Protocol of the Session on December 16, 2010

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Verehrte Kollegin Bauer, zunächst ein mal: Der Gegensatz zwischen Tun und Predigen ist keines falls ein notwendiger Gegensatz. Wenn Sie den Gegensatz zwischen Tun und Reden – weil man schließlich auch etwas zerreden kann – darstellen wollen,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Kann man auch et was „zerpredigen“?)

dann mag ich Ihnen da vielleicht zustimmen, aber ein gutes Predigen führt meist dazu, dass es kein zielloses Tun gibt, und infolgedessen ergänzt sich beides.

(Beifall der Abg. Hagen Kluck und Dr. Birgit Arnold FDP/DVP)

Sie gestatten mir als einzigem Pfarrer in diesem Haus, das klarzustellen.

Der nächste Punkt: In der Tat wollen wir natürlich nicht Stu dierende haben, die an einem demokratischen Willensbil dungsprozess nicht beteiligt sind. Aber Sie wissen genauso gut, meine Damen und Herren, dass die große Schwierigkeit in dem ständigen Wechsel der Studentinnen und Studenten liegt. Das hat nicht zuletzt einst Bundespräsident a. D. Dr. Ri chard von Weizsäcker gesagt, als er das Stift in Tübingen be suchte. Genau hier liegt die große Schwierigkeit der Verfass ten Studierendenschaft oder Studentenschaft. Wo bleibt die Kontinuität?

(Abg. Johannes Stober SPD: Ihr hört als Abgeordne te auch nach fünf Jahren auf!)

Deshalb schlägt die FDP/DVP-Fraktion vor, die Möglichkeit zu erörtern, an den Hochschulen ein Studierendenparlament einzurichten. Das Studierendenparlament soll nach unseren Vorstellungen ein von den Studierenden gewähltes zentrales Mitbestimmungsorgan sein, das über alle fakultätsübergrei fenden studentischen Belange mitentscheidet.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das haben wir schon gehabt!)

Das betrifft dann die fachlichen genauso wie die sozialen, die wirtschaftlichen und die hochschulpolitischen Angelegenhei ten der Studierenden, einschließlich Sport, Kultur und Inter nationales sowie natürlich auch, wenn ich mir erlauben darf, das zu sagen, die Verwendung der Studiengebühren.

(Heiterkeit der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Auf diese Weise wird den Studierenden auch ein Kontrollin strument an die Hand gegeben. Denn wer könnte besser dar über wachen als die Studierenden selbst,

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: So ist es!)

dass die Einnahmen aus Studiengebühren eben auch wirklich für sie nutzbringend eingesetzt werden?

(Beifall des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP – Abg. Ha gen Kluck FDP/DVP: Dagegen sind sie! Das versteht kein Mensch!)

Damit hier kein Missverständnis aufkommt: Die Hochschu len sind verpflichtet, die Einnahmen aus Studiengebühren aus schließlich für die Verbesserung der Studienbedingungen aus zugeben. Wie wir aus den regelmäßigen Berichten an den Landtag sehen können, erfüllen sie auch durchweg diese Vor gabe. Dennoch ist auch klar: Die Studierenden als unmittel bar Betroffene, Frau Bauer, setzen möglicherweise andere Pri oritäten. So mögen ihnen beispielsweise längere Öffnungszei ten der Bibliothek wichtiger sein als eine bestimmte bauliche Maßnahme. Das wissen die Studierenden selbst am besten, und darüber sollen sie deshalb auch selbst entscheiden.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Gemeinsam mit den Freunden von der CDU hat die FDP/ DVP-Fraktion einen Antrag in den Wissenschaftsausschuss eingebracht – als Mitglied dieses Ausschusses, Frau Bauer, kennen Sie diesen Antrag –, der die Landesregierung um ei nen Vorschlag für die Errichtung eines zentralen Mitbestim mungsorgans an den Hochschulen in Baden-Württemberg er sucht. Ich bin sehr zuversichtlich, dass demnächst, wahr scheinlich noch in dieser Legislaturperiode, ein sehr guter Vor schlag vorgelegt wird. Der Wissenschaftsausschuss stimmte diesem Antrag der Koalitionsfraktionen mehrheitlich zu, und zu diesem Vorhaben äußerte sich auch der Wissenschaftsmi nister sehr positiv. Den Vorstoß verdanken wir im Übrigen den liberalen Hochschulgruppen einerseits und dem Ring Christ lich-Demokratischer Studenten andererseits.

(Abg. Gundolf Fleischer CDU: Das musste gesagt werden!)

Diesem Konzept liegt ganz nach Montesquieu der Gedanke der Gewaltenteilung zugrunde. Die Studierenden wählen das Studierendenparlament, und dieses wählt wiederum einen Ausschuss als Exekutivorgan. Der Ausschuss ist natürlich dem Studierendenparlament gegenüber verantwortlich und wird von diesem auch kontrolliert. Aus meiner Sicht haben uns die beiden studentischen Organisationen damit einen sehr inter essanten Weg aufgezeigt, wie wir die studentische Mitbestim mung stärken und zugleich die Verfahren durch klare Verant wortlichkeiten transparent gestalten können.

(Abg. Helen Heberer SPD: Was heißt „zugleich“?)

Der von SPD und Grünen vorgelegte Entwurf leistet genau dies nämlich nicht.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: So ist es!)

Einfach nur die Verfasste Studierendenschaft wieder einzu führen scheint kein sehr zukunftweisender Vorschlag zu sein. Alle Studierenden sollten diese Studierendenschaft bilden, die sich selbst eine Satzung gibt. Wie soll das möglich sein? Das hört sich zunächst vielleicht bestechend an, dürfte in der Pra xis aber, wie sich bisher gezeigt hat – ich war lange genug als Assistent an der Uni Tübingen tätig –, gewichtige Probleme nach sich ziehen. Wer jeweils die politische Verantwortung trägt, kann dabei völlig unklar bleiben.

Wenn die Studierendenschaft keine klar umgrenzten Kompe tenzen hat, wird das ihren Stand im Gesamtgefüge der Hoch schulorgane gewiss nicht stärken, sondern eher schwächen.

Die FDP/DVP-Fraktion strebt dagegen an, dass möglichst vie le und nicht nur einige wenige Studierende dann auch hinter

den sie betreffenden und von ihren Vertretern getroffenen Ent scheidungen stehen. Dies ist nach unserer Auffassung durch ein von den Studierenden selbst zu wählendes Parlament am besten gewährleistet.

Ich bedanke mich.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Stober.

(Zurufe: Noch einmal? – Abg. Johannes Stober SPD: Ich habe es nicht eilig! Ich kann es aber auch gleich machen! – Gegenruf des Abg. Hagen Kluck FDP/ DVP: Muss nicht sein! – Abg. Manfred Groh CDU: Sitzen bleiben! – Abg. Beate Fauser FDP/DVP: Wir können es uns auch sparen! – Abg. Johannes Stober SPD: Ich dachte eigentlich, dass ich nach dem Herrn Minister rede!)

Sie hatten sich gemeldet, Herr Kollege.

Wenn das letzte Wort bei der Regierung sein muss, dann akzeptiere ich das natürlich.

Ich möchte noch mit ein paar Märchen aufräumen.

Herr Kollege Schüle, Sie haben gerade gesagt, die Mitbestim mung werde an unseren Hochschulen akzeptiert. Ich frage mich nur, warum dann die Studenten unabhängige Vereine, USten, U-ASten und anderes gründen, wenn sie mit dem zu frieden sind, was sie im Augenblick haben. Sie machen das doch gerade deshalb, weil sie bevormundet werden, weil sie sich eben nur zu kulturellen, musischen, sozialen und sportli chen Fragen äußern dürfen und nicht zu dem, worüber letzten Endes entschieden wird, was relevant ist, und das ist natürlich insbesondere Hochschulpolitik.

Das ist auch der Grund, warum wir ein politisches Mandat und eine Studierendenvertretung brauchen, die letzten Endes legitimiert ist, selbst zu entscheiden, wozu sie sich äußert. Ich glaube, wir sollten mit der Bevormundung aufhören. Wir brau chen eine demokratisch legitimierte Studierendenvertretung. Diese soll sich auch selbst organisieren können. Ich bin über zeugt, dass die Studierenden die Probleme, die Sie, Herr Kleinmann, gerade angesprochen haben, werden lösen kön nen.

(Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: Ja?)

Es sind noch drei, vier weitere Punkte angesprochen worden. Der eine ist das Thema „Einheit der Lehrenden und Studie renden“. Ich kann nachvollziehen, dass Sie fragen, warum wir eine solche Organisation nur für die Studierenden machen wollen. Ich habe auch einen Vorschlag des Hochschullehrer bunds zur Bildung eines Sprecherausschusses der Hochschul lehrerinnen und Hochschullehrer vorliegen. Ich kann mir gut vorstellen, dass wir unseren Gesetzentwurf entsprechend er gänzen und dies auch noch mit aufnehmen. Damit habe ich überhaupt kein Problem. Das ist auch von dieser Seite natür lich sehr gewollt.

(Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: Na also! Gut!)

Was mich auch sehr verwundert, sind die Äußerungen zum Thema Zwangsbeitrag. Denn es gibt auch an vielen anderen Stellen Zwangsbeiträge, z. B. beim Studentenwerk. Soll das jetzt mit Steuern finanziert werden? Wenn wir das Ganze an die Verfasste Studierendenschaft delegieren, weil wir denken, dass die Studierenden dafür selbst kompetent genug sind, sol len die dann nicht die Beiträge erheben können? Soll das dann der Staat aus Steuergeldern bezahlen? Das ist doch alles kei ne Lösung, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Aber kein Zwang!)

Daher glaube ich, dass auch Ihr Vorschlag noch sehr unaus gegoren ist. Wir haben ihn ja erst einmal nur bruchstückhaft auf dem Tisch liegen und haben noch lange keinen Gesetzent wurf vorliegen. Wir würden uns freuen, wenn Sie noch in die ser Legislaturperiode einen entsprechenden Gesetzentwurf einbringen würden. Wenn Sie es erst in der nächsten Legisla turperiode tun, laufen Sie natürlich Gefahr, dass er hier abge lehnt wird und wir eine Verfasste Studierendenschaft beschlie ßen. Insofern ist das dann Ihr Problem und nicht unseres.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Theresia Bauer GRÜNE – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Machen Sie uns doch keine Angst! – Abg. Dieter Kleinmann FDP/ DVP: Wir haben gar nicht vor, das zu Ihrem Problem zu machen! Wir sind selbst groß, Kollege! Das ma chen wir schon selbst!)

Das Wort erteile ich Herrn Minister Professor Dr. Frankenberg.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Klasse! Jetzt spricht mein Freund, der Minister!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Her ren! Wem es um Mitbestimmung der Studierenden, um Mit wirkung an den für sie wesentlichen Dingen – Lehre, Studi um, Organisation der Universität bzw. der Hochschulen – geht, der muss wissen, dass die Frage der Rechtsform, also wie die Studierendenschaft verfasst ist, und die Frage, welche Mitwirkungsrechte sie hat, zwei völlig verschiedene Dinge sind. Ich kann eine Verfasste Studierendenschaft ohne Mitbe stimmung haben, und ich kann viel Mitbestimmung ohne Ver fasste Studierendenschaft haben.

(Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: So ist es!)

Die Abgeordneten der Regierungsfraktionen, Herr Schüle und Herr Kleinmann, haben dazu das Notwendige schon ausge führt. Ich persönlich bin gegen die Verfasste Studierenden schaft, weil ich drei Dinge in ihrer Kombination für unliberal und undemokratisch halte, nämlich Zwangsmitgliedschaft kombiniert mit Zwangsbeiträgen und politischem Mandat.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ist es! – Zuruf des Abg. Johannes Stober SPD)

Das wäre so, als wenn Sie alle Mitarbeiter eines Unterneh mens zwangsweise verpflichteten, in eine Gewerkschaft ein zutreten.