Protocol of the Session on November 25, 2010

(Widerspruch bei Abgeordneten der SPD – Abg. Jo hannes Stober SPD: Nein!)

Den Bachelorabschluss entwerten Sie, weil Sie mit einem Au tomatismus ohne besondere Leistung in Richtung Master praktisch suggerieren, dass ein Bachelorabschluss nicht rei che. Den Masterabschluss entwerten Sie, weil er keine beson dere wissenschaftliche Qualifikation voraussetzt. Genau das wollen Sie ändern. Eine solche Änderung würde praktisch nur zu einer Verlängerung der Studienzeit führen. Genau das ha ben die Rektoren der Hochschulen für angewandte Wissen schaften in Baden-Württemberg zu Recht kritisiert. Sie haben davon gesprochen, dass dieses System mit einer Umsetzung Ihres Gesetzentwurfs ad absurdum geführt würde.

Zweitens: Selbst wenn man all diese Erwägungen einmal bei seitelässt: Auch Ihre zweite Behauptung, der Bachelor sei in der Wirtschaft nicht angekommen, entspricht schlicht nicht der Realität.

(Abg. Johannes Stober SPD: Lesen Sie doch einmal die Studien durch!)

Ich zitiere aus einem Artikel der „Stuttgarter Zeitung“ vom 18. November. Die Überschrift lautet: „Arbeitgeber... lehnen den SPD-Vorschlag... ab“. Danach sagt der Geschäftsführer Bildungspolitik der Landesvereinigung Baden-Württember gischer Arbeitgeberverbände, Herr Küpper:

Die Behauptung, der Berufseinstieg mit dem Bachelorab schluss sei äußerst schwierig, entbehrt jeder Grundlage.

Genau das bestätigen auch repräsentative Untersuchungen, insbesondere die Untersuchung des Internationalen Zentrums für Hochschulforschung an der Universität Kassel. Kernaus sage: Anderthalb Jahre nach der Einführung von Bachelor und Master haben 85 % der Bachelorabsolventen eine Vollzeitstel le, 57 % davon unbefristet.

(Abg. Johannes Stober SPD: Das hängt doch damit zusammen, dass Bachelorabsolventen noch gar nicht den Abschluss an der Uni haben!)

Das sind genauso viele wie vorher – mit steigender Tendenz.

Drittens, Herr Kollege Stober: Man kann lange reden und ar gumentieren. Aber die Fakten sind am Ende immer entschei dend. Schauen wir uns doch die Entwicklung der Studieren denzahlen in Baden-Württemberg an. Sie haben die Studien gebühren noch einmal kritisiert. Obwohl wir Studiengebüh ren eingeführt haben, kommen immer mehr Studierende nach Baden-Württemberg. Wir haben bei uns im Land einen über durchschnittlich hohen Anstieg der Zahl der Studierenden im Vergleich zu allen anderen Bundesländern.

Deswegen will ich festhalten: Es gibt keinen einzigen sachli chen Grund, diesen Gesetzentwurf anzunehmen.

(Beifall des Abg. Albrecht Fischer CDU)

Bleibt der zweite Punkt: Auslandsaufenthalt. Auch da wäre es sinnvoll, wenn die SPD zunächst einmal die Realität zur Kenntnis nehmen würde. Wir hatten in den vergangenen an derthalb Jahren einen Anstieg der Zahl der Auslandsaufent halte um 50 %. Mehr als ein Viertel der Bachelor- und Mas terabsolventen führen einen Auslandsaufenthalt durch. Des wegen wäre es nicht richtig, an dieser Stelle das Rad zurück zudrehen. Dies würde nur zu mehr Bürokratie und zu weni ger Freiwilligkeit führen.

Wir setzen weiterhin auf das Vertrauen zu den Hochschulen – intensiv begleitet durch das Ministerium. Bei der Umstel lung auf Bachelor und Master sind wir führend, was Ge schwindigkeit und Qualität betrifft. Die Studierendenzahlen zeigen: Der Bachelor ist in der Wirtschaft angekommen. Das ist gut so, und dabei bleiben wir.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Das Wort erhält Frau Abg. Bauer für die Fraktion GRÜNE.

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Das Thema Bologna ist ein weites Feld, und die Redezeit ist kurz. Deswegen habe ich mir über legt: Ich greife einen Aspekt heraus. Ich rede heute nur über das Thema „Zugang zum Masterstudium“. Der Gesetzentwurf der SPD-Fraktion bezieht sich auch im Wesentlichen darauf.

In der Tat ist das ein Thema, das über die Sommerferien hin weg auch wieder die meisten Schlagzeilen gemacht hat. Man hatte den Eindruck: Bologna ist wieder einmal im Gespräch – und immer mit Negativschlagzeilen. Zuerst wird über das „Bachelorchaos“ diskutiert, und jetzt kommt die zweite Wel le dazu, der Master, das Desaster.

Es lohnt sich schon, einmal zu schauen: Stimmt das? Droht hier ein weiteres Problem bei der Umsetzung der BolognaReform? Oder ist das alles nur Panikmache, wie die Landes regierung vor Kurzem in der Presse mitteilen ließ?

Ich glaube, es kommt ganz darauf an, was eine Landesregie rung daraus macht. Wenn sie nicht eingreift, droht in der Tat ein weiteres Desaster. Denn wer hier nicht begleitet und in terveniert, wird zulassen, dass das Masterstudium zum Nadel öhr wird. Das wird die gesamte Bologna-Reform bedrohen.

Wir müssen dafür Sorge tragen, dass es ausreichend Master studienplätze gibt, und wir müssen dafür Sorge tragen, dass die Voraussetzungen für den Zugang zum Masterstudium nicht unnötig hochgeschraubt sind.

Das Problem ist – die Studierenden beschreiben es häufig; die Professorinnen und Professoren übrigens auch –: Zwei Drit tel der Studierenden, die ein Bachelorstudium aufnehmen, wollen weiterstudieren. Aber sie absolvieren ihr Bachelorstu dium mit einigen Unsicherheiten: Sie wissen nicht, ob sie ei nen Platz erhalten. Sie wissen nicht, ob ihre Noten ausreichen, um einen Platz zu bekommen. Es ist auch sehr schwer, einen Überblick zu erhalten, welche Voraussetzungen zu erfüllen sind.

Genau diese Angst, dieses Nichtwissen, wie groß die Konkur renz ist oder wie knapp die Plätze sind, diese Sorge führt da zu, dass die Studierenden schon ab dem ersten Semester wie in einem Hamsterrad um die besten Noten laufen. Der Prü fungs- und Notendruck, der vielfach beschrieben und von den Studierenden beklagt wurde, geht nicht nur darauf zurück, dass es zu viele Prüfungen sind. Er geht ganz wesentlich auch darauf zurück, dass die Studierenden den Eindruck haben, sie müssten von Anfang an Einsernoten erzielen, weil es sein könnte, dass sie sich andernfalls den Weg zum Master zuna geln. Diese Angst muss man den Studierenden nehmen, in dem man beim Thema „Zugang zum Masterstudium“ Verbes serungen und Veränderungen vornimmt.

Gute Bachelorstudierende sind eben nicht diejenigen, die von Anfang an immer nur auf Bestnoten schielen, sondern die, die vielleicht auch ein bisschen über die Gelassenheit verfügen, um einmal eigenständiges Denken auszuprobieren, kritisch zu reflektieren, und damit mehr im Kopf haben als nur die nächs te Klausurnote. Deswegen kann man es nicht bei einem Be schwichtigen belassen und sagen, wir hätten im Moment noch genügend Plätze.

Es stimmt, dass wir noch keinen Mangel an Masterstudien plätzen haben. Aber wir wissen genauso: Im nächsten Jahr wird es anders aussehen, und im übernächsten Jahr wird es noch schwieriger, denn die starken Jahrgänge der Bachelor studierenden werden erst jetzt mit dem Studium fertig. Hier im Hause wissen wir alle auch, dass es für die Masterstudien plätze keinen Ausbauplan 2012 gibt. Der Ausbauplan bezieht sich auf die Bachelorstudiengänge, womit wir in den nächs ten zwei Jahren noch genügend zu tun haben.

Das Problem wird verstärkt durch den Wegfall der Wehrpflicht und des Zivildienstes. Dadurch haben wir im nächsten Jahr noch einmal eine Herausforderung zu stemmen, was den Aus bau betrifft. Gleichzeitig kommt das Problem hinzu, dass wir im Masterbereich zulegen müssen. Zumindest steht im Haus halt nichts über das Thema „Wehrpflicht und Ausbau der Mas terstudienplätze“.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Grüne für mehr Aus landseinsätze, dann sind die jungen Leute „aufge räumt“!)

Wir haben dafür zu sorgen, dass unsere heutigen Studieren den mit Zuversicht und Gelassenheit studieren können und wirklich die freie Wahl haben, so sie willig und fähig sind, ein Masterstudium anzugehen.

(Beifall bei den Grünen)

In der Zeitung habe ich relativ schrille Aussagen von der SPD gelesen, aber vom Kollegen Stober heute nichts Entsprechen des gehört. Es war zu lesen, dass die SPD jedem Studieren den einen Masterstudienplatz garantieren will, das Recht auf einen Masterstudienplatz für alle.

(Abg. Johannes Stober SPD: Das hat die SPD nie ge sagt! – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Die SPD redet viel, wenn der Tag lang ist!)

Das kann gut sein. Wir kennen die Presse und wissen, dass einiges manchmal ein bisschen überspitzt ankommt.

Ich wollte hier einfach klarstellen: Ich glaube, dass die For derung nach einem garantierten Masterstudienplatz für alle ein Fehler ist. Das schwächt den Master- und auch den Ba chelorabschluss, weil dadurch suggeriert wird, dass das Ba chelorstudium per se eines ist, das nicht viel taugt. Wer das Bachelorstudium reformieren und verbessern will, muss da für sorgen, dass es länger dauert und besser absolvierbar ist. Aber man kann das Bachelorstudium nicht dadurch verbes sern, dass man allen Absolventen ermöglicht, ein Masterstu dium anzuhängen. Aber das haben Sie, Herr Stober, heute auch nicht gesagt, weswegen wir das nicht weiter ausformu lieren müssen.

Wichtig ist es, dass unnötige Zugangshürden abgeschafft wer den. Die Landesregierung macht sich da, sagen wir einmal, einen schlanken Fuß. Nach dem Landeshochschulgesetz sind die Hochschulen selbst für den Zugang zuständig. Sie müs sen in ihren Satzungen regeln, welche Qualifikationsvoraus setzungen zu erfüllen sind. Festzulegen ist – wie es in einem Halbsatz im Gesetz heißt – „insbesondere das Erfordernis überdurchschnittlicher Prüfungsergebnisse“.

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Leistung ist schlimm!)

Das suggeriert, dass wir gestatten, dass weniger als die Hälf te der Bachelorabsolventen zu einem Masterstudiengang zu gelassen werden können. Überdurchschnittlich bedeutet ja, dass die andere Hälfte schon gar nicht anzutreten braucht. Das macht keinen Sinn, erst recht dann nicht, wenn man auf der anderen Seite sagt: Jeder, der geeignet und willig ist, soll stu dieren können. Es kann nicht sein, dass das per se nur die ei ne Hälfte ist. Es kann gut sein, dass es andere auch sind.

Wir wollen die Zugangsvoraussetzungen nur entlang des kla ren Kriteriums der fachlichen Eignung. Deshalb ist das Erfor dernis eines überdurchschnittlichen Prüfungsabschlusses ver kehrt. Wir erwarten, dass dieses Erfordernis aus dem Hoch schulgesetz gestrichen wird.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Glocke der Präsidentin)

Frau Abgeordnete, bitte kommen Sie zum Ende.

Wir müssen ein gemeinsa mes Interesse daran haben, dass das Masterstudium in den nächsten Jahren nicht zum Nadelöhr wird und die Masterstu dienplätze bedarfsgerecht ausgebaut werden. Die Zugangs hürden, die überflüssig sind, müssen abgebaut werden, sodass lediglich das Kriterium der fachlichen Eignung für den Zu gang zu einem Masterstudium ausschlaggebend ist. Hinter Zu gangsvoraussetzungen darf sich nicht verbergen, dass in Wirk lichkeit die Knappheit verwaltet wird. Das sind wir alle ge meinsam dem Ziel einer guten Bologna-Reform schuldig.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Bachmann für die Fraktion der FDP/DVP.

Verehrte Frau Präsi dentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Baden-Württemberg

ist das Land der Tüftler und Bastler. Aber wo wird die Bil dungspolitik gestaltet? PISA, Bologna und, wenn es so wei tergeht, vielleicht Palermo.

(Vereinzelt Heiterkeit – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP und Abg. Georg Nelius SPD: Canossa!)

Auch. – Im Mittelalter sind die deutschen Kaiser oft über die Alpen nach Süden gezogen. Was hat es genutzt? Gar nichts. Ich frage einmal: Was bringen eigentlich die Züge der deutschen Bildungspolitiker über die Alpen?

(Vereinzelt Heiterkeit)

Aber was soll man machen? Wenn die Karawanen zurück kommen, bringen sie immer irgendetwas Neues mit. Es ist auch nicht so, dass ich Frau Bulmahn, die uns in Bologna ver treten hat, den Chianti nicht gönnen würde.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Oje! Was lässt der für einen Käse heraus!)