Das Ergebnis der wissenschaftlichen Begleitung zeigt auch, dass Akzeptanz und Freude der Fachkräfte, mit dem Orientie rungsplan zu arbeiten, vorhanden sind, dass aber der Druck in den Kindertageseinrichtungen gleichzeitig sehr zugenommen hat.
Wenn Ihnen die Umsetzung des Orientierungsplans tatsäch lich wichtig ist, wenn er für Sie, wie Sie das ausgeführt ha ben, den roten Faden und Bildungskompass der frühkindli chen Bildung darstellt, dann erwarten wir von Ihnen aber auch, dass Sie eine gesetzliche Grundlage schaffen, um die Verbindlichkeit zu gewährleisten. Alles andere sind sonst nur leere Versprechungen und viel heiße Luft.
Die jetzt ausgehandelten Verbesserungen – den Betreuungs schlüssel in einem Stufenplan von 1,6 auf 1,8 zu erhöhen – sind letztendlich viel zu wenig, um den Orientierungsplan in Gänze umzusetzen.
Die individuelle Förderung durch Beobachtung und Doku mentation sowie die verpflichtenden Elterngespräche, die ein Kernstück des Orientierungsplans sind, bleiben auf der Stre cke. Mit diesem „Orientierungsplan light“ wird die jahrelan ge Arbeit der Erzieherinnen mit Füßen getreten.
Ich möchte nicht, dass nur Teile des Orientierungsplans um gesetzt werden, wie Herr Kollege Hoffmann das bei der ers ten Lesung des Gesetzentwurfs gesagt hat. Ich möchte, dass das Gesamtkonzept des Orientierungsplans umgesetzt wird. Deshalb unterstützen wir auch die Forderung, den Orientie rungsplan verbindlich einzuführen.
Der vorliegende Gesetzentwurf ist nur ein sehr kleiner Schritt hin zur Weiterentwicklung der Qualität in Kindergärten, aber eine sehr große Enttäuschung, weil er weit hinter den Erfor dernissen zurückbleibt.
In dem Gesetzentwurf, den wir heute verabschieden, wird die verpflichtende Festlegung eines Mindestpersonalschlüssels in einer Ermächtigungsgrundlage zum Erlass einer Rechtsver ordnung geregelt. Nicht nur, dass diese Rechtsverordnung viel zu spät kommt – sie hätte am 1. September dieses Jahres schon in Kraft treten sollen –, sondern auch inhaltlich gibt es in der Zwischenzeit viele Widersprüche, was sowohl von der 4-KKonferenz, also von den vier Kirchen, als auch vom Paritäti schen Wohlfahrtsverband festgestellt worden ist.
Die Personalberechnung im Bereich von Ausfallzeiten, Ver fügungszeiten, Leistungsfreistellung und Hauptbetreuungs zeiten ist nicht geklärt. Ich zitiere aus einer Stellungnahme der 4-K-Konferenz vom 16. September 2010:
Sollte diese Entwurfsfassung in unveränderter Form Rechtsgültigkeit erlangen, könnte das politisch und fach lich notwendige Vorhaben einer Anhebung der Mindest personalschlüssel sogar einen Rückschlag erleiden.
Deshalb muss diese Rechtsverordnung, für die wir heute die Ermächtigungsgrundlage verabschieden, dringend überarbei tet werden. Denn sie ist fachlich bisher einfach Murks.
Auch die kommunalen Landesverbände haben große Kritik an dem Gesetzentwurf geäußert; der Kollege hat es vorhin schon erläutert. Der Hauptkritikpunkt ist, dass für die Kom munen nur eine Kannbestimmung für die Anrechnung des Bei trags im Gesetz verankert ist. Dabei sind die kommunalen Landesverbände im Konsens mit dem Land davon ausgegan gen, dass die Kommunen, die bereits jetzt eine bessere Perso
nalausstattung haben, ihre entsprechenden Leistungen voll an rechnen können. Im vorliegenden Gesetzentwurf wurde dies jedoch nur mit einer Kannregelung berücksichtigt. Das hat gravierende Folgen.
Ich möchte nun aus dem Brief des Städte- und des Gemein detags vom 26. Juli 2010 zitieren, denn solche Aussagen liest man nicht oft in Stellungnahmen von kommunalen Landes verbänden:
Damit setzt das Land das Vertrauen aufs Spiel, das Vor aussetzung für die Regelung wesentlicher Fragen zwi schen Land und Kommunen durch Vereinbarung ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es kann doch nicht sein, dass in einer Augen-zu-und-durch-Mentalität ein Gesetzentwurf verabschiedet werden soll, den weder die kommunalen Lan desverbände noch die freien Träger so umsetzen können und wollen.
Lassen Sie mich zum Schluss noch den letzten strittigen Punkt ansprechen. Das ist die Kritik daran, dass die Mindestperso nalstandards nicht auf Kinder unter drei Jahren angewendet werden. Kollege Hoffmann, in Ihren Aussagen in der ersten Lesung kam ganz klar zum Ausdruck, dass Sie davon ausge hen, dass der Orientierungsplan auch für Kinder unter drei Jahren Gültigkeit hat. Sie sprachen von den altersgemischten Gruppen, in denen auch Kinder unter drei Jahren sind. Dann wäre doch die richtige Feststellung, dass sich auch hier der Personalschlüssel verändern muss. Gerade für Sie, Herr Kol lege Hoffmann, müsste das doch ein wichtiges Ansinnen sein, da gerade wissenschaftliche Erkenntnisse der Bindungs- und Hirnforschung konstatieren, dass es, je schlechter der Perso nalschlüssel für die Kleinkindbetreuung ist, umso schwieri ger für kleine Kinder ist, eine Bezugsperson zu haben und Bindungen aufzubauen.
Sie stellen das fest, aber konsequent sind Sie nicht. Denn sonst müssten die zukünftigen Mindestpersonalstandards auch für Kinder unter drei Jahren gelten. Deshalb muss man leider fest stellen, dass die Landesregierung mit diesem Gesetzentwurf weit hinter ihren Ankündigungen zurückgeblieben ist. Das ist ein Armutszeugnis für die frühkindliche Bildung und konter kariert alle Ankündigungen von Frau Ministerin Schick, die einen besonderen Schwerpunkt auf die frühkindliche Bildung setzen wollte.
Deshalb, sehr verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, werden wir den Änderungsanträgen der SPD zustimmen und, wenn Sie die Änderungsanträge ablehnen, den Gesetzentwurf ablehnen.
Frau Präsidentin, verehr te Kolleginnen und Kollegen! Ich kann es kurz machen. Kol lege Hoffmann hat aus unserer Sicht die wichtigen Themen in diesem Bereich angesprochen. Herr Hoffmann, ich freue mich sehr über Ihre Aussage, dass auch Sie sich wünschen, dass es verbindlich wird. Halten wir an diesem Ziel fest, und versuchen wir, dieses Ziel wirklich gemeinsam zu erreichen. Denn es ist in der Tat sinnvoll, dass wir unser ursprüngliches Bemühen, die Elemente des Orientierungsplans wirklich über all in die Fläche zu geben, nicht aus den Augen verlieren und weiterhin bemüht sein werden, das anzustreben und umzuset zen.
Dieser erste Schritt, den wir gehen, kostet uns schon 200 Mil lionen €. Wir sind froh, dass wir diesen ersten Schritt gehen können. Es ist für uns ein erster Schritt, und wir werden, so weit es die Finanzlage gestattet, hier weitere Schritte gehen, wobei ich mir auch nicht verkneifen möchte, hier noch ein mal darauf hinzuweisen, wie ich es schon oft an dieser Stelle getan habe: Jeder Euro, den wir in den frühkindlichen Bereich investieren, bringt eine hohe Rendite. Dieser Bereich muss wirklich so ausgestattet werden, dass wir uns später viele Re paraturmaßnahmen sparen können.
Zum Thema Ausführungsverordnung: Die Probleme haben auch uns erreicht, und an der einen oder anderen Stelle wird man sicherlich noch etwas genauer hinschauen müssen. Aber jetzt geht es erst einmal um die Novellierung des Gesetzes. Wir vonseiten der FDP/DVP-Fraktion werden dem vorgeleg ten Gesetzentwurf natürlich zustimmen.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin mit Ihnen, Herr Mentrup – wie manchmal –, einer Meinung, dass es sich heute um einen Zwischenschritt handelt. Allerdings kann ich das Adjektiv „traurig“ beim bes ten Willen nicht unterstützen, denn für mich ist es ein freudi ger Zwischenschritt; aber es ist ein Zwischenschritt bei der Erledigung einer Jahrhundertaufgabe, und nicht weniger als dieses ist der Hintergrund.
Wir sind dabei, die Bedeutung der frühkindlichen Bildungs phase anzuerkennen und dafür die richtigen Schritte zu tun, in einem Tempo, das vertretbar und wahrnehmbar ist und deut liche Zeichen setzt, aber nicht in einem Tempo, das einem Stoppschild entspricht, bei dem wir sagen würden, wir wären fertig. Meine Damen und Herren, ja, es ist ein Zwischen schritt, aber ein freudiger.
Verehrte Frau Lösch, ich fühle mich in meinen Ankündigun gen, hier einen Schwerpunkt zu setzen, nicht konterkariert, sondern ganz im Gegenteil unterstützt. Was passiert mit der Gesetzesvorlage, die wir hier zu beraten haben? Wir setzen Zeichen für die Verbesserung der Bildungssituation unserer kleinen, jungen Menschen in dem Maße, wie es verhandelt worden, wie es machbar und wie es finanzierbar ist, ohne zu behaupten, dass dies in den nächsten 100 Jahren nicht weiter entwickelt werden dürfte.
Deswegen lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dafür auch die Prioritätensetzung hinzubekommen. Meine Unter stützung, nächste Schritte folgen zu lassen, haben Sie dabei.
Ich würde vorschlagen, dass wir die Diskussion über die Ver bindlichkeit des Orientierungsplans mit Fakten untermauern, anstatt sie auf formalen Regelungen basierend zu führen. In der Praxis ist der Orientierungsplan verbindlich umgesetzt. Es gibt kaum einen Kindergarten oder eine Kindertagesstätte, die nicht nach diesen Schwerpunkten des Orientierungsplans ar beiten oder dabei sind, sich in ihrer Arbeit zu diesen Schwer punkten hinzuentwickeln.
Auch die Sorge, dass die späte Behandlung des Gesetzes die Kinder von den notwendigen Verbesserungen des Personal schlüssels sozusagen verschonen würde, ist ungerechtfertigt; denn Sie haben bereits bei der Verabschiedung des Haushalts begleitgesetzes im Februar dieses Jahres die finanziellen Vo raussetzungen dafür geschaffen. Das heißt, die Umsetzung läuft, und die Kinder profitieren von diesem aus meiner Sicht wichtigen Zwischenschritt der Verbesserung des Personal schlüssels und der inhaltlichen Neukonzeptionierung der früh kindlichen Bildung.
Wir gehen hier den Weg weg von der Betreuungsorientierung zur Bildungsorientierung. Das wird in den nächsten Jahren noch sehr, sehr viel deutlicher der Fall sein müssen.
Ich habe auch angekündigt, dass wir gegen Ende dieses Jah res ein Gesamtkonzept zur frühkindlichen Bildung vorlegen werden; da werden sich dann die nächsten Schritte andeuten. Ich hoffe, dass Sie dann nicht mehr ganz so traurig über die Schritte sein müssen, die wir jetzt getan haben.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch ein abschlie ßendes letztes Wort zu der unendlichen Diskussion über die Handlungsfähigkeit und Lösungsfähigkeit vor Ort sagen. Es geht um das Kann oder Soll in der Diskussion zwischen den freien Trägern und den Kommunen.
Ich bin immer wieder ein bisschen irritiert darüber, dass ge rade aus den Fraktionen, die ansonsten in der Bildungspolitik die Zuständigkeits- und Verantwortungsverlagerung auf die kommunale Ebene fordern, immer wieder die Kritik kommt, wir dürften doch hier gerade dieses eine nicht tun, nämlich Verantwortung auf die kommunale Ebene delegieren und sa gen: Ihr müsst euch vor Ort in einem Diskussionsprozess ei nigen. Meine Damen und Herren von der Opposition, gestat ten Sie mir, jetzt ein bisschen flapsig zu sagen: Gehen Sie doch den beiden nicht auf den Leim, die sich da gern vor einem lo kalen und kommunalen Diskussionsprozess drücken wollen und die nun zum großen Bruder und zur großen Schwester ge
Seien Sie uns doch bitte dankbar, dass wir das nicht tun. Denn sonst hätten wir einen Beweis dafür geliefert – entgegen Ih rer Strategie –, dass man sich nicht vor Ort einigen kann. Das entspricht nicht einmal unserer Haltung, obwohl wir ansons ten sehr für klare Vorgaben sind.
Meine Damen und Herren, die Verbesserung findet ab dem 1. September 2010 statt. Die frühkindliche Bildung erhält ei nen nachhaltigen Schub, sowohl qualitativ als auch quantita tiv, und damit setzen wir die richtigen Zeichen.