Protocol of the Session on December 16, 2010

Ich weiß gar nicht, warum Sie sich dabei einen solchen Za cken aus der Krone zu brechen meinen.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Helen Heberer SPD: So ist es!)

Ich weiß wirklich nicht, wovor CDU und FDP/DVP bei die sem Punkt Angst haben. Immer dann, wenn es um Beteiligung geht, so wie heute Morgen beim Thema „Direkte Demokra tie“ – –

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Wir fürchten Gott und sonst nichts auf der Welt!)

Ich bin keine Studentin mehr. Vor mir brauchen Sie keine Angst zu haben.

Immer dann, wenn es um das Thema Beteiligung geht, wie heute Morgen beim Thema „Direkte Demokratie“, suchen Sie nach schönen Worten und nach freundlichen Gesten. Sie sig nalisieren: „Lassen Sie uns im nächsten Jahr einmal ganz in tensiv darüber reden. Lassen Sie uns in der nächsten Legisla turperiode eine Enquetekommission einrichten.“ Sobald ein konkreter Vorschlag auf dem Tisch liegt, finden Sie eine Aus rede, warum mehr studentische Mitsprache jetzt noch nicht geht.

Mit dem Gesetzentwurf, den wir heute vorlegen, machen wir wieder einmal ein konkretes, ein einfaches, ein kurzes, ein leicht verständliches und ein seit Jahren diskutiertes Angebot, wie die Verfasste Studierendenschaft wieder eingeführt wer den kann. Wir wissen, dass dieses Modell von den Studieren den akzeptiert und gewollt wird. Wir wissen, dass selbst die Hochschulleitungen keine Probleme damit haben, wenn es die Verfasste Studierendenschaft wieder gibt. Es liegt also nur noch an Ihnen, sich einen Ruck zu geben und Ja dazu zu sa gen.

Wir haben von Ihrer Seite über Jahre hinweg gehört, Hoch schulen seien keine demokratischen Spielwiesen. Ich finde, dieser Satz ist beschämend. Wir sollten für studentisches En gagement werben. Wir wissen, dass wir junge Menschen brau chen, die sich für das Gemeinwohl engagieren, die sich für ih re eigenen Belange interessieren, die sich zusammentun und die in die Lage versetzt werden, gemeinsam zu handeln. Auch das gehört zu dem Ziel einer guten Hochschulausbildung, nämlich junge Menschen nicht nur dazu in die Lage zu ver setzen, dass sie – –

(Lebhafte Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, die Unterhaltungen draußen zu führen. Einige Damen und Herren haben sehr laute Stimmen. Dies stört dann vor allem auch den Stenografischen Dienst.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU, der SPD und der Grünen sowie auf der Zuhörertribüne – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Danke, Frau Präsidentin! – Gegen ruf der Abg. Ursula Haußmann SPD: Sie hat dich ge meint!)

Ich war bei der Bologna-Re form. Das Ziel der Bologna-Reform ist es nicht nur, junge Menschen durch ihr Studium zu befähigen, auf dem Arbeits markt eine gute Arbeit zu finden und beschäftigungsfähig zu sein, sondern das Ziel der Bologna-Reform ist es auch, die Menschen zu befähigen, als mündige Bürger verantwortungs voll zu handeln und Probleme lösen zu können.

(Beifall der Abg. Renate Rastätter GRÜNE – Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: Das ist richtig!)

Das muss man durch Handeln erreichen und nicht durch Pre digen. Deswegen müssen Studierende in unseren Hochschu len das demokratische Recht erhalten, sich zu organisieren, die Form ihrer Zusammenarbeit zu regeln, Finanzautonomie zu bekommen, damit sie geregelt eingreifen können. Um nicht mehr und nicht weniger bitten wir hier. Eigentlich ist es eine Selbstverständlichkeit, dass Sie sich endlich diesen Ruck ge ben und in Baden-Württemberg normale Verhältnisse herstel len.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Heute steht in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ein be merkenswerter Artikel zum Thema „Studentische Mitbestim mung“. Darin heißt es, dass die Landesregierung bereit sei, sich zu bewegen. Dieser Artikel hat eine sehr bemerkenswer te Überschrift. Ich lese ihn zu diesem Thema nicht zum ers ten Mal. Der Slogan der Landesregierung zu diesem Thema heißt ja: Wer zahlt, soll auch mitbestimmen dürfen.

(Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: Ja!)

Was ist denn das für eine Idee? Was hat denn Mitbestimmung, was hat denn Demokratie mit dem Zahlen zu tun? Heißt das: Die Freigestellten dürfen nicht mitreden?

(Zuruf des Abg. Johannes Stober SPD)

Was soll das denn für ein Konstrukt sein? Es geht doch um Bürgergesellschaft, um Demokratie. Dabei gehört Mitbestim mung zu den Grundrechten eines jeden Menschen, egal, ob er zahlt, ob er viel oder wenig zahlt.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Deswegen erwarten wir von Ihnen das schlichte und einfache Bekenntnis zu demokratischen Verhältnissen in den Hoch schulen. Es wird für die Studierenden ein gutes Signal dafür sein, dass sie als erwachsene Menschen, als aktive Bürgerin nen und Bürger gewollt sind. Es wird sicher auch ein gutes Signal zur Verbesserung der Bologna-Reform sein. Wir wis sen, dass die Fehler der ersten Jahrgänge zu einem guten Teil damit zu tun haben, dass man in den Hochschulen nicht mit den Studierenden, sondern über ihre Köpfe hinweg geredet hat.

Wenn man also Studierende in den Mittelpunkt des Studiums stellen will – auch das ist ein Anspruch von Bologna –, wird das nicht zu haben sein, ohne dass Studierende über ernsthaf te Mitspracherechte und das Recht, sich zu organisieren, ver fügen.

Wir schauen mit Interesse darauf, wie Sie versuchen, im Um gang mit Studierenden auf eine freundlichere Tonlage umzu stellen. Jetzt stellen Sie in Aussicht, dass Sie sich selbst ver pflichten möchten, in der nächsten Legislaturperiode gesetz liche Grundlagen zu schaffen, damit mehr Mitbestimmung möglich ist. Sie haben uns das im Wissenschaftsausschuss so erklärt: Man habe diesbezüglich Überlegungen, aber es sei zu spät, um in dieser Legislaturperiode noch etwas zu machen.

Wir aber glauben: Es ist nicht zu spät, jetzt zu handeln. Statt dessen ist die Einsicht in die Notwendigkeit, zu handeln, viel zu spät gekommen; man hat das viel zu lange liegen gelassen. Deswegen zeigen wir Ihnen mit dem vorliegenden Gesetzent

wurf: Wir schaffen es bei entsprechend gutem Willen auch von Ihrer Seite noch in dieser Legislaturperiode – heute ist die Erste Beratung des Gesetzentwurfs –, bis Februar, also bis zum Ende des laufenden Semesters, ein Gesetz zu beschlie ßen. Es wäre ein hervorragendes Signal auch in Richtung Landtagswahl, ein gemeinsames Bekenntnis abzugeben: „Stu dierende sind erwachsene Menschen. Wir wollen, dass sie mit reden.“

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Schüle für die Fraktion der CDU.

(Abg. Walter Krögner SPD: Jetzt aber!)

Frau Präsidentin, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Die Verfasste Studierendenschaft ist vor über 30 Jahren aus Sachgründen abgeschafft worden, weil sie sich nicht bewährt hat. Auf der einen Seite gab es Zwangsbei träge für alle Studierenden und eine katastrophale Wahlbetei ligung, auf der anderen Seite prägten extremistische, demo kratiefeindliche Resolutionen die Aktionen der verbleibenden Funktionäre.

(Abg. Reinhold Pix GRÜNE: RCDS!)

Grüne und SPD haben auch heute keine neuen Argumente vor gebracht, die sich ernsthaft mit den Ursachen des Scheiterns der Verfassten Studierendenschaft auseinandergesetzt haben. Das ist der erste Punkt.

Zweitens: Genauso wenig sachbezogen ist auch der Hinweis von SPD und Grünen – er wurde jetzt nicht vorgetragen, ist aber in der Begründung des Gesetzentwurfs zu lesen –, dass in Bundesländern mit Verfasster Studierendenschaft die Mit wirkungsmöglichkeiten durch sie verbessert werden. Wenn man genau hinschaut, erkennt man in den anderen Bundes ländern eine weitgehende Trennung: Die Verfasste Studieren denschaft ist das eine, während die materiellen, die eigentli chen Mitwirkungsmöglichkeiten der Studierenden in den ei gentlichen Gesetzen – vergleichbar mit der Situation in Ba den-Württemberg – geregelt werden.

Drittens: Auch unabhängig davon ist das von Ihnen vorgetra gene Konzept der Verfassten Studierendenschaft nicht über zeugend:

Erstens besteht die Idee der Universität in der Einheit der Leh renden und der Studierenden – also alle gemeinsam.

(Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: Richtig!)

Deswegen ist überhaupt nicht einzusehen, dass nur für einen Teil – für die Studierenden – eine Körperschaft gebildet wer den soll. Wo bleibt der Mittelbau? Das sind viele Tausende an unseren Hochschulen. Wo bleiben die Lehrenden? Hierzu gibt es von Ihnen keine Antwort.

Zweitens: Sie schlagen vor – das Recht ist in der Satzung ent halten –, Zwangsbeiträge für alle zu erheben. Mit welchem Recht? Warum auf der Zwangsebene?

(Abg. Johannes Stober SPD: Dann soll man den Stu dentenwerksbeitrag abschaffen?)

Das haben Sie überhaupt nicht erwähnt. Sie haben aber auch keine Gründe vorgetragen.

Drittens: das allgemeinpolitische Mandat. Wir glauben, von der Sache her ist es richtig, dass man sich an der Hochschule mit Studierendenfragen, mit Fragen der Hochschule ausein andersetzt. Was Fragen der Allgemeinpolitik und der Gesell schaftspolitik betrifft, hat jeder die Möglichkeit, sich über In itiativen, in Parteien, in Jugendorganisationen, wo auch im mer zu engagieren. Das ist aus unserer Sicht etwas ganz Selbstverständliches.

Viertens: Sie sagen auch in Ihrem 100-Tage-Programm, das Sie vorgestellt haben: Dass die Verfasste Studierendenschaft nicht bestehe, würde mit begründen, dass wir in Baden-Würt temberg studierunfreundlich wären. Fakt ist aber, dass in Ba den-Württemberg die Studierendenzahl ständig steigt und Ba den-Württemberg im Vergleich zu allen anderen Bundeslän dern überdurchschnittlich viele Studierende hat. Das liegt maßgeblich an der Qualität unserer Hochschulen. Aber dazu gehören auch die schon jetzt bestehenden guten Mitwirkungs möglichkeiten und Mitbestimmungsmöglichkeiten unserer Studierenden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: So ist es!)

Wir haben bei der Mitwirkung die studentischen Mitglieder im Senat und im Fakultätsrat. Das wissen Sie. Bei den Orga nen der Studierenden haben wir die Fachschaften und auf der Hochschulebene die Allgemeinen Studierendenausschüsse, die ASten. Aufgrund der Praxis können wir feststellen, dass dies vor Ort funktioniert, dass es angenommen wird und zu sachgerechten Ergebnissen führt.

Jetzt, einige Semester nach der Einführung der Studiengebüh ren, halten wir allerdings den Zeitpunkt für gekommen, bei den fakultätsübergreifenden Strukturen eine Weiterentwick lung vorzunehmen. Ich vermute auch, dass der Gesetzentwurf von Ihnen heute eine Reaktion auf unsere Überlegungen ist. Wir werden in der nächsten Legislaturperiode einen Gesetz entwurf hierzu erarbeiten, und zwar mit der notwendigen Ru he und Sorgfalt.

Unsere Grundsatzidee ist, dass wir auf Hochschulebene ein zentrales Mitbestimmungsorgan schaffen. Es geht da ganz konkret um Themen wie die Verwendung von Studiengebüh ren, die Abfassung von Prüfungs- und Studienordnungen und um alle fakultätsübergreifenden studentischen Fragen zu Stu dium und Hochschule, nicht jedoch um allgemeine Politik. Das ist aus unserer Sicht sachbezogen und dient der bewähr ten guten Fortentwicklung unserer Hochschulen, die auch we gen der Mitbestimmungsmöglichkeiten an der Spitze in Deutschland liegen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Bravo!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Kleinmann für die Fraktion der FDP/DVP.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Verehrte Kollegin Bauer, zunächst ein mal: Der Gegensatz zwischen Tun und Predigen ist keines falls ein notwendiger Gegensatz. Wenn Sie den Gegensatz zwischen Tun und Reden – weil man schließlich auch etwas zerreden kann – darstellen wollen,