Protocol of the Session on December 15, 2010

Herr Präsident, mei ne Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, Sie haben mit dem Notbewilligungsrecht des Artikels 81 unserer Landesver fassung, der außerplanmäßige Ausgaben bei unabweisbaren und unvorhergesehenen Bedürfnissen rechtfertigt, den Land tag in einer Weise an die Wand gespielt,

(Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Unanständig!)

wie es noch nie in der Geschichte dieses Landes passiert ist.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Oh-Rufe von der CDU)

Am Montag vor einer Woche haben Sie für 4,67 Milliarden € der EdF die EnBW-Aktien abgekauft und dem Land eine Haf tung von fast 6 Milliarden € aufgebürdet. Jetzt ist zu fragen: Was ist mit diesem Notbewilligungsrecht? Haben Sie dieses Recht zu Recht in Anspruch genommen?

Erstens: Warum gerade jetzt? Sie haben argumentiert, es ge be eine Eilbedürftigkeit. Der Konsortialvertrag zwischen der EdF und den OEW läuft noch über ein Jahr.

(Abg. Peter Hauk CDU: Aber der Kapitalmarkt än dert sich, Herr Kollege! – Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Es geht um den Kapitalmarkt!)

Wenn die EdF tatsächlich eilig verkaufen wollte, hätten die OEW ein Vorkaufsrecht gehabt.

(Beifall bei den Grünen)

Sie, Herr Mappus, haben den Ablauf selbst angegeben. Noch am letzten Montag haben Sie damit geprahlt, Sie seien „pro

aktiv“ geworden – zu Deutsch: Sie haben das ganze Spiel an gefangen; Sie waren das.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Ihre These der Eilbedürftigkeit ist deshalb durch nichts belegt. Es ist eine reine Schutzbehauptung. Die „Eilbedürftigkeit“ hat ein Datum, nämlich den 27. März. Vor der Landtagswahl wol len Sie sich offenbar als starker Macher präsentieren. Das ist der einzige Grund dafür.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Reinhold Gall SPD: Wie in anderen Fällen auch! – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Nein, wir wollen dem Land die nen! – Zuruf des Abg. Albrecht Fischer CDU)

Zweitens haben Sie gesagt, das sei deswegen so wichtig, weil eine ausländische Übernahme drohte.

(Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Der Mongolen!)

Sie sagen, es wäre für Sie nicht vorstellbar, wenn in ausländi schen Konzernzentralen darüber entschieden würde, was hier geschieht. Das finde ich bemerkenswert; schließlich hatte ein ausländischer Konzern schon bisher 45 % der Anteile.

(Abg. Andrea Krueger CDU: Aber keine Mehrheit!)

Die Mehrheit hat er nicht bekommen. Es war gerade Ihr Ar gument, dass er deswegen die Aktien abgestoßen habe. Eben das war Ihr Argument – das allerdings, wie wir sehen werden, auch nicht belastbar ist.

(Lachen bei Abgeordneten der CDU)

Weiter behaupten Sie sogar, es wäre erforderlich gewesen

(Abg. Peter Hauk CDU: Es ist immer schlecht, wenn man gegen seine Überzeugung redet!)

mit – wörtlich – „dem Blick nach Osten“. Jetzt wird mit einer „Russenangst“ gespielt.

(Heiterkeit bei den Grünen – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Quatsch! – Abg. Wolfgang Drexler SPD: „Der Russe kommt“! Siebzigerjahre! Gazprom! – Zuruf von der CDU: Wo steht das?)

Das steht in Ihrer Regierungserklärung: „im Osten“.

(Abg. Peter Hauk CDU: Das hat er gar nicht gesagt! Herr Kollege Kretschmann, es gilt das gesprochene Wort!)

Damit haben Sie auch gespielt. Auch die Behauptung, es sei en Investoren aus dem Osten gekommen, um etwas zu über nehmen, ist durch nichts, durch gar nichts belegt. Es ist eine reine Schutzbehauptung.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Dr. Diet rich Birk CDU: Das hat er gar nicht gesagt! Sie zitie ren aus der falschen Rede!)

Im Übrigen halten baden-württembergische Kommunalver bände 8 % der EnBW-Aktien.

(Abg. Peter Hauk CDU: Das stimmt gar nicht! 6 %!)

Es wäre ein Leichtes gewesen, denen ein gutes Angebot zu machen. Dann hätten Sie zusammen mit den OEW eine Mehr heit gehabt.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: So ist es! – Abg. Rein hold Gall SPD: Ganz einfach!)

Das hätte Millionenbeträge erfordert und keine Bürgschaft über 6 Milliarden €.

(Beifall bei den Grünen)

Also ist es eine reine Schutzbehauptung, dass die Gefahr ei ner ausländischen Übernahme bestanden hätte; das ist durch nichts von Ihnen belegt.

Drittens: Die EnBW müsste ein gut aufgestelltes Unterneh men sein, wenn die Gefahr von Übernahmen so groß wäre.

(Zuruf: Das ist sie auch!)

Aber das ist die EnBW nicht. Sie ist ein schlecht aufgestell tes Unternehmen.

(Oh-Rufe von der CDU – Lachen bei Abgeordneten der CDU)

Sie hat spezifische Probleme am Gasmarkt; das ist bekannt. Sie hat sich bei der EWE eingekauft, um Zugang zur VNG zu bekommen, die den ostdeutschen Gasmarkt beherrscht, und ist gescheitert.

(Abg. Peter Hauk CDU: VEW! – Abg. Dr. Hans-Ul rich Rülke FDP/DVP: Und sie hat „böse“ Kernkraft werke! – Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Peinlich, pein lich!)

Kein anderer Energieversorger ist so abhängig von Atomkraft.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Jetzt aber! – Zuruf von der CDU: Jetzt kommen wir dazu!)

Das heißt, es ist für die Stadtwerke und andere Unternehmen, die einen innovativen Weg eingeschlagen haben, erst einmal völlig unattraktiv, in dieses Unternehmen einzusteigen.

(Beifall bei den Grünen – Lachen bei der CDU – Abg. Peter Hauk CDU: Das ist ja hochinteressant! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Hochinteressant!)

Und es ist klar: Durch die Kernbrennstoffsteuer ist dieses Un ternehmen in den nächsten Jahren belastet.

(Abg. Peter Hauk CDU: Jetzt endlich sagen Sie es! – Weitere Zurufe von der CDU)

Haargenau in den fünf Jahren, in denen Sie die Aktien wieder abstoßen wollen und andere Investoren finden wollen, die ein steigen, genau in diesem Zeitraum ist es durch die Kernbrenn stoffsteuer belastet,

(Zuruf von der CDU: Hört, hört!)

und erst danach, wenn Sie es auslaufen lassen wollen, wird es nämlich attraktiv. Also genau nach dem Zeitraum, nach dem Sie verkaufen wollen.

(Beifall bei den Grünen)