Protocol of the Session on February 2, 2011

Baden-Württemberg war in der Vergangenheit gut aufgestellt, keine Frage. Ich möchte dies nur an ein oder zwei Zahlen deutlich machen: Das wirtschaftswissenschaftliche Institut in Tübingen teilt uns mit, dass 6 % der bundesdeutschen Unter nehmer es schaffen, innerhalb von 24 Monaten ein neues Pro dukt oder eine neue Dienstleistung auf die Märkte zu bringen; in Baden-Württemberg schaffen dies 15 % der Unternehmer.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Hört, hört! – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Hoi, hoi!)

Dies sagt schon etwas über die Innovationskraft des Landes Baden-Württemberg aus, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Für innovative Unternehmer gibt es den Mittelstandspreis TOP 100. Sie kennen ihn; er wird jedes Jahr vergeben. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass von diesen TOP 100 der innovativen Mittelständler im Durchschnitt 45 aus BadenWürttemberg kommen. Auch dies sagt etwas über die Inno vationskraft der mittelständischen Wirtschaft in Baden-Würt temberg aus, meine Damen und Herren.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr gut!)

Aber natürlich ist es richtig, dass solche Erfolge nicht einfach vom Himmel fallen und dass sie jedes Jahr aufs Neue vertei digt werden müssen, vor allem angesichts einer verschärften Weltmarktsituation. Wer einmal in Asien war – in China, Ma laysia oder Singapur –, weiß, wovon ich spreche, wenn ich darauf hinweise, dass 50 % des zu erwartenden Wirtschafts wachstums in den nächsten Jahren in Asien stattfinden wer den. Er hat auch eine Vorstellung davon, dass wir uns in Eu ropa insgesamt warm anziehen müssen und dass auch die ba den-württembergische Wirtschaft neue Ideen wird entwickeln müssen, um den Innovationsvorsprung gegenüber anderen Re gionen zu halten – natürlich auch vor dem Hintergrund, dass Baden-Württemberg ein Hochlohnland ist und dies auf abseh bare Zeit auch bleiben wird.

Deshalb lautet die einfache Formel: Wir müssen in der Zu kunft um genau das Delta besser sein, um das wir teurer sind. Das muss unser Bestreben sein.

Das ist beispielsweise der Grund dafür, meine Damen und Herren, dass Baden-Württemberg das Land ist, das deutsch landweit die meisten Hochschulen hat, und dass vier der neun deutschen Exzellenzuniversitäten in Baden-Württemberg sind. Unsere Wirtschaftspolitik, unsere Technologie- und Innovati onspolitik zeichnen sich zudem gerade dadurch aus, dass wir gewissermaßen eine Brücke zwischen der Grundlagenfor schung auf der einen Seite und deren Anwendung in den Be trieben auf der anderen Seite bauen. Das sind unsere wirt schaftsnahen Forschungsinstitute.

Es gibt übrigens kein anderes Land in Deutschland, in dem es so viele Fraunhofer-Institute gibt wie in Baden-Württemberg.

In keinem anderen Land arbeiten so viele Beschäftigte an Fraunhofer-Instituten wie in Baden-Württemberg. 25 % aller Beschäftigten an Fraunhofer-Instituten arbeiten in BadenWürttemberg.

Damit auch das klar ist: Baden-Württemberg wird in den nächsten Jahren als einziges Land unter den westdeutschen Bundesländern zusätzlich nicht nur ein, sondern gleich drei weitere Fraunhofer-Institute gründen. Meine Damen und Her ren, wenn eine so renommierte Einrichtung, wie es Fraunho fer unbestritten ist, in diesem Umfang in Baden-Württemberg investiert, dann ist das der beste Beweis dafür, dass dieses Land hoch attraktiv ist,

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: So ist es!)

dass es ein hoch attraktives Innovations- und Technologieland ist, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: So ist es!)

Wir werden

(Abg. Thomas Knapp SPD: Wer ist „wir“?)

die Clusterpolitik, die ich vor vier oder fünf Jahren begonnen habe, weiterführen. Sie hat sich als außerordentlich erfolg reich erwiesen. Ich rate Ihnen: Fragen Sie auf Ihren Fraktions vorsitzendenkonferenzen einmal bei Ihren Kollegen nach, welches Land die erfolgreichste Clusterpolitik in Deutschland macht.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Die wissen doch gar nicht, was das ist!)

Ich sage das in aller Bescheidenheit, weil ich nachweisen kann, dass Baden-Württemberg hier wirklich die Nase vorn hat.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Zehn Jahre verschla fen!)

Diese Grundidee ist ganz einfach: das Zusammenführen von Wirtschaft, Forschung und Entwicklung sowie insbesondere auch kleinen und mittleren Betrieben,

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Die Idee ist aber 15 Jah re alt und nicht fünf!)

um auf diese Art und Weise systematisch neue Ideen zu pro duzieren, die dann auch umgesetzt werden können. Diese Idee ist nach wie vor faszinierend.

Wir werden übrigens auch dafür sorgen, dass diese Idee in der Zukunft auch in unserer Außenwirtschaftsförderung eine gro ße Rolle spielen wird. Ich lege großen Wert darauf, dass wir dann, wenn wir mit unseren Unternehmen ins Ausland gehen, wenn wir Außenwirtschaftsförderung machen, diese Cluster idee, das heißt, die Verclusterung von Forschung und Unter nehmen, gewissermaßen zum Exportschlager machen.

Damit es – auch das ist neu, Frau Kollegin Sitzmann – auch für unsere kleinen Unternehmen möglich ist, sich an dieser Außenwirtschaft zu beteiligen, das heißt, auf die Weltmärkte zu gehen, haben wir neben den Innovationsgutscheinen jetzt

auch einen Internationalisierungsgutschein eingeführt. Dieser soll dazu beitragen, den kleinen Unternehmen finanzielle An reize zu geben, damit sie den Sprung in diese neuen Weltmärk te schaffen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Sehr gute Idee! Und die SPD lehnt das wieder ab!)

Sie haben das McKinsey-Gutachten angesprochen. Ich brau che hierzu nichts zu sagen; Sie kennen das Programm. Wir werden uns auf die Vorschläge konzentrieren, die dort ge macht werden. Wir werden in einer ersten Stufe 60 Millio nen € zur Verfügung stellen – ich betone: in einer ersten Stu fe. Es ist geplant, noch im kommenden Doppelhaushalt 2012/2013 eine zweite Stufe hinzuzufügen, sodass sich die Summe dann entsprechend erhöhen wird.

Wichtig ist natürlich, dass im Land der Automobilbauer auch das Thema Automotive in diesem McKinsey-Gutachten eine große Rolle spielt.

Ich glaube, es gibt drei zentrale Herausforderungen in der Automobilwirtschaft, denen wir uns stellen müssen. Wir müssen erstens schauen, dass wir beim Thema Leichtbau weise, also beim Einsatz leichterer Materialien, vorankom men. Deshalb wird das Fraunhofer-Institut in Stuttgart in diesem Bereich eine neue Aufgabe übernehmen. Zweitens werden wir neue Antriebssysteme auf den Weg bringen müs sen. Drittens müssen wir die Batterietechnik und die Batte rieproduktion verbessern.

Das alles sind typische Aufgaben, die wir jetzt anhand dieses McKinsey-Gutachtens auf den Weg bringen wollen. Wir wer den sie auf den Weg bringen. Wie gesagt, mit unseren wirt schaftsnahen Forschungsinstituten und unserer Landesagen tur haben wir dafür die besten Voraussetzungen.

Richtig ist, dass wir neben allgemeinen Existenzgründungen auch Gründungen etwa im Hightechbereich brauchen; das ist keine Frage. Richtig ist zweitens, dass die Anzahl der High techgründungen überall in der Bundesrepublik Deutschland in den vergangenen Jahren zurückgegangen ist. Richtig ist aber auch, dass wir in Baden-Württemberg mit jährlich etwa 900 Existenzgründungen im Hightechbereich unter den „Top 3“ liegen. Bayern, Thüringen und Baden-Württemberg wechseln sich dabei in der Reihenfolge ab. Die Behauptung, dass wir zurückgefallen seien, dass wir bei Hightechgründun gen wesentlich abgebaut hätten, ist absolut nicht richtig. Rich tig ist, dass die anderen aufgeholt haben. Das ist wahr.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Von wel chem Niveau aus?)

Andere Länder haben aber von einem wesentlich niedrigeren Niveau aus aufgeholt.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: So ist es! – Zuruf der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Wir haben uns in diesem Bereich aber hervorragend gehalten. Wir werden uns auch in Zukunft hervorragend halten, indem wir – das ist neu – die Finanzierungsbedingungen für High techgründungen verbessern.

Es ist nicht so, dass in Baden-Württemberg zu wenig VentureCapital, also Wagniskapital, zur Verfügung stehen würde. Das ist nicht richtig. Wir haben bei der MBG, der Mittelständi schen Beteiligungsgesellschaft, Mittel zur Verfügung. Wir ha ben bei der L-Bank Mittel zur Verfügung. Außerdem haben wir privates Kapital. Wir machen das über die LBBW.

Jetzt muss eine Bündelung dieser Mittel erfolgen, um auf die se Art und Weise gerade kleinen Betrieben möglichst viel Bü rokratie abzunehmen und ihnen natürlich auch entsprechende Erleichterungen beim Zugang zu diesen Mitteln zu verschaf fen. Genau das werden wir machen. Das wird sicherlich dazu führen, dass wir auch in Zukunft im Bereich der Hightech gründungen mit an der Spitze stehen werden.

Der zweite Punkt neben der Innovationskraft ist die Qualifi kationskraft. Sie alle kennen die Zahlen. Man rechnet damit, dass aufgrund der demografischen Entwicklung und anderer Entwicklungen bis zum Jahr 2020 in der Bundesrepublik Deutschland etwa 1,8 Millionen Arbeitskräfte und in BadenWürttemberg etwa 400 000 Arbeitskräfte nicht mehr zur Ver fügung stehen werden. Wir müssen den Verlust von ungefähr 400 000 Fachkräften, die zum Teil akademisch ausgebildet sind oder aus der dualen Ausbildung kommen, kompensieren. Hierzu brauchen wir neue Wege.

Mit dem Nachtragshaushalt haben wir ein neues Programm auf den Weg gebracht. Wir wollen Ausbildungsbotschafter – so nennen wir das – einsetzen, junge Leute, die selbst in der Ausbildung stehen oder diese abgeschlossen haben. Sie sol len im Gespräch mit ihren gleichaltrigen Kollegen auf die Vor züge des dualen Systems aufmerksam machen.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, das duale System ist hervorragend, muss aber auch weiterentwickelt werden. Auch das ist ein neu er Ansatz.

Ein neuer Ansatz ist auch, dass wir Sommerakademien auf den Weg bringen werden. Damit soll erreicht werden, dass schwächere Hauptschüler, die Defizite haben, die unterrichts freie Zeit auch dafür verwenden können, ihre Defizite abzu bauen. Damit soll ein nahtloser Übergang von der Schule in den Ausbildungsberuf gewährleistet werden.

Ebenso haben wir, wie Sie wissen, neue Programme auf den Weg gebracht, was die Beschäftigung und die Ausbildung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund angeht.

Wir müssen den Jugendwahn abschaffen, meine Damen und Herren. Der größte Fehler war, mit Beträgen in Milliardenhö he dafür zu sorgen, dass 58-Jährige so schnell wie möglich in den Vorruhestand gehen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das können wir uns heute nicht mehr erlauben, meine Damen und Herren. Es geht doch nicht darum, dass wir einen 58-jäh rigen oder einen 63-jährigen Dachdecker noch auf Dächer schicken wollen. Vielmehr geht es darum, dass wir in den Be trieben Personalmanagementpläne auf den Weg bringen, die einzig das Ziel haben, auch 63-Jährige, 65-Jährige mit ihrer Erfahrung und mit ihrem Können in den Betrieben zu halten.

Wir müssen wirklich alles tun, um diesen älteren Beschäftig ten durch verschiedenste Maßnahmen eine Chance zu geben. Das ist nicht nur im Interesse dieser Menschen, sondern auch im Interesse der Wirtschaft. Wir brauchen diese Fachkräfte, auch unbedingt die älteren.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Genau!)

Meine Damen und Herren, ich will keinen Zweifel daran las sen, dass neben all diesen Maßnahmen, die wir hier angehen, die Hausaufgaben im eigenen Land zu machen sind, um zu erreichen, dass wir die Fachkräfte entsprechend ausbilden. Ich glaube, dass wir unabhängig davon auf Dauer nicht darum he rumkommen, auch eine gezielte, eine gesteuerte Zuwande rung nach Baden-Württemberg zu erreichen. Ohne diese ge steuerte Zuwanderung wird es nicht gehen. Nur so wird es möglich sein, dass wir in der Zukunft z. B. die notwendige Anzahl von Ingenieuren in unserem Land haben.