Protocol of the Session on November 24, 2010

Die Position Baden-Württembergs hat sich zwischenzeitlich über den Bund hinaus auch bei der EU durchgesetzt. So hat die EU die Lebensmittelinformationsverordnung neu gestal tet und vor allem im Bereich der Lebensmittelimitate klare Kennzeichnungsvorgaben gesetzt.

Meine Damen und Herren, Lebensmittelimitate gibt es seit Langem. Denken Sie an die Margarine, die die Butter erset zen sollte, oder den Lachsersatz, den Kaviar aus Seehasenro gen. Oder denken Sie an den Grünkernbratling, der nach Mei nung vieler Grünen die gesündere und günstigere Alternative zum Fleischküchle darstellen soll.

Letztlich wollen wir als Liberale dem Verbraucher selbst die Entscheidung überlassen, welche Lebensmittel er zu sich neh men möchte. Dazu gehören aber auch die korrekte Kennzeich nung der angebotenen Produkte und eine eindeutige Bezeich nung der Inhaltsstoffe. Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass entsprechende Zusätze regelmäßig EU-weit zugelassen und sicher auch nicht gesundheitsschädlich sind.

Aber der Verbraucher darf nicht irregeleitet werden. Insbeson dere muss sichergestellt sein, dass er jederzeit das Produkt er hält, das er bestellt. Wer Butter oder Käse bestellt, möchte kei ne Margarine oder Milchimitate. Ein Schinken muss auch in Zukunft ein aus der Keule geschnittenes Stück Fleisch sein.

Es ist richtig, dass die Verwendung von Klebstoffen zwischen zeitlich untersagt wurde. Gleichwohl wollen wir keine staat liche Bevormundung der Verbraucher. Pauschale Bewertun gen von Lebensmitteln als „ungesund“ sind genauso irrefüh rend wie falsche Deklarationen.

Was haben wir nicht schon alles vonseiten der Grünen gehört? Verbot bestimmter Lebensmittel wie Fastfood, Werbeverbote und Strafsteuern, Ampeln und Smileys. Wir setzen auf Eigen verantwortung, Verbraucherbildung und positive Anreize für die mündigen Verbraucherinnen und Verbraucher.

Wir stehen aber auch dafür, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher Vertrauen in die Sicherheit der Lebensmittel in nerhalb der EU haben können.

Für die Sicherheit der hohen Qualität unserer Produkte stehen die Hersteller im Rahmen der Eigenkontrolle, aber auch eine hervorragend funktionierende Lebensmittelüberwachung in Baden-Württemberg. Erst vor Kurzem haben wir an dieser Stelle hierüber diskutiert. Die Lebensmittelüberwachung in Baden-Württemberg ist gut aufgestellt.

Es zeigt sich immer wieder: Die von uns bereits vor Jahren in die Wege geleitete Bündelung der Lebensmittelüberwachung in Baden-Württemberg im Bereich des Landwirtschaftsminis teriums hat sich bestens bewährt.

Die Warenvielfalt war noch nie so groß wie heute. Aber, mei ne Damen und Herren, auch die Qualität der Waren war noch nie so hoch und so gut kontrolliert wie heute. Dies muss vor allem denjenigen deutlich gesagt werden, die aus jeder Bean standung der Lebensmittelüberwachung – und sei diese noch so winzig – einen Lebensmittelskandal produzieren möchten und daraus ohne Rücksicht auf Verluste ihr politisches Ge schäft betreiben.

Wir werden es nicht zulassen, dass ganze Branchen einseitig und unter Missachtung jeder Rechtsstaatlichkeit an den Pran ger gestellt werden.

Wir stehen für Transparenz und strenge Kontrollen in jedem Stadium der Lebensmittelherstellung und des Handels. Auch für die Lebensmittelwirtschaft ist eine effizient arbeitende Le bensmittelüberwachung wichtig. Das geltende Recht bietet diese Instrumente, um auf Verstöße, die immer wieder vor kommen können, effektiv und einzelfallgerecht zu reagieren.

Minister für Ländlichen Raum, Ernährung und Verbrau cherschutz Rudolf Köberle: Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Schinkenpizza ohne echten Schinken, Käselaugenstangen ohne wahren Käse – darum handelt es sich, wenn wir von Lebensmittelimitaten sprechen. Heute beraten wir einen Antrag der Fraktion GRÜNE zu die sem Thema.

Verbraucher fühlen sich getäuscht, wenn in Lebensmitteln nicht das drin ist, was sie vom Namen und von der Verpackung erwarten. Von der Politik werden deswegen regelmäßig Ver schärfungen der Kontrolle und Sanktionierung eingefordert. Wie ist die Situation nun tatsächlich?

Lebensmittelimitate sind schon immer im Blickpunkt der Le bensmittelüberwachung des Landes. Die Lebensmittelüber wachungsbehörden und die staatlichen Untersuchungsämter (CVUAs) des Landes haben das Thema „Irreführende Kenn zeichnung und Lebensmittelimitate“ permanent im Blick. Da bei werden vor allem Restaurants, Gaststätten, Imbissbetrie be oder Bäckereien kontrolliert, und zwar risikoorientiert. Das heißt, wir kontrollieren dort, wo wir die schwarzen Schafe vermuten.

Wir veröffentlichen regelmäßig die Ergebnisse der Überwa chung im Internet sowie im Jahresbericht des Landes über die Lebensmittelüberwachung.

Produktinnovationen müssen weiter möglich sein. Wir wol len aber auch das geltende Recht für die Verbraucher verbes sern. Verbraucher kaufen oftmals Imitate in dem Glauben, das sei ein Originalprodukt. Ein erfolgreicher Markt braucht Ver trauen der Konsumenten in die Produkte. Mit Klarheit und

Transparenz kann ein vertrauensvolles Konsumklima geschaf fen werden. Ziel muss es sein, eine für alle Wirtschaftsbetei ligten tragbare Lösung zu finden.

Lebensmittelimitate sollen durch den Verbraucher leichter als bisher zu erkennen sein. Meine Damen und Herren, der Ver braucher muss beim Griff ins Ladenregal oder bei der Bestel lung in der Gaststätte auf den ersten Blick deutlich erkennen können, was er später auf dem Teller haben wird. Irreführen de Bezeichnungen oder Abbildungen auf Verkaufsverpackun gen sind nicht im Sinne eines zeitgemäßen Verbraucherschut zes. Klare und eindeutige Kennzeichnung ist vor allem bei so genannten Imitaten erforderlich.

Das baden-württembergische Verbraucherschutzministerium hat sich daher im vergangenen Jahr ganz besonders für eine Verbesserung der Kennzeichnung eingesetzt. Das Zutatenver zeichnis vieler Lebensmittel ist inzwischen so umfangreich und komplex aufgebaut, dass man fast ein entsprechendes Stu dium braucht, um die tatsächlich verwendeten Zutaten zu er kennen.

Der normale Verbraucher kann die Kernmerkmale des Lebens mittels aus der Zutatenliste oft nicht mehr vollständig ent schlüsseln. Er hat Probleme, Käse- oder Schinkenimitate zu erkennen. Er kann auch beispielsweise bei Speiseeis mit Pflan zenfett oder Vanilledesserts die Zusammensetzung nicht voll ständig erfassen. Dies hat zur Konsequenz, dass die Verbrau cher sich – trotz formal korrekt gekennzeichneter Lebensmit tel – getäuscht fühlen können.

Ziel muss es sein, dass der Verbraucher bei allen Lebensmit teln – auch bei offen angebotenen Lebensmitteln – auf den ersten Blick erkennen kann, dass nicht das erwartete Original verwendet wurde, sondern ein Imitat. Das heißt: Keine Pizza, die mit Imitaten hergestellt wurde, darf ohne entsprechende Hinweise den Verbraucher erreichen.

Deswegen sind unsere Forderungen:

Erstens: Imitate sollen zukünftig direkt auf der Schauseite der Verpackung als solche kenntlich gemacht werden.

Zweitens: Die Kennzeichnung von Imitaten bei loser Ware, z. B. bei Pizza oder einer überbackenen Laugenstange in der Gastronomie oder bei Waren im Handwerk, sollte entspre chend geregelt werden.

Zu diesen Zwecken hat Baden-Württemberg im Herbst des letzten Jahres eine Bundesratsinitiative auf den Weg gebracht. Damit sollte der Verschleierung solcher Imitate ein Riegel vor geschoben werden. Wir hatten Erfolg. Die Bundesregierung hat sich auf europäischer Ebene für transparentere und stren gere Regelungen bei der Kennzeichnung von Lebensmittel imitaten eingesetzt.

Die Änderungsanträge des Europäischen Parlaments für die neue europäische Lebensmittelinformationsverordnung sehen die Aufnahme besserer Kennzeichnungsvorschriften für Le bensmittelimitate vor.

Meine Damen und Herren, die baden-württembergische Le bensmittelüberwachung wird Verbrauchertäuschungen auch künftig nicht dulden. Das versichere ich Ihnen im Interesse unserer Verbraucher, aber auch im Interesse der redlichen Her steller.

Ich hoffe, dass der europäische Gesetzgeber möglichst bald bessere, das heißt eindeutigere Kennzeichnungsvorschriften bei Imitaten beschließen wird. Dies wäre ein echter Fortschritt im Verbraucherschutz.

Vielen Dank.

Ich rufe Punkt 10 der Tagesordnung auf:

Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des In nenministeriums – Unterstützung eines NPD-Verbots – Drucksache 14/4887

Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Be gründung fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Brenner für die Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Her ren! „Wehret den Anfängen, denn wer es zulässt, dass Wind gesät wird, muss sich über Sturm nicht wundern.“ Um dieses Motto geht es im Prinzip.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Wenn man Windrä der will, braucht man Wind!)

Wir sind uns wohl alle einig, dass es sich bei der NPD um ei ne rechtsextremistische und verfassungsfeindliche Partei han delt, die gegen die demokratische und rechtsstaatliche Ord nung des Grundgesetzes agitiert. Das Innenministerium schreibt dies selbst in seiner Stellungnahme und räumt auch ein, dass aus den Reihen der NPD – ich zitiere – „der bundes deutschen Verfassungsordnung immer wieder der Kampf an gesagt“ werde.

Uneinigkeit herrscht offenbar bei der Frage eines neuerlichen Verbotsverfahrens. Die Regierung fürchtet wohl entweder ei ne Verdrängung des Rechtsextremismus oder sieht die Gefahr, dass sie sich beim Bundesverfassungsgericht möglicherwei se eine blutige Nase holt.

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, ob ein neues NPD-Ver botsverfahren angestrengt wird, ist in erster Linie natürlich keine rechtliche, sondern eine politische Frage. Denn die NPD hat immer wieder offen das Gegenteil von dem vertreten, was unser Grundgesetz vorgibt: Sie legt eine offene Verherrlichung des Nationalsozialismus und ein aggressiv-kämpferisches Vor gehen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung an den Tag.

Die NPD hat zudem immer wieder ihr ambivalentes Verhält nis gegenüber Gewalt und gegenüber der gewaltbereiten Sze ne zur Schau gestellt. Sie bietet bei NPD-Demonstrationen auch den sogenannten „Autonomen Nationalisten“ eine Büh ne. Das sind Gruppierungen, die auch dem Landesamt für Ver fassungsschutz wegen ihrer hohen Gewaltbereitschaft gegen über Polizisten und Gegendemonstranten des Öfteren auffal len.

Die NPD übt daneben den offenen Schulterschluss mit gewalt tätigen, rechtsextremistischen Skinheads und hat im Rahmen ihrer Volksfrontstrategie auch bekannte Neonazikader in ho hen Parteifunktionen installiert.

Unsere wehrhafte Demokratie hat nicht nur das Recht und die Pflicht, sondern hat auch die Mittel, sich gegen diese Partei zur Wehr zu setzen, die offen und aggressiv gegen die frei heitlich-demokratische Grundordnung arbeitet. Das geht aber natürlich nur, wenn sich alle demokratischen Parteien einig sind und alle an einem Strang ziehen. Ich wiederhole: Das ist eigentlich keine rechtliche, sondern eine politische Frage.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die klare Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts für ein wei teres Verbotsverfahren ist zum einen, dass während der Vor bereitung und der Durchführung des Verbotsverfahrens alle V-Leute von den unterschiedlichen Verfassungsschutzbehör den zurückgezogen werden, und zum Zweiten, dass der Ver botsantrag selbst nicht allein durch Erkenntnisse begründet werden darf, die durch nachrichtendienstliche Mittel gewon nen werden. Dass man sich hieran orientieren muss, ist eigent lich klar.

Das ist aber auch möglich, denn die NPD selbst liefert ja ge nug Argumente für ein Verbot. Das hat auch die Material sammlung „Verfassungsfeind NPD. Dokumente eines Kamp fes gegen die Demokratie“ der Innenminister von Sachsen-An halt, Berlin, Bremen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein eindeutig belegt. Es fragt sich nur, warum die Landesregie rung von Baden-Württemberg zu dieser Materialsammlung nicht konstruktiv beigetragen hat.

Klar ist natürlich: Ein Verbotsverfahren setzt den Willen aller voraus, an einem Strang zu ziehen. Klar ist aber auch, dass al lein ein Verbot der NPD das Problem des Rechtsextremismus nicht löst. Andererseits ist aber genauso klar, dass ein Verbot eine deutliche Grenze aufzeigen würde und klarmachen könn te, wie wenig eine Gesellschaft bereit wäre, eine Partei zu ak zeptieren, die sich so offen gegen die freiheitlich-demokrati sche Grundordnung auflehnt und gegen sie arbeitet.

Diese Grenze wäre auch eine Art Selbstvergewisserung für unsere Gesellschaft. Denn es ist eigentlich nicht länger hin nehmbar, dass sie von Parteiprivilegien profitiert und ihre menschenverachtende und menschenfeindliche Politik auch noch mit Steuergeldern finanziert wird. Darum geht es letzt lich auch.

Ein solches Verbot kann natürlich nicht allein stehen; das ist klar. Es ist nur dann zielführend, wenn rechtsextremistische Bestrebungen in unserer Gesellschaft auch auf anderen Ebe nen angegangen werden. Wir von der SPD erwarten da mehr Engagement und klare Konzepte von der Landesregierung, Herr Innenminister. Ein solches Konzept haben wir bisher ver misst.

Man muss natürlich sagen, dass im Vorfeld dieses NPD-Ver botsverfahrens schwere Fehler gemacht wurden. Es war schlecht oder etwas schlampig vorbereitet. Aber das allein ist noch kein Argument, es nicht noch einmal zu versuchen, wenn es exakt und seriös vorbereitet worden ist.

Daher, Herr Innenminister, mein Appell: Ziehen Sie die V-Leute zurück, und machen Sie den Weg für ein neues Ver botsverfahren frei.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Differenziert vorge hen!)