Protocol of the Session on October 28, 2010

Denn es ist ein Unterschied, ob man über etwas spricht oder ob man von etwas spricht, von dem man eine entsprechende berufliche Erfahrung hat.

(Minister Rudolf Köberle: Sehr gut!)

Letzteres nehme ich nicht nur für mich in Anspruch, sondern diese Ausgangslage ist Basis meiner Arbeit im Berufsstand, und diese funktioniert nur mit einem entsprechenden fachli chen Know-how, das an der gelebten Praxis ausgerichtet ist. Politik darf sich ohnehin nur an der Wirklichkeit orientieren. Deshalb bitte ich einfach, die Istsituation zu betrachten. Dar auf zielt der Antrag ab, den die CDU-Fraktion eingebracht hat, in deren Namen ich mich noch einmal herzlich für die Stel lungnahme bedanke.

Es geht darum, wie die Istsituation in Baden-Württemberg ist. Wir dürfen, wenn wir die Bilanz der letzten 30 Jahre ziehen, feststellen, dass, ausgehend vom ehemaligen Landwirtschafts minister Weiser, eine erfolgreiche und zukunftsgerichtete Ag rar- und Strukturpolitik in Baden-Württemberg betrieben und umgesetzt wurde. Wenn man betrachtet, welche Entwicklun gen die Betriebe genommen haben, dann muss man feststel len, dass in unserem Berufsstand natürlich auch ein Verdrän gungswettbewerb stattfindet, und zwar gerade aufgrund der guten Ausgangslage in Baden-Württemberg und der entspre chenden staatlichen Unterstützung und Begleitung, die not wendig ist.

Herr Minister, ich bekräftige das, was Sie zur ersten und zur zweiten Säule ausgeführt haben. Sie sind dabei stärker auf die erste Säule eingegangen. Wichtig für die Zukunft ist, dass wir diese erfolgreiche Politik zunächst bei uns in Baden-Württem berg klar formulieren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf von der CDU: Jawohl!)

Das ist mehrheitlich der Fall. Dafür danke ich Ihnen. Kunst der Politik ist es, das, was in den letzten 30 Jahren aktiv und maßgeblich auch durch die Verbände und deren Forderungen begleitet wurde, tatsächlich umzusetzen und dabei praktische Erfahrungen aufzugreifen, um dann auch zukunftsfähig zu sein.

Ganz wichtig ist, dass die flächengebundenen Zahlungen der ersten Säule erhalten bleiben – natürlich im Konsens; dafür bin ich immer zu haben, denn das ist einfach notwendig, um in Deutschland politisch erfolgreich zu gestalten und damit auch in Europa das entsprechende Gewicht zu haben.

Zur zweiten Säule: Ganz wichtig für unsere Betriebe in Ba den-Württemberg sind die Agrarumweltprogramme. Da müss

ten Sie, Herr Dr. Murschel, geradezu jubeln, wenn Sie sehen, welch erfolgreiche Entwicklung diese Programme genommen haben. Ich bitte auch Sie und die Ihnen nahestehenden Ver bände wirklich um Unterstützung. Denn diese Programme dürfen sich nicht auf einen Kostenausgleich beschränken, son dern müssen, wenn sie erfolgreich sein sollen, auch eine An reizkomponente im Hinblick auf mehr Wertschöpfung enthal ten. Hier bitte ich Sie wirklich um Unterstützung.

Einen dritten Punkt will ich nur ganz kurz ansprechen; das ist die Veränderung der Gebietskulisse, was Ausgleichszahlun gen für benachteiligte Gebiete anbelangt. Da sind wir, Herr Minister – das hoffe ich jedenfalls nach den bisherigen Ge sprächen mit Ihrem Haus und mit den Verbänden –, auf einem guten Weg. Herr Dr. Murschel, hierbei bitte ich um Ihre kon struktive Begleitung, soweit möglich. Denn dies findet seinen erfolgreichen Abschluss draußen in der Fläche.

Heute Morgen haben wir das Thema Tourismus angesprochen. Der Tourismus ist eng mit der schönen Landschaft, die wir bei uns im Land haben, verknüpft. Grundvoraussetzung hierfür ist aber, dass die gesamte Fläche – die schönen Täler im Schwarzwald – bewirtschaftet und offengehalten wird.

Ein letzter Punkt: Herr Dr. Murschel, die landwirtschaftlichen Betriebe und die Familien sind nicht verärgert. Wer den Be ruf des Landwirts erlernt hat und diesen Beruf ausübt und wer die nachhaltige Landwirtschaft in ihren Grundgedanken um zusetzen versucht, der ist mit Herzblut dabei, und der übt sei nen Beruf mit Freude aus. Unter den mir bekannten Persön lichkeiten und Berufskollegen kenne ich keine anderen Fälle.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Hel mut Walter Rüeck CDU: Sehr gut! – Abg. Karl Zim mermann CDU: Jawohl! – Zuruf: Das war einmal ein guter Beitrag!)

Der Antrag war ein rei ner Berichtsantrag. Er ist mit der Aussprache erledigt.

Damit ist auch Punkt 4 der Tagesordnung erledigt.

Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion GRÜNE und Stellungnahme des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport – Mulfinger Schulkonzept im öffentlichen Bil dungswesen zulassen – Drucksache 14/4602

Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Be gründung fünf Minuten und für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.

Die Fraktion der SPD und die Fraktion GRÜNE haben sich darauf geeinigt, die Redezeit von fünf Minuten für die An tragsbegründung in zwei Teile von je zweieinhalb Minuten aufzuteilen.

Ich erteile zunächst Herrn Abg. Dr. Mentrup für die SPD-Frak tion das Wort. Danach wird Frau Abg. Rastätter für die Frak tion GRÜNE das Wort erhalten.

Bitte, Herr Abg. Dr. Mentrup.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Werte Frau Ministerin, Mulfingen ist aus Ihrer Sicht sicher eine ideale Gemeinde. Es gibt dort stabile politi sche Verhältnisse. Die Gemeinde kümmert sich um ihre Schu le; es gibt dort eine vorzüglich funktionierende Grund- und Hauptschule. Die Gemeinde hat sich zum Ziel gesetzt, ihren Schulstandort zu halten. In letzter Zeit unterstreichen Sie noch deutlicher als Ihr Vorgänger, dass die Schule im Ort sein soll te.

(Abg. Karl Zimmermann und Abg. Jochen Karl Küb ler CDU: Wie groß ist Mulfingen?)

Nun hat Mulfingen eine Situation – –

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Wie viele Einwoh ner? – Abg. Jochen Karl Kübler CDU: Wo liegt das denn?)

Jetzt lassen Sie mich doch erst einmal ausreden. Herr Küb ler, wenn Sie das nicht wissen, dann sind Sie hier fehl am Platz.

(Abg. Jochen Karl Kübler CDU: Ah ja! – Abg. Karl Zimmermann CDU: Einwohnerzahl! – Zuruf von der SPD: Mulfingen ist überall!)

Mulfingen kümmert sich um seine Schule und kommt zu dem Ergebnis, dass die Hauptschulzugänge nicht ausreichen, um diesen weiterführenden Schulstandort zu halten. Man verstän digt sich dann durch Abstimmungen mit dem Gemeinderat, mit dem Schulträger und mit der Wirtschaft, die diesen Pro zess sehr unterstützt, auf ein pädagogisches Konzept, das auch aus Ihrer Sicht – so schreiben Sie es in Ihrer Antwort – grund sätzlich positiv zu bewerten ist, weil über diesem Konzept die individuelle Förderung steht – auch das ist ein erklärtes Ziel der Landesregierung.

Dann wird auch noch ein wichtiger Beweis angetreten. Denn eines hat Ihr Vorgänger immer bestritten, Frau Ministerin. Ihr Vorgänger hat immer gesagt: Die Eltern von Realschülern und von Gymnasiasten sind nicht bereit, ihre Kinder auf eine sol che Gemeinschaftsschule – oder wie Sie es auch nennen wol len – zu schicken, wenn es alternativ dazu eine reine Real schule und ein reines Gymnasium gibt.

Hier ist der Beweis angetreten worden, dass die Eltern dies akzeptieren. Statt 10 oder 11 Schülern mit einer Hauptschul empfehlung haben sich 33 Schüler an dieser Schule angemel det, von denen im Übrigen viele eine Gymnasialempfehlung hatten.

Das heißt, wir haben eine Schulentwicklung vor Ort. Wir ha ben ein Konzept, das den Schulstandort sichern kann. Außer dem wird dieses Konzept von den Eltern und von allen ande ren Betroffenen vor Ort akzeptiert.

Sie sagen zwar, dieses Konzept sei positiv. Sie sagen zwar, dass Sie Schulen im Dorf lassen wollen. Sie sagen außerdem, dass Sie eine Schulentwicklung vor Ort wollen, die eine Pro filierung ermöglicht. Sie verweigern dieser Schule jedoch den jenigen Teil des Konzepts, der beinhaltet, dass der Bildungs plan der Realschule im Rahmen der individuellen Förderung angeboten wird, und damit auch den entsprechenden Schul abschluss.

Daran wird die Absurdität deutlich. Auf der einen Seite ver folgen Sie Ziele, und auf der anderen Seite drücken Sie sich vor den Konsequenzen dieser Ziele. Deshalb muss die Ge meinde Mulfingen nun den Weg der Ausgliederung der Haupt schule aus ihrer gemeinsamen öffentlichen Grund- und Haupt schule gehen. Sie muss nun eine private Haupt- und Realschu le einrichten, um ihr Konzept umsetzen und den Realschulab schluss anbieten zu können.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Das ist ja kein Scha den!)

Frau Ministerin, ich hätte eigentlich erwartet, dass das Kul tusministerium sagt: „Dies ist eine ideale Gemeinde, die in ei ner wunderbaren Harmonie und mit der Akzeptanz der Eltern einen Weg weitergeht, den auch wir wollen. Deshalb müssen wir dieses Projekt unterstützen und dürfen es nicht ablehnen.“ Über den Modellschulparagrafen hätten Sie alle Möglichkei ten dieser Welt, dies an dieser Stelle individuell zuzulassen.

Ich bin sehr gespannt auf Ihre Ausführungen. Für uns ist Ihr Vorgehen nicht akzeptabel, weil es eine doppelbödige Bot schaft gibt und weil dadurch Schulentwicklung vor Ort behin dert wird. Am Ende wird dies dazu führen, dass Schulstand orte sterben und dass die individuelle Förderung, die an ein zelnen Standorten hervorragend funktioniert und auch von den Eltern akzeptiert wird, auf der Strecke bleibt. So kann in Ba den-Württemberg keine Schulentwicklung vorangetrieben werden, die von den Menschen vor Ort akzeptiert wird.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Renate Rastätter GRÜNE)

Da es einige Abgeord nete vorhin nicht wussten, weise ich darauf hin: Die Gemein de Mulfingen hat rund 3 900 Einwohner.

(Zurufe: Aha! – Danke!)

Für die Fraktion GRÜNE darf ich jetzt Frau Abg. Rastätter das Wort erteilen.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen! Ich kann nahtlos an das anschließen, was Kollege Mentrup schon vorgetragen hat.

Die Gemeinde Mulfingen hat sich den Herausforderungen der demografischen Entwicklung, der bildungspolitischen Ent wicklung sowie der Frage nach der Bildungsgerechtigkeit ge widmet. Dabei ist sie zu der Erkenntnis gekommen, dass sie ein attraktives Bildungsangebot braucht, das von den Eltern im Ort und in der Region angenommen wird, wenn sie mit ei ner Sekundarschule langfristig zukunftsfähig bleiben will.

Nicht zuletzt hat die regionale Wirtschaft ein großes Interes se daran gehabt. Dazu gehört immerhin ebm-papst. Mulfin gen hat 3 900 Einwohner, aber 2 500 Arbeitsplätze. Auch die ser Arbeitgeber hat ein reges Interesse daran, dass gut ausge bildete junge Menschen aus einer attraktiven Schule dort für Ausbildungen gewonnen werden können.

Die Kommune hat sich gemeinsam mit der Grund- und Haupt schule sehr stark engagiert. Das Lehrerkollegium ist mit dem Schulleiter dieser Schule in die Schweiz gefahren, um sich

über Konzepte individuell fördernder Bildung zu informieren, und hat schließlich ein sehr schlüssiges Konzept entwickelt, ein Konzept mit einer vollständigen Individualisierung des Unterrichts, bei dem sogar die Bildungsstandards der Haupt schule, der Realschule und des Gymnasiums zugrunde gelegt werden und dies auch erfolgreich umgesetzt werden kann. Dies zeigt, dass die Schule bereit war, ein zukunftsfähiges Konzept zu entwickeln.

(Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Dazu braucht sie natürlich auch die Genehmigung des Schul konzepts. Die Kommune hat keine Versuche gescheut, dieses Bildungskonzept genehmigt zu bekommen. Erst erfolgte der Antrag auf einen Bildungsgang Realschule/Hauptschule. Der zweite Schritt war, dass die Kommune Mulfingen eine priva te Schule in kommunaler Trägerschaft gründen wollte. Auch das wurde verboten. Schließlich blieb der Kommune nichts anderes übrig, als sich nach einem privaten Schulträger um zuschauen. Dann hat sie einen privaten Schulträger gefunden. Das finde ich absurd. Das wird einer modernen Bildungspla nung nicht mehr gerecht.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Aha! Sie haben etwas gegen private Schulträger! Sie haben etwas gegen Schulen in freier Trägerschaft!)