Protocol of the Session on December 15, 2010

möglicherweise in China –, oder wollen wir eine andere Re gelung? Ich sage Ihnen ganz eindeutig: Lieber Stadtwerke als Staatskonzerne.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP)

An dieser Stelle, meine Damen und Herren, gilt auch nicht die reine Lehre vom freien Markt. Wir haben nämlich keinen frei en Markt auf dem Energiesektor, sondern ein Oligopol.

(Beifall des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: So ist es!)

Bei einem solchen Oligopol ist die Ordnungspolitik gefordert.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Um Gottes willen!)

Da ist die Ordnungspolitik gefordert. Wenn Sie das nämlich bestreiten, Herr Kollege Gall, dann brauchen Sie keine Kar tellgesetzgebung; dann können Sie sagen: Der Markt soll al les richten,

(Abg. Reinhold Gall SPD: Das ist doch Ihre Mei nung! Das ist doch Ihre These! – Gegenruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Nein, nein!)

wir akzeptieren jedes Monopol, wir akzeptieren jedes Oligo pol. – Nein, das ist nicht unsere These. Wir sind für Ordnungs politik.

(Zuruf des Abg. Reinhold Gall SPD)

Wir sind dafür, dass der Staat Monopole nicht akzeptiert und dass er Oligopole, wenn möglich, auflöst. Deshalb ist es auch richtig, dieses Aktienpaket zu übernehmen und das Ziel zu verfolgen, künftig mehr und nicht weniger Wettbewerb auf dem Energiesektor zu haben.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP zu SPD und Grünen: So ist es! Habt ihr es jetzt kapiert? – Gegen ruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Hoff nungslos!)

Dieses Geschäft wird für das Land Baden-Württemberg ab sehbar keine Risiken und Nachteile bringen. Im Moment ha

ben wir eine Dividendenstruktur mit Dividenden zwischen 3 % und 4 % und ein erwartbares Zinsniveau zwischen 2 % und 2,5 %. Kollege Hauk hat richtig gesagt: Es gibt natürlich die Möglichkeit, dass sich dies ändert. Ganz ohne Risiken geht so etwas nie. Aber Sie können eine zukunftsgerichtete Politik niemals ganz ohne Risiken machen. An dieser Stelle war es richtig, dieses relativ geringe und relativ überschaubare Risi ko einzugehen, weil das Geschäft nämlich zum Wohl des Lan des Baden-Württemberg ist. Zu diesem Thema hat man von Ihnen nichts gehört.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: So ist es!)

Für die FDP/DVP-Fraktion ist es elementar wichtig, dass sich das Land, dass sich die Politik aus der Geschäftspolitik her aushält. Deshalb wollen wir in einem überschaubaren Zeit raum auch wieder veräußern. Deshalb ist auch ein Börsengang für die FDP/DVP-Fraktion durchaus ein vorstellbarer Weg. Wir werden für den Fall der weiteren Regierungsbeteiligung nach der Landtagswahl auch im Koalitionsvertrag festschrei ben, dass dieses Aktienpaket nicht dauerhaft im Besitz des Landes Baden-Württemberg verbleibt.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Wir können uns – wie es der Ministerpräsident auch ausge führt hat – beispielsweise eine Beteiligung von Stadtwerkever bünden vorstellen.

(Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Die stehen ja Schlange, wie man hört!)

Es gibt solche Beispiele: Als sich die E.ON von der Thüga ge trennt hat, hat ein Stadtwerkeverbund die Thüga gekauft. Wa rum sollte es solche Möglichkeiten nicht auch bei der EnBW geben?

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Richtig! – Zurufe der Abg. Franz Untersteller und Theresia Bau er GRÜNE)

Beispielsweise Streubesitz: Es ist durchaus möglich, einen er heblichen Teil dieser Aktien über einen Börsengang oder wie auch immer in Streubesitz zu veräußern. Wir wollen beispiels weise auch innovative mittelständische Unternehmen, die die erneuerbaren Energien voranbringen, hieran beteiligen. Wir sind auf dem Weg ins Zeitalter der erneuerbaren Energien, aber nicht so ideologisch und nicht so überstürzt, wie Sie es tun, sondern mit einer realistischen Energiepolitik. Das braucht eine gewisse Zeit.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Von Ihrer Geschwindig keit wird einem schwindelig!)

Deshalb ist es notwendig, die Ausrichtung der EnBW im Lau fe der Zeit zu verändern. Wenn wir einen Beitrag dazu leis ten, dass wir letztlich mehr Wettbewerb und mehr Chancen für die erneuerbaren Energien haben, dann wird es ohnehin der richtige Weg sein, den wir hier an dieser Stelle einschla gen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: So ist es!)

Vor dem Hintergrund eines solchen Oligopols ist es die Auf gabe der Wirtschaftspolitik, ist es auch die Aufgabe einer ord nungspolitisch verstandenen Wirtschaftspolitik, sich einzu bringen, um mehr Wettbewerb auf dem Energiesektor zu schaffen und den Weg zu den erneuerbaren Energien zu eb nen.

Deshalb, meine Damen und Herren, rechtfertigt sich auch – auch für die FDP/DVP-Fraktion, auch für eine liberale Wirt schaftspolitik – dieser vorübergehende Einstieg des Landes bei der EnBW. Deshalb trägt ihn die FDP/DVP-Fraktion mit. Deshalb werden wir diesen Weg auch weiterhin begleiten.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das Wort erteile ich dem Herrn Mi nisterpräsidenten.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei der Frage, Herr Kretschmann und Herr Dr. Schmid,

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Wo? – Zuruf: Der ist im Wahlkampf! – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Wo ist er denn? Ist er bei S 21?)

was am Ende das Ausschlaggebende sein muss, ob man den Weg, den ich gegangen bin, geht oder nicht geht, darf immer nur die eine Frage gestellt werden – immer nur diese eine –: Was ist gut für das Land Baden-Württemberg?

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Ich habe meinen Amtseid auf das Wohl dieses Landes ge schworen.

(Zuruf von der SPD: Auch auf die Verfassung!)

Auch auf die Verfassung, ganz genau. Wenn es um das Wohl dieses Landes geht – ich will Ihnen einfach noch einmal den zeitlichen Ablauf darlegen –, kann es doch nicht wahr sein, dass Sie argumentieren: „Das hätte doch alles Zeit, das hätte man doch irgendwann im nächsten Jahr einmal gemütlich ma chen können“, so, als ob man solche Entwicklungen quasi ad personam beeinflussen könnte.

Was mich in den letzten Tagen im negativen Sinn am meisten beeindruckt hat, ist, wie wenig Ahnung von Wirtschafts- und Finanzpolitik in der Opposition des Landtags von BadenWürttemberg überhaupt noch vorhanden ist, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Das sagt der Richtige! – Weitere Zurufe von der SPD und den Grünen – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Schon dafür hat es sich ge lohnt!)

Herr Dr. Schmid, Sie haben gesagt, ich würde die Interessen anderer Leute vertreten. Ich sage Ihnen: Meine Aufgabe ist es, die Interessen der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes zu vertreten. Nur darum geht es.

(Zurufe von der SPD: Genau!)

Ich gebe offen zu, dass sich meine Meinung in den letzten Jah ren auch etwas verändert hat. Ich habe kein Problem, auch einmal selbstkritisch zu reflektieren, was man in der Vergan genheit vielleicht gedacht oder getan hat. Als ich jung im Ge meinderat war und die Zeit kam, in der gesagt wurde, die Was serversorgung, die Abwasserentsorgung usw. könne man al les privatisieren, habe ich auch – das gestehe ich zu – zu de nen gehört, die gesagt haben:

(Abg. Reinhold Gall SPD: Ich nicht! Ich noch nie!)

„Das hat eigentlich einen gewissen Reiz. Dann kann man mit den Mitteln doch auch etwas anderes machen. Könnte man das nicht viel günstiger machen?“ Ich sage Ihnen ganz offen: Mehr denn je – mehr denn je! – bin ich der fundamentalen Überzeugung, dass die riesige Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land will, dass die Grundbedürfnisse des öffentlichen Lebens – dazu zähle ich die Wasserversorgung, die Abwasserentsorgung, den Energiebereich, dazu zähle ich ohnehin die innere Sicherheit, dazu zähle ich in Teilen den öf fentlichen Personennahverkehr –

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Wohnungs bau!)

vom Staat geregelt werden und die entsprechenden Einrich tungen in manchen Fällen vielleicht sogar vom Staat als Ei gentümer betrieben werden. Da habe ich meine Meinung ge wechselt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/DVP – Zurufe von der SPD und den Grünen, u. a. Abg. Claus Schmiedel SPD: Willkommen im Klub! Die Gegner sind dort! Rülke heißt er! – Gegenruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Hört doch erst mal zu!)

Langsam, langsam! Der große Unterschied zwischen uns ist,

(Zuruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP)

dass ich auch einmal selbstkritisch reflektieren kann, was ich vor zehn oder vor 20 Jahren vielleicht gedacht und gemacht habe.

(Zurufe von der SPD und den Grünen, u. a. der Abg. Dr. Gisela Splett GRÜNE – Glocke des Präsidenten)

Aber Sie sind noch nicht einmal in der Lage, zu erklären, was Sie vor fünf Tagen gedacht und erklärt haben, weil Sie heute genau das Gegenteil machen.