Protocol of the Session on October 7, 2010

Eine persönliche Erklärung im Anschluss an die Wortmel dung von Herrn Minister Rech.

Das Wort hat Herr Innenminister Rech.

Frau Präsidentin, meine Da men und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mich be schäftigen in diesen Tagen manche Fragen sehr intensiv. Ei ne dieser Fragen hat der Kollege Sckerl zum Schluss seines Beitrags gestellt. Darauf will ich zu Beginn meiner Rede ein gehen.

Er hat gefragt, was wir wohl glauben, warum derzeit jede Wo che Zehntausende auf die Straße gehen. Herr Sckerl, ich be fürchte, wir müssen einmal außerhalb dieser Diskussion un aufgeregt darüber reden, dass diejenigen, die im Augenblick in diesen aufgeregten Zeiten mit einer medialen Dauererre gung auf die Straße gehen, genau das, was Sie mit Ihrem Ge setzentwurf wollen, nicht wollen, nämlich mehr Mitsprache und mehr Mitentscheidung.

(Abg. Theresia Bauer GRÜNE: Doch! – Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Genau das!)

Die wollen a l l e i n entscheiden und a l l e i n reden. Darum geht es.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Jür gen Walter GRÜNE: Quatsch! – Widerspruch bei den Grünen)

Es wurde gesagt, mehr Mitsprache im Sinne Ihres Gesetzent wurfs würde auch dem Landtag nützen. Herr Kollege Stickel berger, dem würde ich zustimmen. Das, was Sie gesagt haben, nehme ich in meinen Überlegungen sehr ernst. Sie haben näm lich gesagt, dass es um eine Ergänzung der repräsentativen Demokratie geht.

(Abg. Johannes Stober SPD: So ist es!)

Wissen Sie: Was ich gegenwärtig höre, läuft auf etwas ganz anderes hinaus, nämlich auf die Abschaffung der repräsenta tiven Demokratie.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Oh-Rufe von den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Albrecht Fischer CDU: So hat man den Sckerl ver standen!)

Ja. Sie können das nachlesen. Das ist so.

Jetzt beschäftigt mich zum Dritten die Frage, weshalb wir nicht in der Lage seien – ich sage „wir“, wir alle miteinander; dafür gibt es viele Beispiele; ich bin seit 1992 Mitglied des Landtags –, verfassungsmäßige Fragen von der Aufgeregtheit der Alltagspolitik zu trennen und Grundsätzliches zu überle gen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zuruf von der CDU: Sehr gut! – Abg. Johannes Stober SPD: Der Gesetzentwurf wurde vorher eingebracht!)

Ja, gut.

(Abg. Johannes Stober SPD: Nichts „ja, gut“! – Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Uraltes Anliegen! Seit Jahr zehnten! – Glocke der Präsidentin)

Herr Minister, ge statten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Stickelberger?

Ja, gern.

Herr Abg. Stickel berger, bitte schön.

Herr Minister, ist Ihnen be kannt, dass wir unabhängig von den Turbulenzen dieser Tage bereits vor acht Jahren eine gleichlautende Gesetzesinitiative eingebracht haben?

(Abg. Klaus Herrmann CDU: Vor jeder Landtagswahl bringen Sie die! Und immer verliert ihr! – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Und immer verliert ihr! – Gegen ruf des Abg. Claus Schmiedel SPD: Aber diesmal kommt ihr unter Druck!)

Ja, Herr Kollege Stickelber ger, das ist völlig richtig. Dem Kollegen Stickelberger gebe ich recht, wie ich es gern tue. Wo er recht hat, hat er recht. Das war vor acht Jahren; ich gehe gleich noch einmal darauf ein.

Verfassungsfragen sollten aber nicht dem Zeitgeist unterlie gen und sollten nicht in solchen Zeitabläufen, wie wir sie ge genwärtig haben, diskutiert werden,

(Abg. Johannes Stober SPD: Darüber diskutiert ihr doch nie!)

auf jeden Fall nicht anlassbezogen. Die Wortmeldung von Herrn Sckerl zeigt mir, dass das, was hier passiert, mehr als anlassbezogen ist.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: So ist es! Genau!)

Herr Kollege Stickelberger, Sie wissen, ich korrigiere Sie nur, wenn es sein muss.

(Abg. Rainer Stickelberger SPD: Das muss nicht sein!)

Ich habe die Äußerung des Kollegen Mack wirklich so ver standen. Die Beispiele, die er genannt hat, sind in den Fakten richtig.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: So ist es!)

Er hat mit diesen Beispielen aufgezeigt, wohin die Weimarer Republik mit diesen Mechanismen am Ende des Tages ge kommen ist.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU zu Abg. Rainer Stickel berger SPD: So ist es! Deswegen war Ihre Wortmel dung deplatziert!)

Das waren die Beispiele, die er genannt hat, und diese waren richtig. Sie sollten uns immer wieder einmal vor Augen ge halten werden, damit das, was damals passiert ist, gerade nicht mehr passiert.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, um es vorweg frank und frei zu sagen: Einer weiter gehenden Lockerung der Voraussetzungen für Volksbegehren und Volks abstimmung, wie sie jetzt in dem Gesetzentwurf begehrt wird,

(Zuruf des Abg. Claus Schmiedel SPD)

stehe ich nach wie vor mehr als skeptisch gegenüber. Wir ha ben Ende letzten Jahres über das Thema „Reformbedarf für direkte Demokratie in Baden-Württemberg“ geredet und dis kutiert. Das war, wenn ich mich recht erinnere, im Innenaus schuss im Rahmen einer Großen Anfrage der Fraktion GRÜ NE, über die wir eingehend debattiert haben. Ich habe dort ge sagt, dass sich die bestehenden Regelungen der Landesver fassung im Grundsatz bewährt haben.

(Abg. Johannes Stober SPD: Abgewehrt! – Zuruf des Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE)

In diesem Zusammenhang bedaure ich ebenso wie Herr Kol lege Kluck – der das völlig zu Recht und unaufgeregt gesagt hat –, dass sich die Opposition

(Abg. Walter Heiler SPD: Was? Der Kluck war un aufgeregt? – Heiterkeit)

ja, das hat er sehr sachlich vorgetragen –

(Abg. Walter Heiler SPD: Das kann nicht sein!)

der Absenkung des Zustimmungsquorums bei einer Volksab stimmung so, wie es in der Koalitionsvereinbarung vorgese hen ist, bislang verweigert hat und sich damit zumindest ei ner maßvollen Weiterentwicklung der plebiszitären Elemen te in unserer Landesverfassung entgegenstellt.

(Abg. Johannes Stober SPD: Bringen Sie das doch einmal ein!)

Herr Kollege Stober, der Gesetzentwurf – auch das will ich dank Ihres Zwischenrufs korrigieren – liegt den Fraktionen seit Ende November des vergangenen Jahres vor. Ausrufezei chen!

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Welchen? – Abg. Jür gen Walter GRÜNE: Es scheint für diese beiden Frak tionen ein richtig wichtiges Thema zu sein!)

Der Gesetzentwurf liegt vor – wie wir ihn vereinbart haben.

Meine Damen und Herren, ich will die Argumente meiner Vor redner nicht wiederholen – da sind Sie sicherlich mit mir ei nig –, aber einige weitere grundsätzliche Aspekte anfügen, die für mich in der Diskussion über die Erleichterung von Volks begehren und Volksabstimmungen von entscheidender Bedeu tung sind.

Herr Stickelberger, noch einmal: Sie haben recht. Bereits vor zwölf Jahren – 1998 – habe ich anlässlich eines Gesetzent wurfs der Fraktion der SPD dazu Stellung genommen. Ich will noch einmal die entscheidenden Gesichtspunkte, die sich seit her in meinen Augen nicht verändert haben – im Gegenteil –, hervorheben. Ich will sagen – sozusagen vorweg, vor die Klammer gezogen –, dass wir eine Verantwortung gegenüber der Demokratie und gegenüber der Verfassung haben. Die Bürger, die uns in dieses Parlament geschickt haben, erwar ten u. a., dass wir die Verfassungsgrundsätze verteidigen und die Demokratie so, wie wir sie haben, verteidigen und nicht ohne Not aufgeben,

(Abg. Johannes Stober SPD: „Aufgeben“!)

vor allem nicht wegen tagesaktueller Aufgeregtheiten.