Wir schon. – Der Schulsport ist angesichts der Tatsache, wie defizitär der Bewegungsstatus von Kindern und Jugendlichen heute ist, von großer Bedeutung. Denn er liefert einen wich tigen Beitrag zur gesunden Entwicklung unserer Kinder und Jugendlichen und ist essenziell, um den vielfältigen gesund heitlichen Gefährdungen durch Bewegungsmangel, körperli che Fehlbelastung und Stress bei Kindern und Jugendlichen entgegenzuwirken.
Daher muss er in schulischen Lehrplänen in ausreichendem Umfang vertreten sein. Deshalb und vor dem Hintergrund ei ner notwendigen und überfälligen Ausweitung der Ganztags schule fordern wir Grünen, Sport und Bewegung in ausrei chendem Maß im Unterrichtsalltag der Schülerinnen und Schüler zu verankern. Dies ist bislang absolut unzureichend gewährleistet, und es hapert vor Ort an der Umsetzung auf grund einer fehlenden Krankheitsvertretung und eines Leh rermangels.
Im Wesentlichen geht es um drei Punkte: Das ist erstens der fachfremde Unterricht, insbesondere an den Grundschulen. Warum er besonders fatal ist, werde ich nachfolgend darstel len. Zweitens geht es um die Forderung nach einer täglichen Sportstunde. Warum sie besonders wichtig ist, werde ich nach folgend darlegen. Drittens werde ich nachfolgend ausführen, warum Fächerverbünde besonders schlecht sind.
Zum ersten Themenkomplex: „Hilfe, der Hausmeister muss Sportunterricht erteilen“, so lauten die Schlagzeilen vor Ort. Der eine nimmt dies ernster, der andere nimmt dies weniger ernst:
Das darf so nicht hingenommen werden. Die Landesregierung steht in der Pflicht, dafür zu sorgen, dass jedes Grundschul kind und jeder Schüler einer weiterführenden Schule syste matisch und regelmäßig Sportunterricht durch eine dafür qua lifizierte Lehrkraft erhält.
Gerade im Alter zwischen sechs und zehn Jahren, wenn die Kinder am aktivsten sind, sollen sie gefälligst ruhig sitzen.
Mit sieben Jahren haben manche Mädchen 1 000 Bewegun gen, andere über 2 500 Bewegungen. Wenn man jetzt noch die jungen Knaben dazunimmt, erkennt man, dass sich die Si tuation noch schlimmer darstellt.
Sie haben zwischen denjenigen Kindern, die sich am wenigs ten bewegen, und den Kindern, die sich am meisten bewegen, einen Unterschied um den Faktor 4. Diejenigen, die „ganz oben“ stehen, gefallen uns nicht. Meine Damen und Herren, oftmals wird hier auch zu Mitteln gegriffen, über die wir hier gar nicht diskutieren, die aber für die Kinder sicherlich auch mit langfristigen Schäden verbunden sind.
Auch in Baden-Württemberg findet der Sportunterricht oft mals fachfremd statt. Das von der Landesregierung präferier te Klassenlehrerprinzip ist trotz schulpädagogischer Vorteile für das Fach Sport zu durchbrechen. Der Sportunterricht braucht kompetente Lehrer, die über einen sportlichen Kon text sowohl im theoretischen als im auch praktischen Bereich verfügen, Lehrerinnen und Lehrer, denen die Bewegungswel ten von Kindern vertraut sind und die auch konkrete Umset zungsfähigkeiten aufweisen.
Es ist ja nicht nur so, dass schlechter Sportunterricht auch die Gefahr von Verletzungen mit sich bringt. Vielmehr können durch die Erteilung schlechten Sportunterrichts bei den Kin dern anhaltende psychische Schäden entstehen. Hierzu hat der Direktor des Tübinger Instituts für Sportwissenschaft
seine neue Studie dargelegt. Er nennt sie „Vorteile einer be wegten Kindheit“ und benennt darin die erhebliche soziale Funktion des Sports: Fehlt der Sportunterricht, dann fehlt den Kindern die Möglichkeit, sozial zu lernen und Ausgrenzungs prozessen entgegenzusteuern. Im Grundschulalter hegen Kin der untereinander durchaus schon Tendenzen, zu stigmatisie ren, wenn ein Mitschüler zu dick oder zu unbeweglich ist. Ge rade hier kommt dem Sport eine wichtige Aufgabe zu, und zwar nicht nur die, die Gesundheit zu fördern, sondern auch die, durch gemeinsame Bewegung Vorurteile abzubauen und soziale Integration zu gewährleisten.
Wir sollten nicht klagen und Umstände monieren, für die die Kinder selbst nichts können. Denn wir tragen die Verantwor tung, Bewegung und Sport in den Lebenswelten der Kinder zu verankern und im Kindergarten und in der Grundschule den Ansatz dafür zu legen, dass sie eine positive und motivie rende Erfahrung im Fach „Bewegung und Sport“ erhalten.
Die Schulen sind d e r Zubringer für die Vereine. Wird in der Schule Freude und Spaß am Sport vermittelt, dann haben die Kinder auch Lust auf mehr und nehmen an einem der vie len Vereinsangebote teil.
Zum zweiten Themenkomplex, der Forderung nach einer täg lichen Sportstunde: Warum ist sie besonders wichtig? Dass sogar das ohnehin zu gering angelegte Angebot an Schulsport in der Realität oft noch geringer ausfällt, zeigt für uns Grüne, dass hier dringend Handlungsbedarf besteht. Sport ist für un sere Kinder und Jugendlichen in ihrer Persönlichkeitsbildung nicht weniger wichtig, als es andere Fächer sind. Sie lernen im Sport Fairness, Disziplin, die Einhaltung von sozialen Re geln und kooperatives Handeln.
Die Vermittlung von Körper- und Bewegungserfahrung im Schulsport ist ein unverzichtbarer Bestandteil des schulischen Erziehungssystems. Schule ist für die Kinder und Jugendli chen Lern- und Lebensort. Es ist wissenschaftlich belegt, dass körperliche Aktivität gewisse Funktionen im Gehirn animiert und sich somit auch auf die kognitiven Leistungen auswirkt.
Zu dem dritten Themenkomplex, den Fächerverbünden. Den Schwerpunkt ausschließlich auf die Fächer Mathematik und Deutsch zu legen und alles andere als Kosmetik zu betrach ten zeigt deutlich, dass Schulpolitik aus Sicht der Erwachse nen gemacht wird und nicht an den Bedürfnissen der Kinder orientiert ist. Durch die Tatsache, dass die Landesregierung die Fächerverbünde Musik, Sport und Kunst geschaffen hat, disqualifizieren wir jedes einzelne dieser Fächer und kaschie ren gleichzeitig auch den Lehrermangel. Pädagogisch ist dies jedenfalls nicht vertretbar.
(Abg. Albrecht Fischer CDU: Woher wissen Sie das? – Gegenruf der Abg. Sabine Fohler SPD: Aus eige ner Erfahrung!)
Auch angesichts der eher vermurksten Werkrealschule hat man manchmal den Eindruck, dass der Landesregierung das Pendeln der Schüler von einem Schulstandort zum anderen als ausreichendes Bewegungsziel gilt. Dass gerade über Fä cher wie Sport, Musik, Kunst oder Theater das Selbstwertge fühl der Schülerinnen und Schüler gestärkt wird und genau die sozialen Kompetenzen und die emotionale Intelligenz un terstützt werden, ist allen bekannt und auch in vielen Studien belegt.
Deshalb fordern wir hier, jedem Fach seinen Stellenwert und jedem Fach seine Note zu geben. Denn auch Schülerinnen und Schüler wollen Noten, nur eben keine schlechten.
Statt also den Lehrermangel im Fach Sport durch Fächerver bünde zu beschönigen, fordern wir die Landesregierung drin gend dazu auf, dafür zu sorgen, dass der Lehrerengpass hier überwunden wird. Unser Ziel ist die rhythmisierte Ganztags schule. In dieser wird der verdichtete Unterricht des Vormit tags entzerrt und wechselt ab mit Freizeitangeboten und Ent spannungsphasen. Die tägliche Sportstunde gehört für uns zur Ganztagsschule einfach dazu.
Die Landesregierung verweist in der Antwort auf unsere Gro ße Anfrage auch zum Thema „Schulsport und Zusammenhang mit der Ganztagsschule“ auf die Jugendbegleiter. So löblich das Jugendbegleiterprogramm aus unserer Sicht ist und so hoch das Ehrenamt auch zu schätzen ist, so reichen doch die diesbezüglichen Mittel nicht aus, um für ein ausreichendes
Angebot an Schulsport an den Ganztagsschulen zu sorgen. Wir brauchen die Kooperation mit der außerschulischen Ju gendbildung auf gleicher Augenhöhe und mit kostendecken den Stundensätzen.
Wir fordern die Landesregierung also auch auf, die Grundla gen dafür zu schaffen, dass wirklich jedes Kind in unserem Land regelmäßig und verlässlich ein breit gefächertes Ange bot an Sportunterricht durch eine qualifizierte Lehrkraft er hält. Wir werben weiterhin für die tägliche Sportstunde.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! In der Tat ist es ein wichtiges Thema, über das ich heute für meine Fraktion sprechen darf. Kollegin Margot Queitsch, die Fachsprecherin zu diesem Thema, ist leider nicht da. Ich will aus meiner Sicht ein paar Gedanken dazu beitragen.
Natürlich gehen die Gedanken zurück in die Kindheit, und man denkt an den Sportunterricht an der damaligen Schule zurück – bei mir war das die Staufeneckschule in Salach –: roter Asphalt, irgendwelche gymnastischen Übungen in der dritten Klasse und eigentlich nichts besonders Begeisterndes. Sport hat anderswo stattgefunden. Sport hat außerhalb der Schule stattgefunden. Eigentlich war das ganze Leben Sport. Der Wetz auf der Straße oder das Verstecken irgendwo auf ei nem Fabrikgelände oder wo auch immer, das war eigentlich Sport als Lebenswirklichkeit, Sport als Alltag.
Damit diese Debatte nicht zur Nostalgiedebatte wird, betrach ten wir im Kontrast dazu die heutige Situation, in der wir se hen, dass Bewegungsarmut leider ein Merkmal bei vielen Kin dern und Jugendlichen ist, und in der wir sehen, dass der Sport in der Schule einen ganz anderen Stellenwert einnehmen muss. Denn diese Bewegung außerhalb der Schule ist nicht mehr in dem Maße erreichbar, wie es vielleicht in der Vergan genheit der Fall war, ob das nun am Straßenverkehr liegt oder ob es daran liegt, dass in den Familien andere Verhältnisse herrschen, dass Kinder nicht mehr die gewohnte Quartierum gebung in ihrer Heimatgemeinde, in ihrer Heimatstadt haben. Das ist die Situation.
Es gibt bekannte Phänomene, die man bei Kleinkindern schon oft sieht: Sie können gar nicht mehr richtig rückwärtsgehen oder haben andere motorische Defizite. Ich finde, Frau Kol legin Neuenhaus hat schön beschrieben, was daraus als Auf gabenstellung erwächst.
Ich will an dieser Stelle als kleines Zwischenfazit sagen: Heu te hat Schule für Sport eine höhere Bedeutung, einfach weil anderes, auch wenn es wünschenswert wäre, im normalen All tag nicht mehr als Kompensation vorhanden ist. Deswegen müssen wir auch der Schule und dem Sport eine höhere Auf merksamkeit schenken.
Ich will drei Punkte ansprechen, die aus Sicht unserer Frakti on wichtig sind, und will dann noch auf den Antrag zum The ma Schulsportmentoren zu sprechen kommen, der von unse rer Fraktion eingebracht wurde.
Zunächst zum generellen Thema, das die Grünen als Große Anfrage eingebracht haben. Ich darf dazu auch sagen, Herr Staatssekretär: Man bedankt sich nicht für die Antworten, man hat dabei etwas zu lernen – das ist überhaupt keine Frage –, aber ich hätte mir in der Antwort an mancher Stelle doch et was mehr Realität und ein bisschen weniger Formales ge wünscht.
Erster Punkt: Schulsport insgesamt an den Grundschulen, aber auch an den weiterführenden Schulen. Ich finde, zunächst soll te man sagen, Kolleginnen und Kollegen, dass wir alle uns leichter tun würden, wenn das Prinzip der Ganztagsschule in Baden-Württemberg gesetzlich gelten würde, wenn Sie von CDU und FDP/DVP sich dazu entschließen könnten, die Ganztagsschule gesetzlich zu verankern. Dann würden wir uns auch leichter damit tun, dass Sport im Alltag der Schulen einen höheren Stellenwert einnimmt. Das sollte geschehen.
Diese eine Stunde Bewegung pro Tag sollte es geben – am besten auf jeden Fall mit drei Stunden Sport in der Woche. Wir sollten versuchen, dies auch mit denen durchzuführen, die fachlich dafür ausgebildet sind, nämlich mit Sportlehrern, und in einem Fach Sport, bei dem ich mich auch dazu beken ne – ich fand dies bemerkenswert –, dass auch eine faire Be notung stattfinden sollte. Weil Sport auch etwas mit Messen, Wettkampf und Vergleichen zu tun hat, soll in dieser Sache auch eine Benotung stattfinden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU und der FDP/ DVP, ich finde, wir sollten ein Stück weit davon abrücken, in schönen Farben zu malen, wie gut das Jugendbegleiterpro gramm ankommt. Wir alle wissen, dass diejenigen, die Sport stunden geben können, während der Zeiten, in denen Schule stattfindet, beruflich oft nicht zur Verfügung stehen. Deswe gen kann dies eine Ergänzung sein. Aber Sie sind gefordert, in den Schulen auf der professionellen Seite im Sport mehr zu tun. Da besteht gegenwärtig eindeutig ein Defizit.
Auch über das Lehrbeauftragtenprogramm des Landes, bei dem gekürzt worden ist, könnten an dieser Stelle mehr Ak zente gesetzt werden.
Ansonsten möchte ich mich dem anschließen, was die Kolle gin zu den Erkenntnissen ausgeführt hat, die sie selbst gewon nen hat.
Ich komme zu einem zweiten Punkt: Ich fand – das beschäf tigt mich seit vielen Jahren –, dass nur sehr knappe Ausfüh rungen zum Sport an Berufsschulen gemacht worden sind, Herr Staatssekretär. Sportunterricht an Berufsschulen wird ge geben, wenn es gerade passt. Tatsache ist aber, dass diejeni gen, die im dualen System ausgebildet werden, heute prak tisch keine Chance auf Sport in der Berufsschule haben. Tat sache ist ferner, dass auch diejenigen, die nicht im dualen Sys tem ausgebildet werden, mit Sport mit Sicherheit unterver sorgt sind.
Gerade in dieser Phase, von der wir auch wissen, dass sich da rin in gewisser Weise entscheidet, ob junge Leute auf ihrem weiteren Lebensweg Sport treiben, ob sie sich ein bisschen dafür interessieren, in einer Phase, in der man auch merkt, dass es soziale Schichtungen gibt, die in Berufsschulen zum Tragen kommen, ist Sport, finde ich, wichtig. Sport muss an
Berufsschulen bei uns in Baden-Württemberg einen Platz ha ben, auch wenn das Handwerk und die Industrie vielleicht sa gen: „Wir brauchen viel Platz für Ausbildung.“ Derzeit hat der Sport keinen Platz. Das muss sich ändern, Kolleginnen und Kollegen.