Protocol of the Session on October 12, 2006

In einer Pressemitteilung des Justizministeriums vom 10. Oktober 2006 wird genau auf diese Qualifikation, dieses Netzwerk von unterschiedlichen Einrichtungen vor Ort in den Regionen verwiesen und ausdrücklich auf die Bewährungshilfe Bezug genommen. Wenn Sie das Netz entzerren, das eines der hauptsächlichen Kosteneinsparungspotenziale nach dieser Privatisierung sein soll, dann laufen wir Gefahr, dass wir in diesem Bereich wieder keine Kosten sparen.

Dass es so ist, kann man auch daran sehen, dass von 16 Bundesländern ausschließlich Baden-Württemberg diesen Bereich privatisieren will. Kein anderes Bundesland sieht das so. Alle anderen Bundesländer haben nach gründlicher Prüfung festgestellt, dass die Kosteneinsparung bei einem Verbleib der Bewährungs- und Gerichtshilfe in öffentlicher Hand eher zu erreichen ist.

Ich war auf einer Tagung in Bad Boll. Dort waren Referenten aus Bayern und Hessen anwesend. Sie haben über Baden-Württemberg nur den Kopf geschüttelt. Sie konnten überhaupt nicht verstehen, wie ein Land glaubt, auf diese Weise Kosten einsparen zu können. Sie selbst sind zu einem anderen Ergebnis gekommen und sind damit nicht alleine geblieben. Insofern werden wir dem Antrag der Grünen geschlossen mit geballter Kraft

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Lückenhaft!)

zustimmen und hoffen, dass er auch insgesamt eine Mehrheit bekommt.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Sehr gut!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Oelmayer.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Lieber Kollege Sakellariou, ich habe schon eine Gemeinsamkeit zwischen beiden Anträgen entdeckt,

(Zuruf des Abg. Dr. Nils Schmid SPD)

wegen der sie gemeinsam behandelt werden. Das ist einfach das Thema der Privatisierung. Beim Antrag Drucksache 14/285 geht es um die Privatisierung des Strafvollzugs und der dort tätigen Bediensteten, und beim Antrag Drucksache 14/292 geht es um die Privatisierung der Bewährungshilfe. Das heißt, wir haben tatsächlich einen gemeinsamen Ansatz.

Zum Thema „Einsatz privater Sicherheitsdienste im Strafvollzug“ will ich mich relativ kurz fassen. Da kann man eigentlich Entwarnung geben, weil das Justizministerium in der Stellungnahme ja selbst mitteilt, dass es sich beim Einsatz der Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsdienstes nicht um ein Pilotprojekt gehandelt habe und der Justizvollzug tatsächlich hoheitliche Aufgabe bleiben soll.

Das heißt, es scheint ein Ausnahmetatbestand zu sein. Deswegen will ich es dabei schon bewenden lassen. Ich gehe davon aus, dass das Justizministerium und die Mehrheit des Landtags diese Auffassung auch weiterhin vertreten.

Damit komme ich zum Thema „Verzicht auf die Privatisierung der Bewährungs- und Gerichtshilfe in Baden-Württemberg“. Wir haben dazu einen Antrag ins Parlament eingebracht mit dem Ziel, von dieser Privatisierung zum 1. Januar 2007 Abstand zu nehmen. Weshalb? Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben hier ein Gesetz beschlossen, das sich wie folgt nennt – den Titel muss ich selbst nachlesen, weil er kompliziert ist –: Landesgesetz über die Bewährungs- und Gerichtshilfe sowie die Sozialarbeit im Justizvollzug vom 13. Juli 2004. In § 7 Abs. 1 dieses Gesetzes ist vorgesehen, dass ein sogenanntes Pilotprojekt von längstens drei Jahren durchgeführt werden soll, um zu überprüfen, ob und, wie ich auch meine, wie die Privatisierung der Gerichts- und Bewährungshilfe funktioniert.

Logischerweise schließt jeder vernünftig denkende Mensch – auch ein Abgeordneter –

(Zuruf des Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP)

daraus, dass ein Pilotprojekt deshalb gemacht wird, weil man etwas ausprobieren will. Wenn man etwas ausprobieren will, muss man evaluieren, muss man prüfen, ob das, was man ausprobiert hat, auch richtig funktioniert. Hier war etwas ganz anderes der Fall. Bereits lange bevor das Gesetz beschlossen war, war vonseiten der Landesregierung eigentlich klar, dass die Privatisierung umgesetzt werden soll.

Ein weiterer Umstand kommt hinzu: Die Privatisierung der Gerichts- und Bewährungshilfe ist der einzige Bestandteil der sogenannten großen Justizreform, die die ehemalige Justizministerin des Landes im Jahre 2003 vorgestellt hat. Nichts, aber auch gar nichts anderes ist davon übrig geblieben. Deswegen muss aus Sicht der Landesregierung die Bewährungshilfe im Land jetzt mit aller Macht privatisiert werden. Das ist der strategische Hintergrund und kann allein nicht die Begründung sein.

Wir Grünen – Herr Minister, vielleicht richten Sie Ihrer Pressesprecherin einen schönen Gruß von mir aus – haben nicht „krampfhaft“ nach einer rechtlichen Begründung gesucht. Wir wollen die Privatisierung politisch nicht. Das können Sie ihr ruhig berichten. Ihre Pressesprecherin hat den Begriff „krampfhaft“ in die Pressemitteilung hineingeschrieben, aber wir haben nicht krampfhaft nach einer rechtlichen Begründung gesucht. Vielmehr gibt es rechtliche Argumente, die unseres Erachtens bei der Verfassung anfangen und bei einfachen gesetzlichen Vorgaben vielleicht noch lange nicht aufhören. Insofern ist diese Pressemitteilung vielleicht auch ein Eingeständnis dessen, dass man möglicherweise doch noch einmal ins Auge fassen sollte, die Evaluierung auszusetzen. Aber die Hoffnung, dass Sie über Ihren Schatten springen, habe ich eigentlich schon fast aufgegeben.

Ich will zwei, drei Punkte nennen, warum wir der Meinung sind, dass die Privatisierung hier nicht der richtige Weg ist. Nicht dass Sie denken, wir hätten immer, grundsätzlich und in jedem Fall etwas gegen Privatisierung – dort, wo sie sinnvoll ist, mag sie ja richtig sein. Aber wir haben drei entscheidende Gründe, warum wir uns hier gegen die Privatisierung aussprechen.

Erstens sind verfassungsrechtliche Bedenken zu nennen. Darüber lässt sich diskutieren; das ist keine Frage. Wir sind

der Auffassung: Bewährungshilfe zählt zum hoheitlichen Bereich, zum Kernbereich hoheitlicher Tätigkeit.

(Beifall des Abg. Reinhold Gall SPD)

Warum? Weil Bewährungshelferinnen und Bewährungshelfer unter anderem darüber entscheiden, wenn Auflagen – –

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Die ent- scheiden doch nicht!)

Jetzt hören Sie doch zu, Herr Kollege. Das weiß ich aus der täglichen Praxis: Die entscheiden natürlich darüber, ob sie Verstöße gegen Bewährungsauflagen an das Gericht weiterleiten und die Bewährungsstrafe dann zum Vollzug kommt. Wenn das keine hoheitliche Tätigkeit ist, dann weiß ich auch nicht.

(Zuruf des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP)

Das ist die erste Begründung.

Die zweite Begründung, die ich Ihnen nennen möchte: Nicht rechtlich krampfhaft, sondern rechtlich sachverständig haben wir uns die Sache angesehen. Es gibt eine zweite Begründung. Es gibt einen sogenannten beamtenrechtlichen Funktionsvorbehalt, wonach hoheitliche Befugnisse in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen sind. Davon kann man Ausnahmen machen, wenn es zum einen eine gesetzliche Grundlage gibt – die gibt es hier, das will ich nicht bestreiten; der Landtag hat dieses Gesetz mehrheitlich beschlossen – und wenn zum anderen sachliche Gründe dafür sprechen.

Erst mit unserer Großen Anfrage haben wir dafür gesorgt, dass die Landesregierung überhaupt einmal offengelegt hat, was denn die Gründe für diese Privatisierung sein sollen. Vielleicht war das bei den Regierungsfraktionen anders. Jedenfalls uns gegenüber wurden bis zu diesem Zeitpunkt, bis die Landesregierung auf die Große Anfrage geantwortet hat, keine sachlichen Gründe genannt.

Als sachliche Gründe werden die folgenden genannt – hören Sie jetzt gut zu –: Da geht es um die Reduzierung der Standorte, die man seit Jahren bei Gerichten fundamental ablehnt. Das macht überhaupt keinen Sinn. Logischerweise muss die Bewährungshilfe den Gerichtsstandorten folgen. Wenn man schon Standorte reduzieren will, sollte man erst einmal die Gerichtsstandorte reduzieren und dann die Bewährungshilfestandorte, meinetwegen auch beide miteinander. Aber dafür brauche ich keine Privatisierung. Das ist das Erste.

(Zuruf des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP)

Das Zweite ist: Jetzt wird argumentiert, man brauche eine klasse EDV-Ausstattung, um die Effizienz bei der Bewährungshilfe zu erhöhen. Selbstverständlich braucht man sie. Man braucht sie aber natürlich genauso, wenn das ein privater Träger übernimmt. Deswegen wird die Privatisierung an dieser Stelle schon einmal Mehrkosten verursachen, weil der private Träger von vornherein gesagt hat – – Übrigens ist dieser Träger als Einziger nach der Ausschreibung noch übrig geblieben. Vielleicht hätte man gar keine Ausschreibung durchführen müssen, wenn man schon ein Pilotprojekt einleitet, bei dem von vornherein klar ist, dass es gar kein

Pilotprojekt, sondern die endgültige Umsetzung sein soll. Trotzdem hat man ausgeschrieben. Es bleibt aber nur der übrig, der das Pilotprojekt betreut.

(Zuruf des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP)

Und der sagt jetzt: „Ich brauche eine klasse EDV-Ausstattung.“ Was sagt jetzt das Ministerium? Natürlich brauchen wir die. Die bräuchten wir aber genauso und könnten wir genauso gut realisieren, wenn das im hoheitlichen Bereich bliebe.

Ich will noch weitere Punkte nennen: Verstärkter Einsatz ehrenamtlicher Bewährungshelfer. Niemand hindert uns, das zu tun. Das Gesetz gibt diese Möglichkeit. Insofern ist das keine Begründung für eine Privatisierung.

Verstärkte Kooperation mit den Trägern der freien Straffälligenhilfe, verbesserte Fachaufsicht und flexibler Personaleinsatz. Das mag ja das Allerletzte sein, was vielleicht eine Begründung wäre. Damit will ich dann in Anbetracht meiner Redezeit auch schließen.

Das Kostenargument: Die fiskalische Überlegung ist das Einzige, von dem Sie wohl glauben, dass Sie damit die Effizienzrendite erreichen können. Wir haben jetzt die Zahlen aus dem Ministerium bekommen. 25 Millionen € werden im Jahr für die Bewährungshilfe ausgegeben. Die Effizienzrendite soll 10 bis 15 % betragen. Wenn man weiß, dass 70 % der Kosten für die Bewährungshilfe Personalkosten sind, und eine Effizienzrendite von 10 bis 15 % erzielen will, dann wird diese natürlich im Wesentlichen im Personalbereich erbracht werden müssen.

Das wollen Sie durch den Einsatz von Ehrenamtlichen ausgleichen. Dass das geht, glaubt kein Mensch. Auch die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass das allein mit ehrenamtlicher Tätigkeit nicht zu leisten sein wird. Das heißt, es wird zur Reduzierung von Personal kommen. Wir haben schon jetzt Bewährungshelferinnen und Bewährungshelfer, die über 100 Probanden betreuen. Es wäre ehrlich und logisch gewesen, wenn Sie gesagt hätten, Sie wollten das so machen wie in Österreich; weil Sie darauf immer Bezug nehmen. Der Kollege hat das schon gesagt. 30 Probanden pro Bewährungshelferin oder Bewährungshelfer ergibt eine adäquate Bewährungshilfe. Das ergibt auch das Potenzial zur Rückführung in die Gesellschaft, zur echten Resozialisierung.

All diese Wege, all diese Ziele können Sie auch ohne diese von Ihnen angedachte Privatisierung erreichen. Deswegen haben wir den Antrag gestellt, dass der Landtag sich dafür entscheidet, dieses Privatisierungsvorhaben, für das es keine sachliche und keine rechtliche Begründung gibt, zumindest auszusetzen. Deswegen bitte ich Sie um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Das Wort erhält Herr Abg. Zimmermann.

Frau Präsidentin, meine lieben Damen und Herren! Sie, die jetzt noch da geblieben sind, sind mir jetzt ganz lieb willkommen.

(Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Mitten in der Nacht!)

Ich hoffe nicht, dass die späte Behandlung dieses Tagesordnungspunkts den Stellenwert widerspiegelt, den dieses Thema in der Politik hat. Aber ich kann mich dieses Eindrucks trotzdem nicht erwehren.

(Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Da sieht man, weshalb man eine Parlamentsreform braucht!)

Ich hätte ihn gern weiter vorn auf der Tagesordnung gesehen, weil er doch wichtig ist. Sie würden den Antrag stellen, darauf zu verzichten.

Wir haben zwei Anträge vorliegen. Handeln wir den einen ganz kurz ab. Herr Sakellariou, es geht um den Einsatz privater Sicherheitsdienste. Sie kennen meine Einstellung zur Privatisierung im Justizvollzug, insbesondere zur Teilprivatisierung im Strafvollzug. Dazu habe ich eine etwas andere Ansicht und Einstellung als das zuständige Ministerium und auch der Minister.

(Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Dieselbe wie ich!)

Aber in diesem Punkt – Rottenburg und das, was Sie aufgegriffen haben, Herr Sakellariou – geht es um Umbaumaßnahmen, die in der JVA Ravensburg dringend anstehen. Man hat die Gefangenen jetzt in nahe gelegene Justizvollzugsanstalten verlegen müssen, unter anderem nach Rottenburg.