Protocol of the Session on October 12, 2006

Gleichzeitig wird gesagt: Im Jahr 2010 oder 2013 beenden wir den Anbaustopp; dann könnt ihr wieder Wein anbauen. Es ist Irrsinn, jetzt Prämien für die Rodung von Flächen zu bezahlen und 2013 alle Flächen wieder zum Anbau freizugeben. Das ist Unsinn. Die jetzigen Anbauflächen sind die Flächen, die Qualitätswein bieten und dafür bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Die europäischen Weine, die deutschen und die badischen Weine sind wichtig, weil sie Qualitätsweine sind.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Und die württembergi- schen!)

Nur so können sie sich auf dem Markt durchsetzen.

Zu unserer Marktposition: Deutschland erbringt 1,3 % der weltweiten Weinproduktion. Damit sind wir nicht gerade ein großer Hirsch. Der Anteil Baden-Württembergs liegt bei 0,2 %. Damit bewegen wir wirklich nicht die Welt – auch nicht Europa.

Jede zweite Flasche Wein in Deutschland stammt aus dem Ausland, und jede zweite Flasche, die in Deutschland verkauft wird, meine Damen und Herren, kommt aus dem Discounter. Dort ist niemand, der Ihnen erklärt, wie gut der Wein ist, warum er gut ist und was er hat. Jede zweite Flasche der Discounter kommt aus dem Aldi!

In Deutschland gibt es 781 Weingüter und 130 Genossenschaften. Die müssen an die wenigen Großhandelsketten verkaufen.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Das schaffen die gar nicht!)

Das heißt, wir sind in derselben Situation wie vor 100 Jahren, als die Genossenschaften gegründet wurden: Ein Haufen Erzeuger steht drei, vier oder fünf Großabnehmern gegenüber.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abgeordneter, ich darf Sie bitten, zum Ende zu kommen.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Das wäre mir aber noch wichtig!)

Danke. – Wenn sich diese Marktstrukturen nicht ändern, wird sich auch am Markt des Weines nichts ändern. Deswegen unsere Forderung an die Landesregierung. Sie bejaht einige Vorschläge der EU, aber der entscheidende fehlt – auch in der EU –, und den müsste die Landesregierung ergänzen: Die von den 1,3 Milliarden € eingesparten Gelder müssen für Marktstrukturverbesserungen beim Wein ausgegeben werden. Dann haben auch Baden und Württemberg einen Nutzen davon.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Heiderose Ber- roth FDP/DVP – Abg. Claus Schmiedel SPD: Sehr gut!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Pix.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, sehr geehrte Hoheit im Ruhestand! Schließlich ist Frau Gurr-Hirsch ehemalige Weinkönigin, und auch meine Vorrednerin von der Fraktion der FDP/ DVP wird es noch dazu bringen, wenn sie so weitermacht.

(Heiterkeit – Zuruf: Ach was! Bestimmt nicht! Nie im Leben! – Weitere Zurufe)

Denn das war wirklich eine tolle Bewerbungsrede für die Wahl zur Weinkönigin. Damit es wieder einmal eine badenwürttembergische Weinkönigin gibt, würde ich Ihnen empfehlen, sich einmal zu bewerben.

(Beifall des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP – Abg. Jochen Karl Kübler CDU: Den Wengert hat sie schon!)

Warum reden wir im baden-württembergischen Landesparlament über eine EU-Weinordnung, und das zum heutigen Zeitpunkt, wo es eigentlich zu spät ist? Die Agrarministerkonferenz hat bereits am 4. September getagt. Es wurden die wesentlichen Punkte und Erfordernisse für das Weinbauland Baden-Württemberg erarbeitet. Eine Entschließung wurde bereits am 22. September im Bundesrat verabschiedet.

Wenn unter der deutschen EU-Ratspräsidentschaft zum Jahreswechsel auf EU-Ebene verhandelt wird, ob die deutschen bzw. die baden-württembergischen weinbaulichen Belange umsetzbar sind, habe ich doch große Hoffnungen.

Wenn man sich einmal intensiv damit beschäftigt, was in den letzten 15 Jahren hier im Ländle passiert ist, werden sich die einen oder anderen noch erinnern – Herr Schätzle insbesondere –: Wir haben mit einer sogenannten Hektar

höchstertragsbegrenzung und einem Anbaustopp angefangen, womit eine Qualitätssteigerung und eine Verbesserung der Absatzmärkte der badischen und württembergischen Winzer einhergingen.

Heute stellen wir fest, dass alle diese Bemühungen nichts genützt haben und wir trotz allem wieder da sind, wo wir damals angefangen haben. Es ist zu erwarten, dass 2011 nicht nur der Landeshaushalt konsolidiert ist, sondern auch 15 % der gesamten Exporte aus Übersee den deutschen Weinmarkt überschwemmen werden. Wenn man sich das bewusst macht, dann hat man ungefähr eine Ahnung von der Katastrophe, die sich hier anbahnt, und dann versteht man vielleicht auch, warum hier politisches Handeln dringend erforderlich und notwendig ist. Dann versteht man vor allem sicherlich auch, was für Gefahren damit für das Ländle verbunden sind, insbesondere für die Weinkulturlandschaft, die man hier als besonders hochwertig einschätzt und an der auch der Tourismus und viele andere Bereiche partizipieren. Unser gesamtes Wirtschaftsleben hier in Baden-Württemberg ist letztendlich auch mit dieser Art von Weinkultur und Weintradition verbunden.

Lassen Sie mich kurz etwas zur Kultur sagen. Ich will mich bemühen, nicht alles, was bereits dreimal wiederholt wurde, noch einmal zu sagen, sondern auf ganz bestimmte Dinge einzugehen. Neulich beim internationalen Weinbausymposium antwortete mir ein australischer Kollege im Gespräch auf die Frage, wie denn eigentlich die gesetzlichen Grundlagen in Australien seien, nach kurzem Zögern: „It should be 80 % from grapes.“

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Oh, doch so viel!)

Ein Getränk, das nur zu 80 % aus Weintrauben besteht, hat in meinen Augen nichts mehr mit dem Begriff Wein zu tun. Das kann man höchstens noch als weinhaltiges oder weinähnliches Getränk bezeichnen. Genau diese Differenzierung müssen wir in Zukunft vornehmen, um auch in der Öffentlichkeit das Bewusstsein zu schaffen und zu fördern, dass es sich hier nicht um Weinimporte handelt, sondern dass es hier um eine international tätige Getränkeindustrie geht, der das völlig egal ist, weil ihr genau dieser Kulturbegriff, der sich bei der Weinherstellung über viele tausend Jahre hinweg bei uns entwickelt hat, fehlt.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Diese Getränkeindustrie stellt ganz beliebig Coca-Cola oder sonst was her und will uns hier unsere Weintradition versauen. Dagegen wehre ich mich, da stehen wir Grüne dagegen, und da werden wir aufstehen.

Ich fasse mich jetzt ganz kurz und führe im Schweinsgalopp noch Folgendes aus: Für uns Grüne ist es auch nicht üblich, dass man – das ist leider inzwischen möglich; man kann den 2006er Jahrgang so behandeln – Eichenchips, Eichenpellets und Eichenspäne einsetzt. Das sind für uns Grüne hervorragende regenerative Energieträger, haben aber als aromatisierende Weinkiller in unseren Weinflaschen nichts zu suchen. Davon sind wir fest überzeugt, und dafür werden wir kämpfen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Zum Schluss vielleicht noch ein kleiner Witz: Was haben eigentlich ein Parlament und ein Überseewein gemeinsam? Beides lässt sich fraktionieren.

(Heiterkeit)

Bei Spinning-Cone-Column-Weinen, die über den EUUSA-Weindeal nun auch in Europa verkauft werden dürfen, hat die EU leider nicht mit einheitlicher Zunge gesprochen; das wird für viele noch zum Verhängnis werden. Ich hoffe, dass es in Zukunft anders werden wird. Hätten nämlich nicht Frankreich, Italien und Spanien, die sehr abhängig von Exporten nach Amerika sind, ihre individuellen Interessen durchgesetzt, dann stünden wir nicht vor diesem Scherbenhaufen.

Deshalb bitte ich alle, die hier politischen Einfluss nehmen können: Nehmen Sie Einfluss auch auf die Bundespolitik und auf die Europapolitik, damit wir in unserem Terroir in Baden-Württemberg, das aus Muschelkalk, aus Keuper, aus Vulkanverwitterungsböden besteht, …

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abgeordneter, können Sie sich bitte kurz fassen!

… beste Qualität für die Zukunft erzeugen. Lassen Sie uns diese Weintradition unserer Winzer sicherstellen.

Zum Schluss rufe ich Ihnen allen zu:

(Zurufe: Prost!)

Qualität ist geil!

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der SPD sowie der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Frau Staatssekretärin Gurr-Hirsch.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Das ist heute hier eine, möchte ich sagen, doch sehr erfreuliche Veranstaltung mit unglaublich viel Übereinstimmung, was den Wein betrifft. Solche Themen haben wir selten, aber ich möchte bemerken: Diese Übereinstimmung zieht sich heute schon durch den ganzen Tag, und ich denke, das war ein guter Tag für den Parlamentarismus. Denn es hat sich gezeigt, dass wir Abgeordnete dort, wo es um Baden-Württemberg geht, dort, wo es um Wirtschaftskraft geht, zusammenhalten.

Ich darf ganz einfach feststellen: Auch wenn bei diesem Thema immer wieder ein bisschen rüberkommt, dass sehr viel Freude, sehr viel Humor und auch eigene Erfahrungen aufkeimen, ist doch der Wein eine sehr wichtige Kultur in der Landwirtschaft, eine Sonderkultur mit einer sehr hohen Wertschöpfung, um dies einfach einmal ökonomisch auszudrücken. Ich darf mich auch freuen, dass es immer eine Übereinstimmung nicht nur zwischen den Erzeugern in der Weinwirtschaft, sondern auch mit den Verbrauchern in Baden-Württemberg gibt. Denn es gibt ja kein anderes Land,

wo die Verbraucher dem Wein so treu sind. Das ist ganz wichtig. Deswegen freue ich mich auch, dass noch einige Zuhörer diese lebendige Debatte verfolgen konnten. Denn sie sind auch in der Pflicht – wir haben das ja gehört –, sich als bewusste Verbraucher über das Produkt Gedanken zu machen und differenzieren zu lernen.

Warum diese Behandlung? Ich finde, Herr Kollege Pix, Sie waren ja sehr engagiert. Es ist der richtige Zeitpunkt; Sie haben es angesprochen. Im Ministerium beschäftigen wir uns mit diesem Thema schon seit über einem Jahr. Ich möchte feststellen: Es gibt schon lange eine Weinmarktorganisation, und zwar seit den Siebzigerjahren. Da ich schon in einem etwas fortgeschrittenen Alter bin, kann ich mich daran noch erinnern. Wir haben in dieser Weinmarktorganisation Anbauregeln fixiert. Wir haben uns an ihr zu orientieren bei önologischen Verfahren, die vorgeschrieben und definiert sind. Wir haben schon seit vielen Jahren das Instrument der Intervention, in diesem Fall der Destillation. Sie erinnern sich, dass vor allem die Achtzigerjahre von den großen Seen geprägt waren: vom Milchsee, vom Weinsee. Das ist nichts Neues. In der Weinmarktorganisation gibt es auch Qualitätsregeln, und natürlich ist dort auch das Bezeichnungsrecht geregelt.

Warum eine Neubefassung? Weil wir in der WTO vor der Herausforderung stehen, einen liberalen Marktzugang zu schaffen, und weil die von Ihnen beschriebenen Marktmechanismen vorhanden sind, z. B. ein steigender Import. Ich möchte die Zahlen nicht wiederholen. Allein in den letzten Jahren ist dieser Import um 10 % gestiegen. Es trifft nicht ganz zu, wie es von hier aus gesagt wurde, dass wir mehr importieren als exportieren. Der Export übersteigt Gott sei Dank den Import noch um 5 %. Es ist aber zu befürchten – da hat Frau Chef durchaus recht –, dass sich dies in den nächsten Jahren umkehren wird.

Es ist tatsächlich so, dass viele Gebiete in Europa in einer Krisensituation sind, auch Gebiete, die von den meisten Weinfreunden nur als höchste Qualitätsgebiete begriffen werden – Stichwort Bordeaux. Nicht jeder von uns mit verklärten Augen geschätzte Bordeaux ist tatsächlich von höchster Qualität. Gerade im Anbaugebiet Bordeaux hat man die Rebflächen unheimlich ausgeweitet.

Es gibt also einen sehr dringenden Handlungsbedarf. Wir haben uns als Land Baden-Württemberg bereits im letzten Jahr in Brüssel mit einer Veranstaltung eingebracht, wo wir auch mit dem zuständigen Direktor der GD Agri, dem Herrn Hoelgaard, gesprochen haben. Die Weinwirtschaft des Landes war zufrieden, dass sie mit ihrem Anliegen angekommen ist. Dieser Dialog wird natürlich fortgesetzt. Herr Hoelgaard kommt am 9. und 10. November nach Baden-Württemberg. Wir werden ihm dann unseren Weinbau zeigen und ihm ganz deutlich unsere Herausforderungen nennen.

Ich möchte jetzt etwas ironisch anmerken: Es ist schon wichtig, dass die Kommission einmal aus ihrem Palast in Brüssel herauskommt und die Realität wahrnimmt. Denn wenn die Kommission, wie vor wenigen Tagen geschehen, 250 hochkarätige Gäste hat und diese mit südafrikanischem Wein bewirtet, dann muss ich schon fragen, ob man dort begriffen hat, was die Stunde geschlagen hat.