Die Landesregierung – das ist der Gipfel; das kapiert draußen kein Mensch – übt ihr Ermessen dann in der Weise aus, dass sie das Gesetz entgegen ihrer Überzeugung zur Volksabstim mung bringt.
Meine Damen und Herren, machen wir nur so weiter. Die Be völkerung hätte dafür null Verständnis – der Gesetzgeber üb rigens auch nicht.
Ein solches Verfahren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wä re ein Missbrauch des Initiativrechts der Landesregierung und würde die Glaubwürdigkeit einer jeden Regierung untermi nieren, die so etwas versuchen würde.
Noch eines – da können Sie die Rechtsordnung rauf und run ter anschauen –: Ein solch widersprüchliches Verhalten wird von unserer Rechtsordnung nicht akzeptiert.
Ich kann im Übrigen auch nicht erkennen, weshalb das im We sentlichen planfestgestellte, durch die Landesregierung, den Landtag, den Gemeinderat der Stadt Stuttgart und die Regio nalversammlung zigfach legitimierte Bahnprojekt
noch einer weiteren Legitimation durch eine Volksabstim mung bedürfen solle. Selbst wenn eine reine, aber finanzwirk same Sachgesetzgebung entgegen der Auffassung des Bundes und der Mehrheit der Verfassungsgerichte der Länder durch Volksabstimmung erlassen werden könnte,
müssen wir uns doch fragen: Was will das von der SPD-Frak tion vorgeschlagene Ausstiegsgesetz wirklich? Es zielt doch nicht auf die Aufhebung des Finanzierungsvertrags. Es zielt vielmehr darauf ab, die im Haushalt bereitgestellten Mittel für Stuttgart 21 nicht auszugeben und damit das Gesamtprojekt zu Fall zu bringen.
Für mich kann das konsequenterweise nichts anderes bedeu ten als einen unmittelbaren Eingriff in das Staatshaushaltsge setz durch Volksabstimmung. Aber genau dies verbietet Arti kel 60 Abs. 6 unserer Landesverfassung.
Der Finanzierungsvertrag ist abgeschlossen. Er schließt eine ordentliche Kündigung aus. Da muss ich die SPD-Fraktion schon fragen, ob sie richtig liegt, wenn sie meint, mit dem Ver waltungsverfahrensgesetz eine Möglichkeit zum Ausstieg durch außerordentliche Kündigung wegen Wegfalls der Ge schäftsgrundlage herbeiführen zu können. Für mögliche Kos tensteigerungen sind in dem Vertrag selbst Regelungen vor gesehen, und damit ist ein Rückgriff auf das Verwaltungsver fahrensgesetz schlichtweg ausgeschlossen.
Im Übrigen muss man sich fragen: Sollte man Verträge des halb ohne Weiteres kündigen können, weil es Schwierigkei ten gibt, die außerhalb des Vertragsverhältnisses liegen?
Meine Damen und Herren, ich bin davon überzeugt, dass die Rechtsauffassung der SPD-Gutachter, ein vom Volk beschlos senes Ausstiegsgesetz würde die bisherige positive Bewertung des Vorhabens durch die Landesregierung und den Landtag revidieren und zu einem Kündigungsgrund führen – so schrei ben sie sinngemäß –, u. a. weil dem Volk eine stärkere Legi timation als der Landesregierung zukomme – das muss man sich einmal durch den Kopf gehen lassen – und ein anderes Organ gehandelt habe, schlichtweg falsch ist. Den Vertrags partnern des Bundes steht das Land Baden-Württemberg und stehen nicht einzelne Organe des Landes gegenüber. Durch Volksabstimmung beschlossene Gesetze, meine Damen und Herren, sind auch nicht per se die besseren Gesetze.
Durch das Parlament und durch das Volk beschlossene Ge setze haben den gleichen Rang, da stimme ich Ihnen zu.
Eine Kündigung – das wäre die letzte Möglichkeit – zur Be seitigung schwerer Nachteile für das Gemeinwohl – dies wä re ein zweiter Grund – scheidet ebenfalls aus, weil das Bahn projekt aus Sicht der Regierung, der Regierungsfraktionen und der SPD-Fraktion gerade dem Wohl der Allgemeinheit dient.
Das wird mit leichter Hand vom Tisch gewischt. Verträge sind einzuhalten. Das ist der wichtigste Grundsatz sowohl des pri vaten als auch des öffentlichen Verfahrensrechts. Er ist Teil des Rechtsstaatsprinzips – den Vertrauensschluss eingeschlos sen –, das in unserer Verfassungsordnung eine ganz herausra gende Stellung einnimmt.
Jetzt durch ein Gesetz den Vertragsausstieg zu bewirken ver bietet unsere Verfassungsordnung, und zwar auch deshalb, weil der Landesgesetzgeber inhaltlich nicht in den Kompe tenzbereich des Bundes hinübergreifen darf. Auch wenn das Volk im Wege eines Volksentscheids anstelle des Parlaments ein Gesetz erlässt, ist es noch immer und fortwährend an die Kompetenzen des Landes gebunden. Unser Land hat nun ein mal keine Kompetenz, über das Projekt zu entscheiden. Das ist Sache des Bundes.
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Gundolf Fleischer CDU: So ist es! – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: So ist es! Sehr gut!)
Keine Landesregierung, weder die jetzige noch eine neue, wird das Staatsvolk in die Lage versetzen können, über diese Frage abzustimmen.
(Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Die Finanzierung ist an ders! – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Nein, nein! Falsch! – Zuruf des Abg. Norbert Zeller SPD)
darauf zurückzuführen, dass sie in ihrem Gutachten die Neu baustrecke Wendlingen–Ulm, die in den Bedarfsplan des Bun des aufgenommen ist, schlichtweg nicht einbezogen haben.
(Abg. Reinhold Gall SPD: Aha! – Abg. Dr. Rainer Prewo SPD: Ein bisschen differenzierter müssen Sie schon sein!)
Meine Damen und Herren, ich will gar nicht darauf eingehen, welche gravierenden Auswirkungen ein solches Ausstiegsge setz hätte; das wissen Sie selbst doch alle genauso. Das Land würde für lange Zeit – nicht nur bezogen auf Stuttgart 21 – unglaubwürdig.
Unser Land hat sich in den vergangenen Jahrzehnten zu einer der wirtschaftsstärksten Regionen in Europa, wenn nicht so gar auf der ganzen Welt entwickelt. Man lebt und investiert hier gern. Das kommt nicht von ungefähr. Die Investoren und Vertragspartner des Landes wissen: Hier herrscht Rechtssi cherheit, und man hält sich an die Vereinbarungen.
(Abg. Dr. Klaus Schüle und Abg. Thomas Blenke CDU: So ist es! – Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Das hat nichts mit der CDU zu tun!)
Meine Damen und Herren, halten wir uns einmal vor Augen, welches Bild wir für die Zukunft abgeben würden, wenn man uns nachsagen könnte: Wenn es schwierig wird, erlässt das Land schnell ein Ausstiegsgesetz und verweist dann auf den steinigen Weg des Schadensersatzes. Welches Bild würden wir abgeben? Ein solches Bild will ich jedenfalls nicht mit zeichnen.