Protocol of the Session on December 16, 2010

Herr Präsident, liebe Kollegin nen und Kollegen! Herr Minister Frankenberg, wir können Ih nen zustimmen:

(Zuruf von der CDU: Sehr gut!)

Die Hochschulmedizin in Baden-Württemberg ist gut; sie kann aber noch besser werden. Gut finden auch wir, dass sich das Land ausdrücklich zu Forschung, Lehre und Krankenver sorgung als hoheitlichen Aufgaben bekennt. Aber eigentlich hatten wir das in der Vergangenheit auch schon. Deshalb fragt man sich, warum es jetzt auf den letzten Drücker dieses neu en Gesetzes bedarf.

(Abg. Werner Pfisterer CDU: Habe ich doch gerade gesagt! Kein letzter Drücker! Wir arbeiten bis zum Schluss! – Gegenruf der Abg. Ursula Haußmann SPD: Jetzt hör auf!)

Die Frage ist immer, ob man gut arbeitet, Herr Pfisterer.

(Abg. Theresia Bauer GRÜNE: Torschlusspanik!)

Ich möchte noch einmal kurz auf die Vorgeschichte eingehen. Über Jahre hinweg, vor allem auch nach dem Gutachten von Roland Berger, wurde den Universitätskliniken versprochen, ihnen mehr Spielräume zu gewähren. Aber jetzt wird die ge samte Linie revidiert, die man bisher vertreten hat, und man kehrt eigentlich wieder zurück zu dem Zustand in den Zeiten, in denen die Universitätskliniken noch keine Anstalten des öf fentlichen Rechts waren.

(Abg. Werner Pfisterer CDU: Wer hat das denn souf fliert?)

Damit wird natürlich auch der Eindruck erweckt, sämtliche Privatisierungsüberlegungen wären endgültig vom Tisch. Doch dann macht man auch Zugeständnisse an die FDP. Da will man nämlich das wirtschaftliche Zusammenwirken mit privaten Dritten fördern. Die Beleihungsregelung, die im Rah men eines Artikelgesetzes vor einigen Monaten beschlossen wurde, wird jetzt zum Programm gemacht – wahrscheinlich deshalb, weil man der FDP im Wahlkampf noch die Darstel lung ihrer Bemühungen um eine Privatisierung ermöglichen will, während sich die CDU jetzt als Verfechterin der Einheit von Forschung, Lehre und Krankenversorgung profiliert.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Jochen Karl Kübler CDU: Spärlicher Beifall! – Zuruf des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP)

Aber das alles ist Wahlkampfgeplänkel.

(Abg. Werner Pfisterer CDU: Von wem?)

Es stellt sich einfach die Frage, ob mit diesem Gesetz die Spit zenposition der Universitätsklinika tatsächlich ausgebaut wird. Im Anhörungsverfahren waren sich die unterschiedlichs ten Verbände nämlich einig, dass dieser Gesetzentwurf diese Zielsetzung nicht erreicht. Ich zitiere aus einer Stellungnah me der Universitätsklinika:

Die Zukunftsfähigkeit der Universitätsmedizin... kann mit dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht erreicht werden. Seine Umsetzung wird die Universitätskliniken in BadenWürttemberg im Wettbewerb, auch mit den Universitäts kliniken in anderen Bundesländern, zurückwerfen.

Herr Minister Frankenberg, wenn Sie Herrn Bamberg aus Tü bingen zitieren, müssen Sie natürlich auch dazusagen: Wenn er von gelebter Integration spricht, dann sagt er auch: Das neue Gesetz wirft uns da zurück.

In einer Stellungnahme der Personalräte heißt es:

Ausreichende Kompetenzen... werden bei den bisher Ver antwortlichen in der Krankenversorgung... zu stark ein geschränkt. Bei der Wirtschaftsführung wird... ein Zu stand früherer Zeiten... wieder hergestellt. Dies bringt eine uns bekannte Trägheit und damit verbundene verzö gerte Entscheidungsfähigkeit mit sich. Die Möglichkeit, zeitnah auf die Entwicklung im Gesundheitsmarkt zu re agieren, zu agieren bzw. innovativ tätig zu sein, wird mit Bürokratisierung erheblich erschwert.

(Zuruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP)

Alle, die angehört wurden, äußern übrigens auch schwerwie gende Bedenken, dass durch die universitäre Dominanz in den Gremien die Interessen der Krankenversorgung nicht adäquat berücksichtigt werden.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Das ist aber eine Un terstellung!)

Selbst Direktoren sagen das hinter vorgehaltener Hand auch. Diese Bedenken, Herr Minister, sollten Sie ernst nehmen, ge nauso wie die Bedenken hinsichtlich der Vertretungsregelung.

Der Vorstandsvorsitzende der Universität vertritt künftig den Ärztlichen Direktor.

(Abg. Johannes Stober SPD: Beim Operieren?)

Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Aber doch nicht in medizinischen Dingen!)

Ganz nebenbei sollte man auch einmal darüber nachdenken, welche Vorstellungen sich eigentlich hinter solchen Begriffen wie „Vorstandsvorsitzender der Universität“ verbergen.

(Abg. Katrin Altpeter SPD: Aber echt!)

Kennen Sie einen Vorstandsvorsitzenden einer Universität?

(Abg. Dietmar Bachmann FDP/DVP: Ich kenne neun! – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Ja, selbstver ständlich! Können Sie sich nicht an Adolf Theis er innern?)

Ich kenne nur den Rektor. Der hat eigentlich anderes zu tun – um das auch einmal zu sagen –, als im laufenden Klinikge schäft mitzumischen.

Warum wird eigentlich der Ärztliche Direktor nicht durch den medizinischen Dekan vertreten? Das wäre nämlich stimmig.

Nun aber soll die Gewährträgerversammlung als zusätzliches Kontrollinstrument neu geschaffen werden. Da fragt man sich: Braucht es eines solchen Kontrollinstruments wegen der stra tegischen Planung? Sie haben das angesprochen. Aber es ist doch klar: Da ist sofort ein Streit vorprogrammiert in der Fra ge, was „strategische Planung“ letztendlich eigentlich heißt. Solche Vorfälle wie in Freiburg lassen sich jedenfalls durch dieses Kontrollinstrument nicht verhindern. Wahrscheinlich geht es den zwölf Abgeordneten in diesem Gremium auch nicht anders als dem Rektor einer Universität.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Dem Vorstandsvor sitzenden!)

Klinikgeschäfte sind eigentlich nicht ihr Problem. Dafür ist eigentlich der Wissenschaftsausschuss da, und dafür ist auch das Parlament da.

(Abg. Werner Pfisterer CDU: Sie sind doch in dem Gremium, Frau Kollegin! – Abg. Hagen Kluck FDP/ DVP: Das Parlament ist die Summe der Abgeordne ten!)

Ich sage Ihnen dazu noch etwas: Wenn sich der Minister durch Abgeordnete in der Gewährträgerversammlung vertre ten lassen kann, ist das eine Konstruktion, bei der die Legis lative und die Exekutive völlig vermischt werden.

Die klaren Strukturen der Gewaltenteilung werden hier also jedenfalls nicht eingehalten. Im Gegenteil: Im zweiten Ent wurf findet gegenüber dem ersten sogar noch eine Ver schlimmbesserung statt.

Auch die Regelung zur Vertretung der Abgeordneten unterei nander sehen wir als sehr problematisch an.

Da ist einiges an Murks dabei. Leider kann ich aus Zeitgrün den nicht mehr auf die Weiterentwicklungsklausel eingehen. Diese ist genauso problematisch.

Zum Schluss nur noch eine Anmerkung: Herr Minister, Sie haben immer verkündet, Sie hätten ein bisschen „gegeißlert“.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Eher gegeizt!)

Aber dass „geißlern“ nicht immer zur Befriedung führt, hat sich ja mittlerweile gezeigt. Gelegentlich kommt beim „geiß lern“ auch ein Plus heraus. Das trifft aber auf den vorliegen den Gesetzentwurf leider nicht zu. Das ist eine Reform um der Reform willen. Niemand braucht sie, niemand will sie, und alle befürchten nur Schaden.

Deshalb fordern wir Sie auf: Ziehen Sie den Gesetzentwurf zurück,

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Jetzt hatten Sie so gut angefangen!)

und überlassen Sie es dem neuen Landtag, auf der Basis des sen, was jetzt gut läuft, ein sauberes, ordentliches Gesetz zu erarbeiten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Theresia Bauer GRÜNE – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Nörgler, Neider, Niederschreiber!)

Das Wort für die Frak tion GRÜNE erteile ich Frau Abg. Bauer.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Jetzt einmal etwas Positives! – Abg. Jörg Döpper CDU: Jetzt wird es noch schlimmer! – Gegenruf des Abg. Jürgen Walter GRÜNE)

Herr Präsident, verehrte Kol leginnen und Kollegen! Man muss sich schon wundern, was für Umbaupläne für die Uniklinika unser Wissenschaftsmi nister in dieser Legislaturperiode auf den letzten Drücker aus dem Hut zaubert.

(Abg. Werner Pfisterer CDU: Er bringt noch einen Gesetzentwurf in dieser Legislaturperiode ein! – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: TOP 8! – Gegenruf der Abg. Ursula Haußmann SPD: Zuhören!)