Schauen wir nun einmal auf die Firma Bosch und in weitere Industriebetriebe in Baden-Württemberg. Was schätzen Sie, wie viele Beschäftigte im Alter zwischen 60 und 65 die Fir ma Bosch hat?
(Abg. Veronika Netzhammer CDU: Ja, das müssen wir verbessern! Da sind wir uns absolut einig! Das muss verbessert werden!)
Es geht nicht um Teilzeit. – Wie viele Beschäftigte in die ser Altersgruppe arbeiten bei der Firma Bosch? Sind es weni
(Abg. Karl Zimmermann CDU: Gehen Sie an die Ur sachen heran! – Abg. Veronika Netzhammer CDU: Da sind wir uns doch einig! Diesen Trend müssen wir umkehren!)
Deshalb, Herr Mappus: Solange es nicht gelingt, tatsächlich mehr ältere Menschen in Beschäftigung zu bekommen, ist die Einführung der Rente mit 67 ein reines Rentenkürzungspro gramm und kein Beschäftigungsprogramm für Ältere.
Deshalb hat sich die Aufgabe, das Rentenalter auf 67 Jahre anzuheben, noch nicht erledigt; wir alle verstehen, was die de mografische Entwicklung bedeutet. Das ist selbstverständlich nicht erledigt. Aber wer sich selbst begrenzt und sagt: „Jetzt führen wir die Rente mit 67 ein, und alles wird gut“, der ver kennt die Wirklichkeit.
Gerade wir mit unseren starken Industriebetrieben in BadenWürttemberg müssen doch einen Blick auf die Realität wer fen. Wir müssen doch erkennen: Wenn weniger als 1 % der Mitarbeiter in diesen Betrieben über 60 Jahre alt sind, dann muss doch zunächst einmal etwas in Bezug auf die Altersgrup pe der 60- bis 65-Jährigen passieren, bevor die Gruppe der 65- bis 67-Jährigen in den Fokus kommt und die Arbeit bis 67 die Regel wird. Dafür brauchen wir verschiedene Instrumente.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Karl Zim mermann CDU: Sagen Sie doch, was passieren soll! Was wollen Sie vorschlagen?)
Da muss man doch akzeptieren, dass ein Schaffer, der 40 Jah re lang in der Produktion am Band stand, anders behandelt werden muss als jemand, der mit 30 Jahren seine erste Ar beitsstelle am Schreibtisch hatte. Das muss man doch einfach einmal einsehen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Peter Hauk CDU: Das wird er doch! – Abg. Karl Zimmermann CDU: Machen Sie einmal konkrete Vorschläge!)
die Rente ab 67 so lange nicht in Kraft treten zu lassen, wie die Lage so ist, wie sie heute ist. Wir müssen jetzt darüber re den, wie wir es schaffen, mehr Ältere in Beschäftigung zu bringen.
Wir müssen Gesundheitsvorsorge betreiben, wir müssen über die Gestaltung der Arbeitsplätze sprechen, die auch noch von Älteren eingenommen werden können. Wir müssen Betriebs- und Teilrentenmodelle in Gang bringen, damit denjenigen ein Ausstieg ermöglicht wird, die es einfach nicht mehr schaffen. Es gibt Situationen im Land, die dazu führen, dass Beschäf tigte nach 40 Jahren „abgeschafft“ sind.
Herr Kollege Schmiedel, ist Ihnen bekannt, ab welchem Zeitpunkt die Leute schaffen müs sen, bis sie 67 Jahre alt sind? Morgen, übermorgen, nächstes Jahr? Können Sie uns das einmal erläutern?
Es ist Ihnen bekannt, es ist je dem hier bekannt, dass die Rente mit 67 Jahren nicht von heu te auf morgen kommt, sondern dass das Renteneintrittsalter sich in Monatsschritten steigert. Das hilft aber einfach nicht weiter. Wenn wir in den Industriebetrieben bei unter 1 % sind, wird das, wenn sich nichts ändert, auch in zehn Jahren nicht viel besser sein. Wenn wir uns einig sind, dass eine längere Lebensarbeitszeit angesichts der demografischen Entwicklung unumgänglich ist, dann ist es zunächst einmal unsere Aufga be, zu überlegen
(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Machen wir doch! – Gegenruf der Abg. Ursula Haußmann SPD: Du machst gar nichts!)
das machen Sie gar nicht; Sie reden nur über die Rente mit 67; Punkt, aus – und darüber zu reden, wie man die Voraus setzungen dafür schafft.
Jetzt kommen wir noch einmal zur Bildungspolitik in BadenWürttemberg und zum Thema Fachkräftemangel. Natürlich brauchen wir Zuwanderung. Das ist überhaupt keine Frage. Wenn wir feststellen, dass schon heute von 100 Ingenieuren, die jetzt in Pension gehen, aus eigener Kraft nur noch 90 er setzt werden können
und in fünf Jahren nur noch 80 % ersetzt werden können, dann ist völlig klar, dass wir in diesem Bereich den Ersatz aus ei gener Kraft nicht schaffen. Wir brauchen aber nicht nur den Ersatz, sondern wir brauchen mehr.
Eine gezielte Zuwanderungspolitik ist okay. Aber man muss endlich einmal ein Bekenntnis ablegen und sagen: Wir sind ein Einwanderungsland. Dann muss man sich dem Problem aber auch stellen und darf nicht mit irgendwelchen blöden Aufenthaltskarten arbeiten, die an einen Arbeitsplatz gebun den sind. Dann muss man denen, die hier studieren, die hier Ingenieurwissenschaften studieren, sagen, dass sie hinterher hierbleiben sollen und dass sie mit ihrer Familie willkommen sind, dass wir für andere Kulturen offen sind. Man darf nicht so tun, als müssten sie sich erst bezüglich der Mentalität, des Essens oder Ähnlichem „eindeutschen“, sondern man muss sagen: Wir sind ein Einwanderungsland, das mit unterschied lichen Kulturen lebt.
Jeder, der hier seinen Arbeitsplatz findet, und jeder, der sich zu unserer Gesellschaft und zu unseren Grundwerten bekennt, ist mitsamt seiner Familie willkommen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Eisbein mit Sauerkraut! – Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)
Das Zweite: Wenn Sie, Herr Mappus, sagen: „Wir können uns im Bildungsergebnis mit allen Ländern messen, wir sind da super spitze“,
Wir sind in einem Punkt überhaupt nicht besser, nämlich in dem, dass 20 % der Schüler eines Jahrgangs nicht den Über gang von der allgemeinbildenden in die berufliche Ausbildung schaffen. Es geht dabei nicht um die Schulabbrecher. Es geht darum, dass man in Baden-Württemberg auch mit einem Schulabschluss Probleme hat, eine Übergangsmöglichkeit zu finden. Damit sind wir beim Thema „Hauptschule in den gro ßen Städten im Land“.
Wenn ich bei mir in Ludwigsburg frage, höre ich, dass 80 % der Hauptschüler und Werkrealschüler nach dem Abschluss keinen Platz in einer beruflichen Ausbildung finden.
Deshalb sagen wir, wofür wir sind: Wir sind dafür, alle An strengungen dafür zu unternehmen – das können wir mit dem Berufsausbildungsgesetz –, dass jeder junge Mensch, der in Baden-Württemberg eine Schule erfolgreich beendet hat, im Anschluss eine Berufsausbildung bekommt. Dafür sind wir.
(Beifall bei der SPD und des Abg. Winfried Kretsch mann GRÜNE – Abg. Veronika Netzhammer CDU: Dafür sind wir auch! Da sind wir uns doch einig!)
Frau Netzhammer, wenn Sie dafür sind, frage ich Sie: Wo sind denn Ihre Instrumente? Wir und insbesondere Gunter Kaufmann haben doch mehrfach dafür geworben, die Mög lichkeiten des Berufsausbildungsgesetzes zu nutzen, um, an statt mit öffentlichem Geld Warteschleifen zu finanzieren, ein erstes Jahr der Berufsbildung zu finanzieren, das dann im We ge einer beruflichen Ausbildung anerkannt wird, damit nicht unnütze Zeit in einer Warteschleife verbracht wird.
Das haben Sie abgelehnt. Wir waren dafür, Sie waren dage gen. Wenn man dafür ist, dann muss man auch etwas dafür tun, damit es tatsächlich besser wird.
Unter dem Strich geht es deshalb nicht darum, Herr Mappus, das Land schlechtzureden. Das macht niemand.