Herr Kollege Kretschmann, Sie haben der Regierungskoaliti on Kakofonie vorgeworfen. Kakofonie war Ihr Begriff. Ich finde diesen Vorwurf aus grüner Perspektive schon interes sant. Denn bei Ihnen stellt sich ja auch die Frage, wer eigent lich das Sagen hat. Ist es Herr Özdemir im Kommandostand im Helikopter, oder ist es vielleicht ein im Moment freigestell ter Oberbürgermeister, der auf Steuerzahlerkosten Kinderbe treuung in Brüssel macht
und dann aber wieder in das Land einschwebt, um gegen Stutt gart 21 zu polemisieren? Oder sind Sie es? Gehen wir einmal davon aus, dass Sie zumindest für die Grünen in diesem Haus das Sagen haben.
Sie haben gegen Stuttgart 21 ins Feld geführt, das Projekt sei zu teuer, wir hätten die Schuldenbremse in der Verfassung und könnten uns solche Infrastrukturprojekte nicht leisten. Es ist typisch für Ihre wirtschaftspolitische Haltung, für Ihr wirt schaftspolitisches Denken, dass Sie nicht unterscheiden zwi schen konsumtiven Ausgaben, die einfach weg sind, und In vestitionen, die im Land Baden-Württemberg wertschöpfend sind.
Wir brauchen diese Infrastruktur nämlich für die Wertschöp fung. Sie übersehen völlig, dass durch diese Investition 10 000 Arbeitsplätze geschaffen werden.
Allein dadurch, dass Sie über regenerative Energien reden, wird in Baden-Württemberg keine Wertschöpfung geschaf fen.
Genauso inkonsequent ist Ihre Argumentation zum Thema Ökosteuer. Da sagen Sie, die Tatsache, dass die Bundesregie rung in Berlin darüber nachdenkt, bei der Ökosteuer energie intensive Unternehmen möglicherweise anders zu behandeln als andere, sei ein ordnungspolitischer Sündenfall. Herr Kol lege Kretschmann, da haben Sie sogar recht. Aber wer hat denn das Ganze erfunden? Wer hat denn die Ökosteuer erfun den, und wer hat bei der Ökosteuer die Ausnahmen
für die energieintensiven Unternehmen erfunden? Das waren doch Sie. Als das in der rot-grünen Koalition passiert ist, war doch Herr Trittin Umweltminister.
Damit will ich sagen: Sie können nicht auf der einen Seite eine Steuer mit Ausnahmen erfinden, die ordnungspolitisch kritisiert werden kann, und auf der anderen Seite dann einer Nachfolgeregierung, die aus arbeitsmarktpolitischen Gründen weiter Ausnahmen zulässt, diesen ordnungspolitischen Sün denfall vorwerfen. Das passt nicht zusammen, Herr Kollege Kretschmann, wie Ihre ganze Wirtschaftspolitik nicht zusam menpasst.
Herr Kollege Schmiedel, es hätte mich gewundert, wenn das Thema Mindestlohn bei Ihren Ausführungen nicht gekommen wäre. Nur sollten Sie sich dabei vielleicht einmal mit Herrn Kollegen Prewo abstimmen, in welche Richtung die Argu mentation eigentlich gehen soll. Auf der einen Seite beklagt Herr Prewo zu wenig Investitionen am Standort Baden-Würt temberg,
und auf der anderen Seite fordert Herr Kollege Schmiedel Mindestlöhne. Glauben Sie im Ernst, es ist ein Investitions förderungsprogramm,
Wir wollen Investitionen im Niedriglohnbereich. Nur: Sie sind – darauf komme ich gleich – auch derjenige, der immer kritisiert, es gäbe zu wenig Arbeitsplätze für die Geringqua lifizierten im Land.
Wenn Sie zu wenig Arbeitsplätze für die Geringqualifizierten im Land beklagen, müssen Sie sich nicht nur die Frage stel len – wir müssen es natürlich auch; das tun wir –, wie wir die Qualifikationen verbessern können, sondern dann müssen Sie sich auch die Frage stellen, wer investiert, damit auch diese Leute in Baden-Württemberg Arbeitsplätze bekommen. Da ist der Mindestlohn mit Sicherheit der falsche Ansatz.
Im Übrigen sollten Sie zur Kenntnis nehmen, dass die positi ve wirtschaftliche Entwicklung im Land Baden-Württemberg im Jahr 2010 gegenüber dem Jahr 2009 dazu geführt hat, dass die Jugendarbeitslosenquote in Baden-Württemberg um 25 % gesunken ist,
dass wir nicht nur eine geringe Arbeitslosenquote von 4,6 % haben, sondern auch eine Jugendarbeitslosenquote haben, die knapp über 3 % liegt. Das sollte man zur Kenntnis nehmen. Das ist statistisch nachweisbar, Herr Kollege Schmiedel, und das sollte man auch deutlich sagen. Wer Ihnen zuhört, be kommt tatsächlich den Eindruck, dass junge Menschen im Land Baden-Württemberg keinen Arbeitsplatz finden könn ten. Das ist völlig falsch. Deshalb kann man sich nur dem Auf ruf des Ministerpräsidenten anschließen, dass Sie im Interes se unseres Landes aufhören sollten, dieses Land schlechtzu reden.
Die Fraktionsvorsitzendenrunde ist damit abgeschlossen. Es gibt noch Sprechzeiten der Fraktio nen. Werden sie noch in Anspruch genommen? – Herr Abg. Dr. Prewo, bitte.
Herr Präsident! Lieber Herr Kollege Hauk, wenn man hört, wie Sie die miserable Leistung der Regierung im Bereich der Infrastruktur erklären wollen,
muss man den Eindruck haben, dass die Grünen schon 25 Jah re in diesem Land regieren. Das ist Ihre Aussage.
(Abg. Peter Hauk CDU: Die SPD war 11 Jahre an der Regierung! – Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: Sprechen Sie von Mecklenburg-Vorpommern, oder was?)
Einer der hochrangigsten Beamten der Regierung aus dem Be reich Straßenbau hat kürzlich in einem Vortrag dargelegt, wie der Bundesfernstraßenplan umgesetzt wird. Ich sage Ihnen: Nach 8 Jahren – Laufzeit 15 Jahre – lag die Umsetzung bun desweit bei 43 %. In den alten Bundesländern lag der Umset zungsgrad bei 35 %. In Baden-Württemberg lag der Umset zungsgrad bei 30 %.
Sie schieben das auf die Grünen oder auf den Bund. Aber die anderen Bundesländer können es doch alle auch.
Schauen Sie nun einmal, wie wir es in Baden-Württemberg bei den Landesstraßen machen: In den gesamten 15 Jahren Laufzeit des letzten Generalverkehrsplans lag der Umset zungsgrad bei 38 % – Punkt und Schluss. 44 % unserer Lan desstraßen sind in einem schlechten oder einem sehr schlech ten Zustand. So sieht es bei uns aus.
Wir haben auch im Bauwesen bei den Sachinvestitionen im Land – die Landesvereinigung Bauwirtschaft hat das den Fraktionen kürzlich aufgezeigt – eine miserable Leistung; sie werden nämlich ständig zurückgefahren. So kommt am Ende die Belastung der Wirtschaft zustande. Wir haben hervorra gende Unternehmen, fleißige Leute, wir haben im Südwesten Deutschlands eine super Lage in Europa, wir haben eine fan tastische Landschaft, wir haben in unserer gewerblichen Wirt schaft eine große Flächenstärke, die wir geerbt haben.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Lachen bei Ab geordneten der CDU – Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Jetzt kommt der Königsglaube der Sozialdemokra ten!)
Sie versagen aber bei den Kernaufgaben des Staates, und das müssen unsere Bürgerinnen und Bürger und unsere Unterneh men am Ende büßen. Also: Wir können wieder zum Muster ländle werden,