Ich nenne Ihnen als anderes Beispiel die Stadt Ulm. Dort gibt es eine Initiative der Stadtverwaltung, ein lokales Bündnis für Familien zu gründen, ohne dass das Land da etwas tun müsste. Zentrales Vorhaben ist in diesem Fall, zusammen mit ortsansässigen Firmen neue Kindergartengruppen einzurichten. Die IHK sagt: Es gibt genügend Unternehmen, die bereit sind, sich hier einzubringen.
Bei der letzten Debatte waren wir uns ja darüber einig, was bedarfsgerechter Ausbau bedeutet. Sie sagten, Frau Lösch – ich zitiere Sie jetzt –:
Das heißt nicht, dass die Quote in Biberach, in Stuttgart und in Freiburg überall 20 % betragen muss. Das heißt vielmehr, dass die Quote beispielsweise in Biberach 6 % und in Freiburg 35 % betragen kann. Also: Nicht pauschal, sondern prozentual
im Durchschnitt wollen wir bis zum Jahr 2010 auf eine Betreuungsquote von mindestens 20 % kommen, so wie es das Kindertagesbetreuungsgesetz auch vorschreibt.
So weit die Kollegin Lösch in der letzten Plenarsitzung vor der parlamentarischen Sommerpause. Heute hingegen sagen Sie: Nein, wir wollen überall die gleiche – –
(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Eine landesweite durchschnittliche Versorgungsquote, Kollege Klenk! Hören Sie mir einmal zu, und drehen Sie mir nicht das Wort im Mund herum!)
Die Quote liegt in Freiburg bei 16 %. Unter dem Landesdurchschnitt liegen dagegen Pforzheim und der Ostalbkreis. Das haben Sie gegenüber der Presse gesagt. Heute sagen Sie hier, besonders auf dem Land seien die Defizite sehr hoch.
Da kann ich Ihnen nur sagen: Sie haben vermutlich nicht verstanden, was bedarfsgerechter Ausbau heißt.
Bedarfsgerechter Ausbau heißt, dass dort, wo der Bedarf besteht und ein Angebot gewünscht wird, ein Angebot zur Verfügung gestellt wird. Mit Ihrer Aussage, dass es ein Defizit im Land darstellt, wenn jemand das nicht will und die Betreuung selbst organisiert – ob in der Familie, in der Verwandtschaft oder wo auch immer –, liegen Sie doch völlig falsch.
Deswegen kann ich Ihnen nur sagen: Ihren Ansatz müssen Sie noch einmal überdenken. Das ist ein falscher Ansatz. Wir stehen nach wie vor dazu: bedarfsgerechter Ausbau in diesem Land bis zum Jahr 2010. Das werden wir auch erreichen.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich kann ja schon ganz gut nachvollziehen, dass sich Herr Kollege Klenk nicht so gern mit den Zahlen und dem Ausbaubedarf beschäftigen mag. Denn leider gilt im Bereich der Kleinkindbetreuung in Baden-Württemberg, Herr Kollege Klenk, auch wenn Sie den schönen Begriff vom „Kinderland“ geprägt haben – er ist wirklich schön –, immer noch, wie in vielen anderen Bereichen: Nicht überall, wo „Kinderland“ draufsteht, ist auch tatsächlich „Kinderland“ drin.
Ich freue mich, dass wir über die Notwendigkeit des Ausbaus der Kleinkindbetreuung hier im Haus nicht mehr streiten müssen.
Wir haben uns anderthalb Jahre sehr intensiv mit den Notwendigkeiten dafür im Rahmen der demografischen Veränderungen befasst und wissen: Wir brauchen diesen Ausbau, weil wir eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf brauchen; denn das ist die Voraussetzung dafür, dass sich wieder mehr junge Menschen für ein Leben mit Kindern entscheiden, und das wollen wir.
Das Zweite – auch das ist eine Antwort auf demografische Veränderungen –: Wir brauchen alle Bildungspotenziale in unserer Gesellschaft. Dazu sind frühkindliche Bildung und frühkindliche Betreuung ein wichtiger Beitrag.
Aber wo stehen wir in Baden-Württemberg bisher? Frau Kollegin Lösch hat es gesagt: Wir tragen mit Bayern – so der jüngste Bericht der Bundesfamilienministerin – weiterhin tapfer die rote Schlusslichtlaterne, was den Ausbau der Kleinkindbetreuung betrifft. Gerade einmal für 8,7 % der Kinder haben wir ein Angebot, wenn wir alles zusammenkratzen, was es da so gibt.
Wir wissen, dass wir – selbst wenn wir die niedrigste Variante nehmen, von der ich nicht glaube, dass sie haltbar ist, Frau Ministerin, nämlich auf der Basis Ihrer Erhebung die Zahl von 15,5 % – – Sie wissen, die Statistiker gehen von anderen Zahlen aus. Wir haben eine familienwissenschaftliche Forschungsstelle. Sie beziffert den Bedarf zwischen 16 und 23 %, wohlgemerkt mit regionalen Unterschieden.
Das heißt, wenn wir im bisherigen Tempo weitermachen – jährliche Steigerung 1 %; das war die Steigerung, die wir in den letzten Jahren hatten –, dann verfehlen wir diese Zielmarke klar. Deshalb sage ich im Namen der SPD-Fraktion: Sie müssen in diesem Bereich endlich einen Kraftakt leisten und aufhören zu kleckern.
Das ist nicht etwas Beliebiges, sondern wir haben einen klaren bundesgesetzlichen Auftrag sowohl durch das Tagesbetreuungsausbaugesetz als auch durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe, nämlich den Auftrag, einen bedarfsgerechten und qualitätsorientierten Ausbau vorzunehmen.
Jetzt haben Sie Verwaltungsvorschriften vorgelegt, die dieses Ziel erfüllen sollen. Dazu möchte ich den früheren Ministerpräsidenten des Landes, Erwin Teufel, zitieren. Er hat einmal gesagt – damals ging es um die Verwaltungsreform –: „Wer Veränderungen will, der ist beweispflichtig, dass eine solche Veränderung auch Verbesserung bedeutet.“
Frau Ministerin, das, was Sie bisher im Anhörungsentwurf der Verwaltungsvorschriften sowohl für die Kleinkindbetreuung als auch für die Tagespflege vorgelegt haben, wird diesem Anspruch nicht gerecht.
Ich gebe Ihnen gern zu, dass Sie gegenüber den Vorentwürfen nun einige Kröten herausgenommen haben. Sie planen eine Weiterförderung der betreuten Spielgruppen. Sie haben Übergangsfristen vorgesehen. Aber es bleibt dabei: Für die meisten Gruppen gibt es Verschlechterungen. Das möchte ich insbesondere Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen aus dem ländlichen Raum, mitgeben.
Zwei Drittel der Gruppen sind Elterninitiativen mit unglaublichem ehrenamtlichem Engagement. Sie loben das Ehrenamt. Sie loben einen Ehrenamtspreis aus. Darin sind wir uns sicher einig. Aber das, was Sie planen, trifft Elterninitiativen und insbesondere die Angebote im ländlichen Raum bis ins Mark. Das, was Sie tun, ist genau das Gegenteil dessen, was Sie sagen. Mit dieser Veränderung der Verwaltungsvorschriften werfen Sie dem Ehrenamt Knüppel zwischen die Beine.
Wenn wir diese Zukunftsaufgabe für das Land sowohl im Bereich der Familienpolitik als auch im Bereich der Bildungspolitik und im Bereich der Wirtschaftspolitik wirklich ernst nehmen – denn in all diese Bereiche spielt die Kleinkindbetreuung hinein –, wenn wir sagen, das sei eine der großen Zukunftsaufgaben, die das Land hat – so sehen wir als SPD das –, dann müssen wir beides tun: Wir müssen in gemeinsamer Verantwortung mit den Kommunen, mit den Trägern und den Eltern
dafür sorgen, dass deutlich mehr Plätze entstehen, und wir können es nicht beim Förderbeitrag von 10 % belassen. Die
Kleinkindbetreuung, meine sehr geehrten Damen und Herren, darf dem Land nicht weniger wert sein als die Kindergartenförderung.