Protocol of the Session on October 28, 2010

(Abg. Albrecht Fischer CDU: Nicht mit Albanien zu sammen!)

Von den Befürwortern eines Tempolimits auf Autobahnen wird häufig die Zahl der Getöteten auf die Netzlänge und nicht auf die Fahrleistung bezogen. Dies ist nicht haltbar. Die Un fallraten, also die auf die Kfz-Fahrleistung bezogene Unfall zahl – die Zahl der Unfälle je Milliarde Kfz-Kilometer –, er möglichen einen objektiven Vergleich der Verkehrssicherheit auf dem klassifizierten Straßennetz der Bundesautobahnen, Bundes-, Landes- und Kreisstraßen.

In Baden-Württemberg werden auf den Autobahnen mit einer Länge von ca. 1 040 km – das sind 5 % der Netzlänge – 40 % der Jahresfahrleistung und auf den übrigen 95 % des klassifi

zierten Straßennetzes 60 % der Jahresfahrleistung erbracht. Bei 1 Milliarde Fahrzeugkilometer verunglücken auf deut schen Autobahnen drei Verkehrsteilnehmer tödlich, auf allen anderen Straßen dagegen zehn. Die Autobahnen sind also, so gesehen, die sichersten Verkehrsstraßen in Deutschland.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Ich darf sagen, dass das als Grundlage für die Diskussion zu sehen ist.

Dies wiederum heißt keineswegs, dass wir aufgrund dieser Zahlen auf Bundesautobahnen keine oder geringere Anstren gungen unternehmen müssten, um die Zahl und die Schwere der Unfälle weiter deutlich zu reduzieren. Auch tun wir alles, um unsere Autobahnen noch sicherer zu machen.

Deswegen komme ich auf den zweiten Teil zurück, der, glau be ich, in diesem Zusammenhang weit intelligenter ist als die Diskussion über generelle Tempolimits. Denn um die Ver kehrssicherheit weiter zu erhöhen, setzen wir in Baden-Würt temberg auf die Nutzung von intelligenten Verkehrsleitsyste men und die gezielte Anordnung von örtlichen Geschwindig keitsbeschränkungen auf stark belasteten Autobahnabschnit ten, um so den Verkehr zu verflüssigen, die Leistungsfähig keit der Autobahnen zu erhöhen und Staus zu vermeiden.

Lieber Herr Kollege Walter, Sie haben vorhin den Vorwurf er hoben, dass man hier nicht zuhöre. Nachdem Sie einen Satz zitiert haben, habe ich die gesamte Stellungnahme zu Ziffer 1 des Antrags noch einmal gelesen. Den Satz, den Sie zitiert ha ben, finde ich in unserer Stellungnahme nicht. Insofern ist es sicher nicht schlecht, wenn man versucht, entsprechend sorg fältig zu lesen.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: So viel zum intellektuellen Niveau!)

Es geht hier darum, dass der fließende Verkehr ein besonde res Gewicht hat. Gerade habe ich dargestellt, warum der flie ßende Verkehr von Interesse ist. Denn damit gelingt es, die Leistungsfähigkeit der Autobahnen zu erhöhen und auch Staus entsprechend zu vermeiden.

Intelligente Verkehrsleitsysteme tragen mit Geschwindigkeits begrenzungen und Überholverboten in Abhängigkeit von der aktuellen Verkehrslage zur Harmonisierung des Verkehrsab laufs und durch Gefahrenwarnung zur Erhöhung der Verkehrs sicherheit bei.

Ich glaube, jeder, der selbst unterwegs ist, kann das auch nach vollziehen. Er weiß, dass er dann entsprechend reagieren kann. Er weiß, dass auf den überdurchschnittlich belasteten Strecken entsprechend vorgegangen werden kann.

Untersuchungen belegen, dass auf Strecken mit Streckenbe einflussungsanlagen bis zu 30 % weniger schwere Unfälle, bis zu 20 % kürzere Reisezeiten, eine bis zu 15 % höhere Leis tungsfähigkeit und letztlich bis zu 20 % weniger Staus durch eine präventive Verlagerung des Verkehrs auf Alternativrou ten erreicht werden können.

Der Vorteil liegt darin, dass es nur dann zu Verkehrsbeschrän kungen kommt, wenn es die Situation erfordert. Ich glaube,

die Bürgerinnen und Bürger können erwarten, dass Verkehrs beschränkungen abhängig von dem, was vom Verkehr her ge fordert und erforderlich ist, angeordnet werden können. In den restlichen Zeiten wird keine Begrenzung geschaltet. So wird im Übrigen auch die Akzeptanz bei den Kraftfahrern erhöht.

Darüber hinaus lässt sich durch die gezielt angeordneten ver kehrsrechtlichen Maßnahmen zur Vermeidung von Staus und zur Verflüssigung des Verkehrs ein hohes CO2-Einsparpoten zial erreichen. Dadurch lässt sich erreichen, dass es gelingt, zu einem fließenden Verkehr zu kommen, und nicht durch ge nerelle Tempolimits.

Mit ca. 30 % der Autobahnrichtungsfahrbahnen – das wurde bereits angesprochen – sind bereits wesentliche Teile des ba den-württembergischen Autobahnnetzes mit einer Geschwin digkeitsbeschränkung von maximal 120 km/h belegt. Es sind insbesondere Bereiche wie Autobahnkreuze, von denen jeder weiß, dass es durchaus eine Herausforderung ist, diese zu be fahren, aber auch Anschlussstellen, Gefäll- und Steigungsstre cken und Streckenabschnitte mit Unfallhäufungen, in denen hohe Geschwindigkeiten zu besonderen Gefährdungen füh ren. Klar ist – ich glaube, das überrascht niemanden –: Ge schwindigkeitsbeschränkungen in Baustellenbereichen gehö ren mit dazu.

Der Sicherheit unserer Autobahnen dient neben den intelli genten Verkehrsleitsystemen insbesondere eine konsequente Verkehrsüberwachung. Grundsätzlich erfolgt bei der Ge schwindigkeitsüberwachung ein Einschreiten bei Geschwin digkeitsverstößen der Verkehrsteilnehmer ab einer Überschrei tung der zulässigen Geschwindigkeit um 6 km/h. Ziel dieses niederschwelligen Eingriffswerts – ich gebe zu, dass mancher Autofahrer ihn nicht als niederschwellig empfindet;

(Abg. Gundolf Fleischer CDU: Sehr richtig!)

aber natürlich ist es vor dem Hintergrund der Gewährleistung der Sicherheit der entsprechenden Teilnehmer ein nieder schwelliges Einschreiten – ist es, Verkehrsunfälle mit Perso nenschaden mit der Unfallursache Geschwindigkeitsüber schreitung zu vermeiden und deren Zahl langfristig weiter zu senken.

Der Anteil der geschwindigkeitsbedingten Unfälle lag auf den baden-württembergischen Autobahnen im Jahr 2008 bei 54,82 %. Im Jahr 2004, also vier Jahre zuvor, lag der Anteil noch bei 61,73 %, sodass sich zeigt, dass es mit der Strategie einer zielgerichteten Geschwindigkeitsüberwachung in Ver bindung mit einem konsequenten niederschwelligen Ein schreiten gelungen ist, die Zahl der geschwindigkeitsbeding ten Unfälle weiter zu senken.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, zwischenzeitlich gibt es ein weiteres Thema, bei dem wiederum die Frage gestellt wird: Wie sieht es mit Tempolimits aus? Das ist die Lärmsi tuation.

Für die Beurteilung der Lärmsituation an bestehenden Bun desfernstraßen sind die den Straßenverkehr betreffenden Lärmschutz-Richtlinien-StV des Bundesministeriums für Ver kehr, Bau und Stadtentwicklung vom November 2007 maß geblich. Ein Einschreiten zum Schutz vor Verkehrslärm durch die Anordnung von Beschränkungen oder Verboten des flie

ßenden Verkehrs setzt voraus, dass der Lärm Beeinträchtigun gen mit sich bringt, die jenseits dessen liegen, was unter Be rücksichtigung der Belange des Verkehrs im konkreten Fall als ortsüblich hingenommen werden kann.

Ich weiß, dass dies auch eine Formulierung ist, die im jewei ligen Einzelfall zu unterschiedlichen Auffassungen führt. Sie ist aber deswegen wichtig, weil man sich immer den klassi schen ortsüblichen Bereich anschauen kann. Ich halte dies für wichtig.

Die Interessen der Anwohner sind gegenüber den Interessen des fließenden Verkehrs jeweils sorgfältig abzuwägen. Im Üb rigen ist dabei auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Das ist ein Grundsatz, auf den man doch des Öfte ren hinweisen sollte, weil er von Einzelnen gern vergessen wird.

Auf Bundesfernstraßen, insbesondere auf Autobahnen, hat das Interesse des fließenden Verkehrs besonderes Gewicht, weil diese Straßen die Aufgabe haben, dichten Verkehr auch über längere Strecken zügig zu ermöglichen und das übrige Stra ßennetz – mit einer Vielzahl von Ortsdurchfahrten und An wohnern direkt an der Straße – zu entlasten. Sie werden die se Aufgabe nur dann erfüllen können, wenn möglichst weni ge Beschränkungen vorhanden sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Maßnahmen zur Ver besserung der Verkehrssicherheit müssen sowohl hinsichtlich ihrer Wirkung, aber auch unter Berücksichtigung der damit verbundenen Einschränkungen und Belastungen ganzheitlich betrachtet werden. Ich sehe aufgrund der bislang bekannten Untersuchungen und Studien gegenwärtig keine Notwendig keit zur Einführung eines generellen Tempolimits auf Bun desautobahnen.

Ich bekräftige die bisherige Haltung der Landesregierung, dort, wo konkrete Unfallhäufungen auftreten, streckenbezo gene Tempolimits anzuordnen. Ferner verspricht sich die Lan desregierung von der weiteren Verbreitung intelligenter Ver kehrsleitsysteme größere Effekte für die Verkehrssicherheit.

Zusammenfassend: Wir sind für neue Überlegungen und Er kenntnisse offen, lehnen aber unreflektierte Pauschallösungen weiterhin ab.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sehr gut!)

Bevor ich einem wei teren Abgeordneten das Wort erteile, möchte ich, nachdem es mir sogar schriftlich mitgeteilt wurde, darauf hinweisen, dass die Schnur, die am Landeswappen, vor allem über dem badi schen Greifen, hängt, nicht bedeutet, dass das Wappen bau fällig wäre. Das ist das Anschlusskabel eines Laptops, Herr Kollege. Einer der Journalisten hat diese Leitung hochgezo gen. Es besteht keine Unfallgefahr. Darauf wollte ich nur hin weisen.

(Heiterkeit – Abg. Ursula Haußmann SPD zur CDU: Ihr habt Probleme!)

Für die Fraktion der FDP/DVP erhält Herr Abg. Bachmann das Wort.

Sehr geehrter Herr Prä sident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem die Unfall gefahr durch Schnüre am Greif gebannt ist, kommen wir zu rück zur Unfallgefahr auf den Bundesautobahnen.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Sehr gut!)

Lieber Kollege Haller, Sie haben zu Recht immer wieder die Landesstraßen und die möglichen Fahrbahnbeläge angespro chen. Da wir aber auf diesen Landesstraßen dankenswerter weise ein Tempolimit von 100 km/h haben und Sie auch je des Mal zu Recht sagen, dass dort, wo Schäden sind, diese be rühmten Schilder „Achtung Straßenschäden“ mit einer schön nachvollziehbaren Begründung aufgestellt sind, besteht hier, glaube ich, kein Handlungsbedarf.

Dann haben Sie darauf hingewiesen, dass Ihre Fraktion mehr heitlich ein Votum für Tempo 130, und zwar offenbar nicht als Richtgeschwindigkeit – das halten wir für richtig, für ziel führend –, sondern als Höchstgeschwindigkeit beschlossen hat. Was soll man dazu sagen? Es gibt bei der SPD halt auch qualifizierte Minderheiten.

Bezüglich des Themas Sanktionen kann ich auf meine gestri ge Rede verweisen. Es ist einfach so: Ein Verbot, das für den Fall, dass dagegen verstoßen wird, nicht mit Sanktionen un termauert ist, braucht man gar nicht erst auszusprechen. Dort, wo zu Recht Tempolimits bestehen, muss deren Einhaltung – die Ministerin hat es gerade erläutert – selbstverständlich auch kontrolliert werden.

Kollege Walter, die Ministerin hat Ihnen erklärt, dass die Gut achten fast aller Länder und auch der einschlägigen Unfall forschungsinstitute zu demselben Ergebnis kommen. Offen bar kommt nur ein Gutachten des Landes Brandenburg zu ei nem anderen Ergebnis.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Es kommt immer da rauf an, wer die Gutachten macht!)

Regelmäßig erläutern Ihnen viele, z. B. der Vizepräsident des Landtags, dass alle Gutachten zu Stuttgart 21 zu einem be stimmten Ergebnis kommen; nur das Gutachten von ViereggRößler kommt immer zu einem anderen Ergebnis.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Es gibt auch noch an dere Gutachten!)

Ich will nicht entscheiden, ob Erich Fromm der hellste Kopf des 20. Jahrhunderts ist. Was soll ich dazu sagen? Gutachten aus Brandenburg, Gutachten von Vieregg-Rößler und Erich Fromm, das ist ein in sich geschlossenes Weltbild. Da bin ich sprachlos.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Heiterkeit des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP)

Aber einen Hinweis gestatten Sie mir noch. Sie hatten so nett angekündigt, Sie wollten zum Schluss kommen, und dann das Ende Ihrer Rede ein wenig hinausgezögert. Einer der viel leicht intelligentesten – ich denke schon, dass er mit Erich Fromm locker mithalten kann – und beliebtesten Oberbürger meister des 20. Jahrhunderts, Manfred Rommel, hat einmal gesagt:

Manche versprechen immer wieder, dass sie zum Schluss kommen...

Viele von ihnen begründen das dann längere Zeit, manche fan gen neue Abschnitte an. Rommel sagt weiter:

Die einfachste Form des Schlusses besteht darin, einfach aufzuhören.