!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir Liberalen bekennen uns zu Aufstieg durch Leistung. Wir treten mit Nachdruck für glei che Startchancen – unabhängig von Geburt, Elternhaus und sozialem Standard – ein. Wir wehren uns aber gegen Gleich macherei. Wir lehnen deshalb den vorliegenden Gesetzent wurf ab. Denn ein solches Gesetz wäre der Einstieg in eine Gleichmacherei, bei der unabhängig von der Leistung die För derung bleibt.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Deshalb sagen wir den Bürgern dieses Landes eines klipp und klar: Wenn die Koalition in den Landesfarben Schwarz-Gelb nach dem 27. März weiter regiert, wird dieses Land in Wis senschaft und Forschung weiter vorn liegen. Wenn es eine an dere Mehrheit gibt, dann machen Sie sich auf bildungspoliti sche Abenteuer nach dem Motto „Bologna und Gesamtschu le“ gefasst.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)