Protocol of the Session on November 25, 2010

Die gesamten 30 % haben das Zeug zu guten Fachkräften.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Keine Ahnung! Uner träglich! – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Halten Sie Hauptschüler für Menschen zweiter oder gar drit ter Klasse, Herr Kollege?)

Hören Sie bitte noch etwas zu, Herr Kollege Rüeck.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Im Moment herrscht hier Fachkräftemangel am Rednerpult!)

Wesentlicher Grund für die hohen Qualifikationen in Skandi navien – das schreibt der Innovationsrat in seiner Abschluss dokumentation – sei

ein vergleichsweise egalitäres Bildungssystem,

(Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Hört, hört!)

dem es gelingt, durch gezielte Förderung... selbst Kinder mit ungünstigen sozialen Voraussetzungen zur Hochschul reife zu bringen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Das steht nicht im Kapitel „Bildung“, sondern im Kapitel „Fachkräftemangel“.

(Zuruf des Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU)

Wir müssten also viel mehr tun, und wir könnten auch viel mehr tun, denn Verbesserungen in der Kinderbetreuung oder im Bildungssystem haben wir in Baden-Württemberg in der Hand.

(Zuruf von der CDU: Das machen wir doch!)

Deswegen brauchen wir nicht in banger Hoffnung als Patent rezept allein auf den Import ausländischer Fachleute zu set zen. Natürlich brauchen wir auch ausländische Fachleute; aber wir müssen sie mit besseren Methoden gewinnen.

Wir brauchen Folgendes:

Erstens: Wir brauchen eine bessere Bildung und Fortbildung für unseren Nachwuchs. Sie kommen den Migranten, unseren eigenen Kindern und den Berufstätigen zugute.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Zweitens: Wir brauchen bessere Bedingungen für Frauen, da mit sie ihre Qualifikationen im Arbeitsmarkt auch entfalten können. Das ist heute nicht in genügender Weise möglich.

Drittens: Wir brauchen so gestaltete Arbeitsbedingungen – da ist auch die Wirtschaft gefordert –, dass wir die Abwanderung von deutschen Fachkräften und von integrierten Ausländern, die teilweise wieder ins Ausland gehen, wenigstens mildern können.

Viertens: Wir brauchen bei uns eine gerechtere Anerkennung von Qualifikationen, die Ausländer im Ausland erworben ha ben.

Schließlich müssen wir die Einwanderung von Fachkräften erleichtern, wobei Modelle wie in Kanada oder in Australien

auch in Dänemark – ernsthaft geprüft werden sollten. Wir halten solche Modelle für grundsätzlich sinnvoll und gut.

Wenn man ein solches Punktesystem hat – das haben Sie ja vorgeschlagen –, braucht man übrigens keine Mindestgehalts grenze mehr – weder 66 000 € noch 40 000 €. Eine solche Grenze wäre dann obsolet. Aber Kanada und Australien ha ben in den letzten Jahrzehnten eben auch mehr von Integrati on verstanden als wir.

Meine Damen und Herren, die FDP/DVP, die diese Debatte beantragt hat, sollte hier mehr tun, als nur nette Reden zu hal ten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Ingo Rust SPD: Wenn sie wenigstens nett wären! – Zuruf des Abg. Dr. Klaus Schüle CDU)

Denn in Wahrheit handelt es sich um ein kritisches Zwiege spräch mit der Union.

(Zuruf des Abg. Dr. Klaus Schüle CDU)

Denn mit Ihren halbwegs richtigen Vorschlägen rennen Sie bei der SPD und den Grünen offene Türen ein. Uns brauchen Sie davon nicht zu überzeugen. Ihren Koalitionspartner, den Sie im Land und in Berlin haben, müssen Sie überzeugen. Wenn wir das alles, was von den Fachministerien, von der Union in Berlin kommt, richtig deuten, werden Sie nicht ein mal das schaffen. Sie sollten wirklich konkretere Initiativen ergreifen, statt nur auf die Zukunft zu verweisen und hier sol che Wolkenschiebereien zu veranstalten.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Sitz mann.

Herr Präsident, meine Da men und Herren! Wir haben festgestellt, dass wir bei den Hochqualifizierten und bei den technischen Berufen einen Fachkräftemangel haben. Aber wir haben in dieser Debatte noch nicht erwähnt: Wir haben auch in den Gesundheitsberu fen und in der Pflege einen Fachkräftemangel. Auch dort be steht großer Handlungsbedarf.

(Zuruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)

Auch bei den Pflegeberufen sind wir auf Integration und Zu wanderung angewiesen. Sogar die heutige Debatte zeigt, dass wir auch bei der FDP einen Fachkräftemangel haben, meine Damen und Herren.

(Beifall der Abg. Bärbl Mielich GRÜNE)

Herr Goll hat gerade behauptet, die Landesregierung handle.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Seid ihr wieder einmal dagegen?)

Aber Sie haben gleichzeitig gesagt, dass Ihr Konzept erst in Grundzügen steht – nachdem fast fünf Jahre in dieser Legis laturperiode vergangen sind – und noch nicht einmal vom Ka binett verabschiedet worden ist. Das heißt, Sie handeln eben

nicht, sondern suchen noch immer nach einem Konzept. Dies ist, nachdem wir fast am Ende dieser Legislaturperiode ange langt sind, entschieden zu wenig, meine Damen und Herren

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Ganz schön dünn!)

und ganz schön dünn.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU zu Abg. Claus Schmiedel SPD: Einflüsterer der Grünen!)

Wir haben über das Thema Zuwanderung gesprochen. Wir brauchen Integration. Wir haben auch nichts gegen Zuwande rung. Die Bundestagsfraktion der Grünen hat gerade im Ok tober wieder einen Antrag zum Thema „Fachkräftemangel be seitigen“ in den Bundestag eingebracht. In diesem Antrag geht es auch darum, die Fachkräfteeinwanderung liberal und trans parent zu gestalten. Es soll endlich ein Punktesystem einge führt werden. Die Mindestgehaltsgrenze von den viel zu ho hen 66 000 € muss sofort auf 40 000 € reduziert werden. Auch soll die Hochqualifiziertenrichtlinie großzügig ausgelegt und umgesetzt werden. Ferner muss die Aufenthaltsdauer, die heu te für Hochschulabsolventen aus dem Ausland bei nur einem Jahr liegt, auf zwei Jahre verlängert werden.

Denn wir wissen, dass sich die Jobsuche für viele sehr schwie rig gestaltet. Wir wissen auch, dass sich Menschen mit aus ländischem Namen zwei- oder dreimal so oft bewerben müs sen, bis sie überhaupt zu einem Bewerbungsgespräch einge laden werden.

Insofern sind das alles richtige Vorschläge, meine Damen und Herren. Ich kann Ihnen, werte Kolleginnen und Kollegen von der FDP/DVP, nur empfehlen: Wirken Sie auf Ihre FDP-Bun destagsfraktion ein, sprechen Sie mit Frau Homburger. Die Vorschläge, die Sie eingebracht haben, liegen bei uns auf dem Tisch. Sie müssen einfach nur auf Bundesebene zustimmen.

(Beifall bei den Grünen)

Eingangs hatte ich Frau Bundesministerin Schavan zitiert. Ich möchte sie noch einmal zitieren. Sie hat nämlich auch gesagt, nicht die Einwanderung müsse uns aufregen, sondern die Aus wanderung. Manche meiner Vorredner haben schon darauf hingewiesen, dass es ein großes Problem ist, dass wir einen Braindrain haben; ein Blick in die Schweiz zeigt das. Es geht um Menschen, die an unseren Hochschulen studiert haben und sich nach dem Studium aufgrund der schwierigen Situation überlegen, wieder auszuwandern. Das ist bei hoch qualifizier ten türkischen Akademikerinnen und Akademikern der Fall. Wir stellen fest, dass im letzten Jahr 30 000 Menschen türki scher Herkunft eingereist, aber 40 000 wieder in die Türkei ausgereist sind.

(Zuruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)

Im Juli dieses Jahres hatten wir eine Anhörung zu dem The ma „Integration, Zuwanderung, Fachkräftemangel“. Dabei hat sich gezeigt, dass sich jeder dritte Studierende türkischer Her kunft gut vorstellen kann, in die Türkei zurückzukehren.

(Glocke des Präsidenten)

Frau Abg. Sitzmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Dr. Wetzel?