Protocol of the Session on November 24, 2010

Deshalb hat der Innovationsrat zu Recht darauf hingewiesen, dass wir in Baden-Württemberg mehr Venture-Capital, also mehr Wagniskapital, brauchen, und zwar insbesondere in der Anfangsphase, in der sogenannten Seedphase. Das ist absolut richtig. Das ist der Grund, weshalb z. B. auch McKinsey auf diesen Punkt hingewiesen hat. Dies wiederum ist der Grund, weshalb die Landesregierung in wenigen Tagen entscheiden wird, in welcher Millionengröße ein neuer Venture-CapitalFonds in Baden-Württemberg eingerichtet wird, um auf die se Art und Weise zusätzlich auch privates Venture-Capital an zulocken und dadurch genügend Wagniskapital zur Verfügung zu haben, um insbesondere in dieser Seedphase dazu zu kom men, dass mehr junge Unternehmen, als es bisher der Fall war, tatsächlich gefördert werden können.

Vielen Dank. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich wollte nur noch einmal darauf aufmerksam machen, dass es nicht so abläuft, dass immer sehr lange geantwortet werden muss. Ich bitte aber auch, einzelne Fragen zu stellen. Sonst ist es für die Regierung schwierig, al les in fünf Minuten abzuhandeln. Eine Redezeit von fünf Mi nuten ist eigentlich der Weg, mit dem man auch noch eine De batte hinbekommt. Das ist jetzt kein Vorwurf an Sie. Das ist eine allgemeine Vorgabe: Bis zu drei Minuten lang kann man eine Frage stellen, in bis zu fünf Minuten soll die Regierung diese beantworten. Vielleicht muss man die Fragen hinterei nander vorbringen, damit die Regierung die Chance hat, eine vernünftige Antwort zu geben.

Herr Abg. Schmiedel hat sich jetzt als Erster gemeldet. – Bit te.

Herr Minister, Sie haben gesagt, Baden-Württemberg brauche sich bei der Zahl der Existenz gründungen nicht zu verstecken. Ich habe hier eine Statistik.

(Der Redner hält eine Grafik hoch.)

Darauf sind die Existenzgründungszahlen der Bundesländer mit Balken abgebildet. Oben sind die Guten, unten sind die Schlechten. Können Sie erkennen, wo Baden-Württemberg liegt?

Das kann ich Ihnen nicht sagen.

Ganz unten.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Typische Schwarzma lerei!)

Die Quelle ist – Moment – das Statistische Landesamt BadenWürttemberg, also die eigene Firma. Dieses weist nach, dass alle anderen Bundesländer vor Baden-Württemberg liegen. Vor wem wollen Sie sich eigentlich verstecken, wenn wir so wieso ganz hinten sind?

Herr Kollege Schmiedel, diese Zahl ist natürlich leicht aufzuklären. Erstens habe ich Ihnen schon vorhin gesagt, dass im Jahr 2009 eine zusätzli che Dynamik hinzugekommen ist. Auch im Jahr 2010 wird es so sein.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Das ist aus dem „dyna mischen“ Jahr 2009! Ganz hinten!)

Natürlich. Aber wenn Baden-Württemberg den Platz, den Sie gerade beschrieben haben, einnimmt, dann hängt dies auch damit zusammen, dass es – abgesehen von Bayern – kein wei teres Land gibt, das in der Vergangenheit so wenig Arbeitslo se hatte. Wir wissen ganz genau: In Zeiten, in denen es wenig Arbeitslose gibt, in einem Land, in einer solchen – –

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Aber Bayern liegt ganz vorn, und die haben auch nicht mehr Arbeitslose!)

In einer solchen Situation ist es schon normal, dass die An zahl der Existenzgründungen nicht dynamisch ansteigt. Wir kennen es auch von der anderen Seite. Immer dann, wenn es rückwärtsgeht, wenn Länder eine hohe Arbeitslosigkeit ha ben, stellen wir fest, dass es in diesen Ländern immer auch mehr Existenzgründungen gibt. Bayern ist da eine gewisse Ausnahme. Das gebe ich zu.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Hessen ist auch ganz vorn!)

Aber wenn Sie sich die anderen Länder anschauen, werden Sie feststellen, dass immer dann, wenn eine Hochkonjunktur herrscht und es wenig Arbeitslose gibt, die Anzahl der Exis tenzgründungen zurückgeht; umgekehrt gilt dies selbstver ständlich auch.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Frau Abg. Sitzmann für die Fraktion GRÜNE.

Herr Minister, das Thema Existenzgründungen und die Entwicklung in Baden-Württem berg beschäftigt uns schon lange. Wir haben immer wieder darüber diskutiert. Nach wie vor sind wir der Ansicht, dass wir da mehr tun müssen, dass wir mehr Menschen brauchen, die etwas unternehmen wollen.

Ich möchte noch einmal auf einen Aspekt hinweisen, den Sie gerade schon kurz angesprochen haben. Das ist das Thema Fi nanzierung. Wenn wir mit jungen Unternehmen oder Men schen, die eine Unternehmensgründung planen, sprechen, er leben wir immer wieder, dass es ein Problem ist, an Kapital zu kommen.

In einem Bericht der „Stuttgarter Nachrichten“ von heute heißt es, dass auch die Industrie- und Handelskammer Stuttgart dies so sehe und es gerade für kleinere Förderbeträge bis zu 100 000 € nur wenig Förderinstrumente gebe. Dazu soll es in Ihrem Ministerium ein internes Arbeitspapier geben, das eben falls zu diesem Ergebnis kommt.

Sie haben jetzt ein Venture-Capital-Programm angekündigt. Wann entscheiden Sie das? Wann soll es in Kraft treten? Wel che Maßnahmen beinhaltet es, um diese Probleme zu behe ben?

Das Venture-Capital-Pro gramm, das ich angekündigt habe, geht auf die Diskussion im Innovationsrat zurück. Das ist völlig klar. Da ist es auch ein deutig beschrieben. Es geht auch auf das McKinsey-Gutach ten zurück. Die Regierung wird in den nächsten Tagen mit Blick auf den Nachtragshaushalt darüber entscheiden, wie die ses Venture-Capital-Programm, hauptsächlich in der Seedpha se, ausgestattet sein wird. Sie werden dann die Gelegenheit haben, bei den Beratungen zum Nachtragshaushalt darüber zu befinden.

Aber noch einmal: Es bleibt dabei: Ich sehe ein, dass wir da mehr tun müssen. Das habe ich schon vor einem Jahr gesagt. Wir reagieren jetzt auch prompt darauf, indem, wie gesagt, ein neues Programm auf den Weg gebracht wird, das übrigens auch deshalb von Bedeutung ist, weil nur auf diese Art und Weise zusätzliches privates Kapital akquiriert werden kann.

Danke. – Für die SPDFraktion Herr Abg. Hofelich.

Herr Minister, gestatten Sie mir, noch einmal nachzufassen.

Ich habe viele spezifische Fragen gestellt und mich dem Ri siko ausgesetzt, dass die Kolleginnen und Kollegen das als et was strapaziös empfinden. Ich habe das vor allem deshalb ge tan, weil ich der Meinung bin, dass man mit dem Zitieren von Zeitungsüberschriften nicht mehr über die spezifischen Schwächen im Unterbau hinwegkommen kann. Das war der Grund meiner sehr ausdifferenzierten Fragen. Sie haben ei nen Teil davon beantworten können – auch mit der Ankündi gung, die Sie jetzt gerade gemacht haben.

Ich will aber auf zwei Punkte noch einmal substanziell einge hen.

Das Erste ist, dass wir erkennen müssen, dass Baden-Würt temberg im Abschwung vielleicht mehr Existenzgründungen hat, wir aber nicht wissen, ob das wirklich Hightechgründun gen sind. Darüber konnten Sie auch nichts sagen. Das Jahr 2009 als Noch-Krisenjahr müsste dann eigentlich mehr High techgründungen bringen. Ich persönlich glaube das auch. Ich glaube, das Hauptthema in Baden-Württemberg ist – das ist eine Frage der Gründungskultur –, ob die junge Frau oder der junge Mann in der Lage ist, zu entscheiden: Ich gehe jetzt in eine eigenständige Unternehmung, statt dem Lockruf eines großen Unternehmens zu folgen. Das ist die Frage, die sich immer stellt. Ich denke, da haben wir noch Aufholbedarf. Das ist eine Frage der Gründungskultur. Da würde ich Sie gern fra gen – auch zusammen mit dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst –, wie Sie eigentlich an den Hochschu len diese Gründungskultur künftig fördern wollen.

Jetzt komme ich aber zu dem, was uns heute vor allem be schäftigt: das Thema Venture-Capital, Gründungskapital vor allem in der Frühphase. Die Situation ist die, dass in den letz ten fünf Jahren im Land Bayern öffentliche Fonds in der Grö ßenordnung von 77 Millionen € und im Land Nordrhein-West falen von 101 Millionen € aufgelegt worden sind. In Nord rhein-Westfalen sind es fünf Fonds, in Bayern drei; mögli cherweise habe ich die Zahlen verwechselt, aber die Größen ordnung stimmt. In Baden-Württemberg sind wir bei 1 Milli on € und einem Fonds, den wir in den letzten fünf Jahren auf gelegt haben. Sie haben jetzt einen zusätzlichen angekündigt.

Erstens: Wie wird die Größenordnung dieses Fonds sein? Zweitens: Geht es darum, dass Sie vor allem öffentliches Ka pital mobilisieren wollen? Denn gerade beim öffentlichen Ka pital besteht im Augenblick ein Engpass. Deswegen habe ich das Stichwort EFRE-Mittel genannt. Sind Sie in der Lage, dann zusätzlich über Business-Angel-Foren oder was auch immer privates Kapital zu sammeln? Das ist doch die wirkli che Fragestellung, und da muss das Land Baden-Württemberg nicht nur eine kleine Bewegung, sondern einen großen Ruck nach vorn machen.

Ich nehme den Punkt EFRE gleich auf. Sie wissen, dass wir die EFRE-Mittel für entsprechende Programme verwendet haben. Ich bin sehr da für, dass EFRE-Mittel in der Zukunft auch für die Finanzie rung von Venture-Capital-Fonds verwendet werden können. Das wird allerdings erst in der neuen Förderperiode ab dem Jahr 2013 aufgrund der Summe, die uns an EFRE-Mitteln zur Verfügung steht, möglich sein. Die Mittel für die Periode bis zum Jahr 2013 sind im Grunde verbraucht. Erster Punkt.

Zweiter Punkt: Ich werde Ihnen die Höhe jetzt nicht sagen; das werden Sie verstehen. Sie werden das dann im Nachtrags haushalt zu beraten haben. Aber natürlich muss dies eine Grö ßenordnung sein, die die Engpässe, die wir da im Augenblick feststellen, beseitigen kann.

Dritter Punkt: Es ist daran gedacht, dass durch geeignete Maß nahmen auch privates Kapital akquiriert wird. Das ist notwen dig. Die öffentliche Hand wird nie und nimmer in der Lage sein, die notwendige Summe an Venture-Capital aufzubrin gen. Daher wird es notwendig sein, dass parallel dazu auch Maßnahmen ergriffen werden, um privates Kapital zu akqui rieren. Dies wollen wir machen.

Im Übrigen: Ganz so ist es nicht – wenn ich mir diese Bemer kung zu der 1 Million €, die Sie genannt haben, erlauben darf. Wenn Sie sich vorstellen, dass sowohl die Mittelständische Beteiligungsbank als auch die LBBW, als auch die L-Bank in der Vergangenheit Töpfe hatten, die für Venture-Capital zur Verfügung gestellt werden konnten, dann erkennen Sie, dass die Gesamtsumme mit den privaten Mitteln weit über diese 1 Million € hinausgeht. Aber, wie gesagt, dies wird aufge stockt werden.

Ich sehe keine weite ren Fragen. – Vielen Dank, Herr Minister.

Von der Fraktion der CDU kann das nächste Thema angespro chen werden. – Herr Abg. Kübler.

(Abg. Jochen Karl Kübler CDU begibt sich zu einem Saalmikrofon.)

Sie dürfen von hier vorn Ihre Frage stellen.

Nein, ich stelle sie von hier aus, Herr Präsident.

Also gut.

Herr Präsident, ich habe ei ne Frage an Minister Köberle zum Thema „Flurneuordnung und Landentwicklung“. Herr Minister, man hört landauf, land ab, dass die Aufgabe der Flurneuordnung und Landentwick lung privatisiert werden soll, weil die öffentliche Hand diese Aufgabe, die sie schon seit Jahrzehnten macht, nicht so wie die Privatwirtschaft durchführen könne.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Lies doch auch die Antwort gleich ab!)

Zuhören, Herr Kollege Walter. – Laut manchen Aussagen in den Städten und Gemeinden sei auch die Maßnahme der Flurneuordnung abgewickelt, und es gebe in diesem Bereich keinen Bedarf mehr.

Herr Minister, ich hätte von Ihnen gern gewusst, wie die An ordnung von Flurbereinigungsverfahren momentan läuft, wel che Verfahren bereits abgewickelt worden sind, wie die posi tive Bilanz in den letzten drei, vier Jahren beschrieben wer den kann und welche Erfolgsmodelle in der Bewirtschaftung dadurch erreicht worden sind, dass wir im ländlichen Raum Flächen, die bisher nicht genutzt werden konnten, wieder nut zen können.

(Unruhe)

Vielleicht können Sie am Schluss auch noch etwas zu der Än derung der Weinmarktordnung und der Frage sagen, wie es mit der Rebflurbereinigung in unserem Land aussieht. Da gibt es positive Beispiele, u. a. im Jagsttal, wo die Querterrassie rung mit Tröpfchenbewässerung und vieles andere mehr ein geführt wurde. Ich hätte hierzu gern einmal Ihre Meinung und Ihre Erfolgsmeldungen zur Durchführung dieser Flurbereini gungsverfahren bei uns im Land Baden-Württemberg gehört und gewusst, ob es sinnvoll ist, sie in dieser Art und Weise weiterzuführen, und ob dies nicht auch ein Beitrag für den ländlichen Raum ist. Denn es wird immer kritisiert, dass man che Mittel in überproportionalem Maß nach Stuttgart flössen.

Bitte, Herr Minister.

Minister für Ländlichen Raum, Ernährung und Verbrau cherschutz Rudolf Köberle: Herr Präsident, liebe Kollegin nen und Kollegen! Lieber Kollege Jochen Kübler, in Ihrer Fra ge klingt Respekt oder gar Zustimmung gegenüber der Flur neuordnung heraus. Das freut mich eigentlich, weil die Flur neuordnung in unserem Land eine Erfolgsgeschichte ist.

Wir in Baden-Württemberg sind sehr stolz auf den Entwick lungsstand unserer ländlichen Räume, die durchaus, was z. B. Arbeitsplätze, Arbeitsplatzsicherheit, Stand der Arbeitslosig keit – dieser ist niedrig – betrifft, Augenhöhe mit dem städti schen Bereich erreicht haben.