Beim Prozess zum Thema Ganztagsschulen haben wir es na türlich nicht mehr mit einem Versuch zu tun, sondern wir ha ben es im Grunde mit einem Entwicklungsprozess zu tun, den wir ausdrücklich bedarfsgerecht unterstützen.
Deswegen bin ich dem Kollegen Traub dankbar, dass er einen Unterschied zwischen einer bedarfsgerechten Entwicklung und einer Entwicklung macht, die vom Staat vorgegeben wird.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Claus Schmiedel SPD: Der Bedarf wird hinten und vorne nicht gedeckt!)
Wir sagen ganz deutlich, Herr Kollege Schmiedel: Wir halten gerade bei diesem sehr sensiblen Thema nichts davon, über den Weg eines staatlichen Perfektionismus zentrale Vorgaben vorzugeben.
Unser Weg ist vielmehr ein anderer. Ich darf Ihnen gern skiz zieren, wie unser Weg in diesem Zusammenhang aussieht:
(Abg. Claus Schmiedel SPD: Woher wissen Sie, wel che Bedürfnisse es in Ludwigsburg gibt? – Gegenruf der Abg. Ursula Haußmann SPD: Das ist doch dem egal! Das ist ihm so was von egal!)
Die Lebenswelt der jungen Menschen ist unterschiedlich. Wir wissen ganz genau, dass viele junge Menschen Ganztags schulangebote in Anspruch nehmen.
Herr Kollege Schmiedel, vielleicht wäre es auch für Sie als Vorsitzenden einer großen Fraktion ratsam, zunächst den Ar gumenten der Regierung zu lauschen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Claus Schmiedel SPD: Das ist doch kein Argument! – Abg. Reinhold Gall SPD: Das ist doch ein Märchen, was Sie erzählen!)
Ich versuche jetzt, wieder etwas Sachlichkeit herzustellen. – Es ist klar, dass es junge Menschen gibt, für die die Ganztags schule nicht nur Lernort, sondern auch Lebensort ist.
Deswegen gibt es eine Gruppe von jungen Menschen, die durchaus auf Ganztagsangebote angewiesen sind. Es gibt da neben aber auch junge Menschen, für die es auch außerhalb der Schule Ziele gibt, die sie verwirklichen wollen.
Es gibt junge Menschen, die das Bedürfnis haben, ihre Frei zeit außerhalb des Schulalltags zu gestalten.
(Beifall des Abg. Karl Zimmermann CDU – Abg. Karl Zimmermann CDU: So ist es! – Abg. Rein hold Gall SPD: In Ihrem G 8 gibt es überhaupt kei nen Alltag außerhalb der Schule! Das ist doch al les Lyrik!)
Deshalb kann man nicht von einem allgemeinen Bedürfnis junger Menschen sprechen, sondern Sie müssen anerkennen, dass wir es hier mit einer heterogenen Gesellschaft zu tun ha ben und dass die Unterschiedlichkeit der jungen Menschen sehr ausgeprägt ist. Wir haben die Aufgabe, der Unterschied lichkeit unserer Gesellschaft Rechnung zu tragen, und wir ha ben nicht die Aufgabe, staatlicherseits zentrale Regelungen vorzugeben, meine Damen und Herren.
Das ist der Unterschied zwischen Ihrem politischen Ansatz und der bedarfsgerechten Entwicklung unseres Landes.
(Abg. Claus Schmiedel SPD: Seit wann legen Sie denn den Bedarf in meiner Stadt fest? – Unruhe – Glocke des Präsidenten)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Wort hat Herr Staatssekretär Wacker vom Mi nisterium für Kultus, Jugend und Sport.
Frau Kollegin Rastätter hat bei der Frage zu Recht darauf hingewiesen, dass wir natürlich auch die Entwicklungsgeschichte der jeweiligen Länder in den Blick nehmen müssen. In der Tat ist es so, dass viele Länder seit Langem Ganztagsschulen anbieten. Ich plädiere aber da für, dass wir in diesem Zusammenhang auch unsere Entwick lungsgeschichte in den Blick nehmen.
Denn wir haben, so glaube ich, ein anderes Gesellschaftsbild als Sie. Das möchte ich auch begründen.
Wir haben in unserer Gesellschaft in der Vergangenheit ein funktionierendes soziales Netz gehabt, in dem Vereine und vielfältige ehrenamtliche Strukturen bisher bestimmte Aufga ben wahrgenommen haben. Dadurch haben junge Menschen auch über die bisherige klassische Halbtagsschule hinaus ein Netz vorgefunden, in dem sie sich geborgen fühlen konnten.
(Abg. Claus Schmiedel SPD: Die Angebote im Ver ein beginnen um fünf oder halb sechs und nicht um zwei!)
Das waren die Vereine, das waren die Musikschulen, und es waren viele andere, zum Teil ehrenamtliche Aktivitäten. Das ist der Grund, warum wir in Deutschland und in Baden-Würt temberg eine andere Entwicklungsgeschichte vorfinden als in anderen europäischen Ländern, wo es dieses flächendecken de Netz von ehrenamtlichen Angeboten eben nicht gab. Ich finde, wir müssen beim bedarfsgerechten Ausbau der Ganz tagsschulen – wozu wir ohne Wenn und Aber stehen – auch in den Blick nehmen, dass wir bei entsprechenden Überlegun gen die gesellschaftliche Entwicklungsgeschichte einbezie hen müssen.
Meine Damen und Herren, wir haben entsprechende Rahmen bedingungen vorgegeben. 1 840 Unterrichtsdeputate in dieser Legislaturperiode für den flächendeckenden, bedarfsgerech ten Ausbau der Ganztagsschulen stehen für Verlässlichkeit.
Für die Anträge, die unter Einbeziehung eines rhythmisierten pädagogischen Konzepts eingereicht werden – – Frau Kolle gin Rastätter, hier bin ich inhaltlich voll und ganz mit Ihnen einig,
dass im Grunde nur mit dem Inhalt eines rhythmisierten päd agogischen Konzepts die Kombination zwischen Unterricht und Betreuung gelingen kann und somit auch nachhaltige
Lernerfolge erzielt werden können. Aber auch dazu brauche ich kein Gesetz. Ich brauche deswegen kein Gesetz, weil ich die Anträge dann bewillige, wenn der Antragsteller diese Vo raussetzungen erfüllt. Wir haben die materiellen Vorausset zungen geschaffen, und deswegen stehen wir dann auch für Verlässlichkeit. Wenn diese Anträge eingereicht und bewilligt werden, dann können sich unsere Ganztagsschulen auf eine nachhaltige Förderung verlassen. Das ist Tatsache, meine Da men und Herren, und hierfür haben wir auch den finanziellen Rahmen geschaffen.
Wenn, wie wir sehen – Kollege Traub hat auch darauf hinge wiesen –, die meisten anderen Länder eine gesetzliche Rege lung im Schulgesetz oder in anderen Landesgesetzen veran kert haben
und dabei zumeist aber einen sogenannten Finanzierungsvor behalt verankert haben, dann ist es doch besser, ohne Gesetz eine verlässliche Angebotsstruktur zu schaffen, als eine ge setzliche Verankerung vorzunehmen, während man den An tragstellern aber gleichzeitig sagen muss: Ihr könnt nur dann Ganztagsschule werden, wenn die finanziellen Mittel dafür ausreichen. Das ist nicht glaubwürdig. Glaubwürdig ist, wenn wir unseren Antragstellern kommunizieren, dass wir zu einem bedarfsgerechten Ausbau stehen und dementsprechend kon sequent den Schritt nach vorn gehen.
Sie beantragen 1 000 zusätzliche Deputate. Ich stelle jetzt nicht die Frage, wie Sie diese zusätzlichen Deputate finanzie ren wollen. Das wäre eine finanzpolitische Debatte, die ich an dieser Stelle nicht führen möchte. Aber ich mache Ihre Rech nung schon noch einmal detailliert auf. Wenn Sie den flächen deckenden Ausbau der Ganztagsschulen wollen, ausgehend vielleicht von 60 % der allgemeinbildenden Schulen, die zu Ganztagsschulen nach Ihrer Definition werden, dann reichen aber ohne Einbeziehung des Mittagessens – Sie wollen, dass dieses Mittagessen durch Lehrkräfte betreut wird –