Protocol of the Session on October 27, 2010

Sie sagen, wir täten nichts für die Bildung. Es ist völlig rich tig, dass in all diesen Bereichen – auch im McKinsey-Gutach ten – von Bildung und übrigens auch von E-Mobilität die Re de ist. Dass wir da nichts täten ist auch eine gewagte Behaup tung. Aber reden wir einmal über Bildung. Schauen Sie sich einmal an, wie sich der Haushalt und wie sich der Anteil der Bildungsausgaben – eine Bildungsinitiative kam obendrauf – im Haushalt des Landes Baden-Württemberg entwickelt ha ben. Sie können behaupten, wir hätten die falschen Schul strukturen. Dabei können Sie anderer Meinung sein als wir. Aber die Behauptung, wir täten nichts für die Bildung und in diesem Land würden keine gewaltigen Investitionen in den Bereich Bildung fließen, ist schon etwas gewagt, Frau Kolle gin Sitzmann.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Zuruf der Abg. Bärbl Mielich GRÜNE)

Das können Sie gern auch Herrn Fehrenbach ausrichten.

Wenn ich mir den Bereich Forschung und Entwicklung an schaue, dann stelle ich fest, dass 4,4 % des Bruttoinlandspro dukts in Baden-Württemberg in diesen Bereich investiert wer den. Da kann nun wirklich niemand behaupten, dass im Land Baden-Württemberg Innovationen, Forschung und Entwick lung verschlafen würden. Meine Damen und Herren, ich glau be, dass diejenigen, die das behaupten, geschlafen haben.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: So ist es! Da fällt den Grünen nichts mehr ein!)

Das Wort erteile ich Herrn Minis terpräsident Mappus.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zurzeit wird in Europa viel demonstriert. Ich meine jetzt aber nicht das, was vielleicht die meisten meinen, wenn es um Demonstrationen geht, sondern ich meine das, was sich im Moment in vielen anderen euro päischen Ländern abspielt.

Es gibt in vielen europäischen Ländern mit Blick auf die Fol gewirkungen der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise Un mut und nachvollziehbare Ängste. Wenn Sie nach Griechen land schauen, wenn Sie nach Portugal schauen, dann sehen Sie, dass es dort viele Menschen gibt, die blanke Existenz angst haben. Nehmen Sie die Rosskur, die manche Regierun gen in ihren Ländern gerade umsetzen. Nehmen Sie Spanien und Irland. Irland hat in diesem Jahr, gemessen am Bruttoin landsprodukt, ein Defizit von sage und schreibe 32 %.

Denken Sie an Frankreich, wo die bemerkenswerte Frage, ob man das Rentenalter von 60 Jahren auf 62 Jahre erhöhen kann, im Prinzip seit Tagen und Wochen ein komplettes Land lahm legt. Denken Sie im Übrigen an Großbritannien, wo die neue Regierung beschlossen hat, 490 000 Stellen im öffentlichen Dienst abzubauen und 20 % der staatlichen Ausgaben über al le Ebenen hinweg innerhalb von zwei Jahren zu streichen.

Meine Damen und Herren, betrachten Sie einmal das, wor über in anderen Ländern derzeit diskutiert wird, und zwar auf Basis der dortigen wirtschaftspolitischen Entwicklung, und schauen Sie dann, wie es in Baden-Württemberg – in Deutsch land generell, aber im Besonderen in Baden-Württemberg – läuft.

Ich würde uns hierbei zwei Dinge anraten: Zum einen rate ich mit Blick auf Projekte, aber auch weit darüber hinaus, den Kopf aus dem Talkessel von Stuttgart hinaus zu recken. Zum anderen rate ich uns, nicht ausgerechnet in dem Land, in dem es noch am besten läuft, hier an dieses Rednerpult zu treten, um einmal richtig zu beschreiben, wie „miserabel“ alles in Baden-Württemberg sei.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Bravo!)

Setzen wir uns doch jetzt einmal mit Fakten auseinander. Im letzten Jahr ist das Bruttoinlandsprodukt in Baden-Württem berg in der Tat um 7,4 % zurückgegangen – 7,4 %, Herr Prewo, nicht neun Komma irgendetwas. Der Rückgang um 7,4 % war schlimm genug.

(Abg. Claus Schmiedel SPD zu Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: 7,4 %, nicht 4,9 %! – Abg. Dr. Rai ner Prewo SPD: Im Juni 2009 waren es ca. 9 % ge genüber Juni 2008 – Basis für die plus 5 % von Juni 2009 bis Juni 2010!)

Wir reden aber nicht von tagesscharfen Analysen aus dem Wahlkreisbüro des Abg. Prewo, sondern wir reden von den Statistiken des Statistischen Bundesamts bezogen auf das Jahr 2009. Da waren 7,4 % – mit Verlaub – schlimm genug.

Man muss aber auch einmal hinschauen, warum die wirt schaftliche Entwicklung im letzten Jahr so war, wie sie war. Kein anderes Bundesland ist international so vernetzt wie Ba den-Württemberg. Wenn dann in einer weltweit synchroni sierten Wirtschafts- und Finanzkrise quasi alles gleichzeitig zusammenbricht, dann müsste es eigentlich für fast jeden in diesem Hohen Haus nachvollziehbar sein, dass dann genau die Länder am stärksten betroffen sind, die in besonderem Maß im Export engagiert und auch ein Stück weit vom Ex port abhängig sind.

Dass Baden-Württemberg beim Export besonders erfolgreich ist, lässt sich u. a. daran ablesen, dass sich die französische Finanzministerin ständig darüber beschwert, dass die deut schen Exporte nach Frankreich völlig überdimensioniert sei en, und dass sie seither ein Eintreten der Bundesregierung für eine Limitation der deutschen Exporte nach Frankreich for dert. Abgesehen davon, dass diese Forderung makroökono misch ein bisschen gewagt ist, zeigt dies natürlich, wie stark der deutsche Export ist.

Wenn Sie dann wissen, dass ein weit überdurchschnittlicher Teil der deutschen Exporte nach Frankreich aus Baden-Würt

temberg kommt, dann können Sie ausrechnen, wie bedeutend dieser Sektor in etwa ist. Aber genau deshalb geht es im Mo ment auch wieder steil nach oben: weil eben weltweit die Kon junktur anzieht, weil wir vor allem im asiatischen Raum ext rem stark unterwegs sind und weil die baden-württembergi sche Wirtschaft sehr, sehr stark ist.

Im ersten Halbjahr hat das Bruttoinlandsprodukt in BadenWürttemberg um 5,0 % zugelegt. Vorher wurden die Bundes länder Bayern und Hessen erwähnt, die uns angeblich völlig abgehängt haben. Ich will darauf hinweisen, dass in diesem Zeitraum in Bayern das Wachstum bei 3,2 % und in Hessen bei 2,7 % lag. Das ist also gerade einmal stark die Hälfte des sen, was wir in Baden-Württemberg haben.

(Abg. Albrecht Fischer CDU: Hört, hört!)

Für die Bundesrepublik sind für dieses Jahr 3,5 % prognosti ziert. Deshalb können Sie sich in etwa ausrechnen, was in Ba den-Württemberg am Ende des Tages herauskommen wird. Man muss ja nicht immer einer Meinung sein, und dass man auch konzeptionell anders vorangehen kann, als wir das ma chen, ist doch okay. Aber hören Sie endlich auf, dieses Land ständig schlechtzureden.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Hel mut Walter Rüeck CDU: Die können halt nichts an deres!)

Ich verschone Sie übrigens heute mit Protokollauszügen aus Debatten zum Thema Wirtschaft vom letzten Jahr.

(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Schade!)

Herr Kollege Kretschmann, das Problem ist, dass Sie da mit bemerkenswerten Aussagen immer überdurchschnittlich gut wegkommen, „überdurchschnittlich“ im Sinne von quantita tiv betrachtet.

Ich wollte es Ihnen heute einmal ersparen, aber ich hole es bei der nächsten Rede an diesem Pult gern nach. Denn die Halb wertszeit Ihrer Aussagen hält sich durchaus in Grenzen, auch wenn es um das Thema „Wirtschaftspolitische Verantwor tung“ geht.

(Abg. Veronika Netzhammer CDU: Wird immer nied riger! Die sinkt gegen null!)

Deshalb müssen wir jetzt darüber reden: Was haben wir ge macht, und was werden wir noch machen, damit wir in Ba den-Württemberg ganz vorn sind?

Jetzt hat Herr Prewo aus dem Gutachten zitiert, das die Lan desregierung von Baden-Württemberg in Auftrag gegeben hat. Wissen Sie, Herr Prewo, ich lasse, wenn die Hütte brennt, halt nicht irgendwelche Auftragsgutachten machen, in denen das steht, was der Opposition garantiert nicht gefällt, sondern ich habe zu Beginn meiner Amtszeit gesagt: Ich möchte – so, wie es Erwin Teufel Anfang des letzten Jahrzehnts gemacht hat; damals bei Roland Berger – ein neues Gutachten. Zehn Jahre später haben aufgrund der Ausschreibung, die in solchen Fäl len notwendig ist, McKinsey und das IAW den Zuschlag be kommen.

Ich habe gesagt: Ich möchte genau wissen, wo wir stehen und wohin wir gehen, weil es keine Regierung auf dieser Welt gibt,

die alles nur richtig macht. Es ist doch klar: Wer viel arbeitet, macht auch einmal einen Fehler. Keine Bilanz sieht so aus, dass man nicht auch noch etwas besser machen kann. Das ist doch wohl richtig. Also habe ich gesagt: Ich möchte wissen, wo wir gut unterwegs sind und wo man noch besser unter wegs sein kann.

Sie haben jetzt eine Passage zitiert. Es war unschwer zu erra ten, dass Sie diese Passage zitieren. Es wäre nicht schlecht, wenn Sie einmal etwas zitieren würden, was in diesem Gut achten ganz vorn zum Thema „Ausgangssituation von BadenWürttemberg“ steht. Das würde ich an Ihrer Stelle auch nicht zitieren, aber ich würde es trotzdem einmal lesen. Denn das zeigt Ihnen, warum wir gemeinsam mit Bayern an der Spitze aller Bundesländer stehen. Das zeigt Ihnen auch, warum Bay ern und Baden-Württemberg die mit Abstand niedrigste Ar beitslosenquote haben. Das kommt wohl nicht ganz von un gefähr. Wenn Ihnen irgendjemand gesagt hätte, dass wir Mit te des Jahres 2010 bei einer Arbeitslosenquote von 4,6 % wä ren, dann möchte ich nicht wissen, was Sie vor sechs bis neun Monaten dazu gesagt hätten.

Wenn Sie sich die Arbeitslosenstatistik des letzten halben Jah res anschauen, stellen Sie übrigens fest, dass wir uns, relativ zu anderen Bundesländern betrachtet, schneller verbessert ha ben. Aber ich wollte genau wissen, wo wir noch mehr tun müssen und noch mehr tun können, damit wir in den nächs ten Jahren noch besser dastehen, als es schon jetzt der Fall ist. Dazu diente dieses Gutachten. Es hat Stärken identifiziert, und es hat Bereiche identifiziert, in denen wir noch mehr tun müs sen, damit wir noch schneller vorankommen.

Ich kann an dieser Form von Regierungsstil jetzt nicht gene rell etwas Schlechtes erkennen. Denn wer nicht bereit ist, sich helfen und sich sagen zu lassen, wo man noch mehr tun muss, damit wir im Jahr 2020 mindestens dort stehen, wo wir jetzt stehen, der hat meines Erachtens ein Wahrnehmungsproblem. Deshalb bin ich gegenüber solchen Vorschlägen immer offen. Aber wir müssen deshalb auch darüber reden, was gut läuft und was wir in den nächsten Jahren vielleicht noch ein Stück weit weiterentwickeln können und müssen.

Wenn Sie analysieren, warum wir so gut dastehen, dann kom men Sie an dem Thema Kurzarbeiterregelung nicht vorbei. Das war eine Folge der Großen Koalition. Herr Kollege Schmiedel, ich habe, wie Sie wissen, nie zu denen gehört, die so getan haben, als ob die Große Koalition von Übel wäre. Sie hat vieles getan, was in dieser Krise notwendig und gut war. Sie hat auch manches getan, was ich persönlich für falsch hal te, z. B. wenn es um die Erbschaftsteuer und anderes mehr geht. Aber ich glaube, dass sie in der Zeit der Krise an den entscheidenden Punkten – es gab in dieser Zeit zwei Wochen, in denen wir am Abgrund standen – mit beispiellosem Einsatz in Rekordzeit Exzellentes geleistet hat.

(Beifall des Abg. Jörg Döpper CDU – Zuruf von der SPD)

Nur, Herr Schmiedel, der Unterschied ist: Ich stehe zu dem, was damals vereinbart wurde. Das kann man von der SPD nicht immer so ganz behaupten.

Jetzt reden wir nämlich einmal darüber, wovon Sie sich in der Zwischenzeit im Eilzugtempo – sozusagen ICE 3, neue Tras se – mit Höchstgeschwindigkeit verabschiedet haben.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Ohne Volks abstimmung!)

Das, wozu Sie stehen – ich will das Positive hervorheben –, ist die Kurzarbeiterregelung. Ich kenne in Deutschland übri gens ohnehin niemanden mehr, der jetzt noch dagegen wäre. Als man das gemacht hat, war das nicht bei allen so; in der Zwischenzeit finden das alle gut. Das ist schon einmal ein Fortschritt. In Amerika wird gerade vom „German Wunder“ geredet, was diese Regelung angeht. Wenn Sie sich den Rest Europas und vor allem die USA betrachten, dann wissen Sie auch, warum. Denn in den USA hat sich die Arbeitslosigkeit während der Krise bis zum heutigen Tag verdoppelt, während wir jetzt wieder da sind, wo wir vor der Krise waren. Das ist der große Unterschied. Da sind wir uns doch einig.

Wir sind uns auch noch einig – in weiten Bereichen jedenfalls, vermute ich – beim Thema Konjunkturprogramme, die der Bund aufgelegt hat und die das Land aufgelegt hat. Da kann man unterschiedliche Pointierungen setzen, aber ich glaube, von der Grundüberlegung her war das richtig.

(Zuruf des Abg. Peter Hofelich SPD)

Jetzt reden wir einmal über das, wozu wir stehen, wozu Sie aber nicht mehr stehen, wo Sie im Höchsttempo unterwegs sind, genau das Gegenteil zu machen.

Ich fange einmal mit dem an, was unter Rot-Grün beschlos sen wurde, meine Damen und Herren. Übrigens will ich heu te keine Diskussion über bestimmte Infrastrukturprojekte in diesem Land aufmachen.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Das ist auch besser so! – Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Schade!)

Das machen wir zur Genüge. Ich erlaube mir nur, an eines zu erinnern, Herr Kollege Kretschmann: Ich frage mich ab und zu, warum diejenigen, die sieben Jahre lang auf Bundesebe ne an der Regierung waren und jede Möglichkeit gehabt hät ten, auf Bundesebene Finanzierungsvereinbarungen zu ver hindern, nachdem sie das damals nicht gemacht haben, jetzt plötzlich der Meinung sind, dass dies das übelste Projekt auf dieser Welt wäre.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Das hat auch nicht viel mit politischer Redlichkeit zu tun.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Wir können auch gern einmal darüber reden, was die Özde mirs dieser Welt, die sich jetzt für welche Position auch im mer warmlaufen,