Protocol of the Session on October 5, 2005

dann tun Sie so, als sei das auf Rot-Grün zurückzuführen, während wir den Rest, der noch nicht erreicht ist, auf unsere Kappe nehmen sollen.

(Abg. Drexler SPD: Ja! Natürlich!)

So wird es selbstverständlich nicht gehen, meine Damen und Herren. Es ist vielmehr umgekehrt.

(Lachen bei der SPD)

Die Maßnahmen, die der Kollege Hofer angesprochen hat – ich will sie jetzt gar nicht wiederholen –, sind für BadenWürttemberg besonders typisch. Für Baden-Württemberg ist eben Wasserkraft besonders wertvoll und typisch – vielleicht anders als an anderer Stelle.

(Abg. Hofer FDP/DVP: So ist es! – Zurufe von der SPD und den Grünen, u. a. Abg. Drexler SPD: Sie verhindern, wo es nur geht!)

Für Baden-Württemberg ist eben Erdwärme besonders typisch und ertragreich. Deswegen werden wir uns bei unseren regenerativen Energieträgern auf diejenigen konzentrieren, von denen man sagen kann, dass sie in Baden-Württemberg besonders erfolgreich zur Anwendung kommen können.

(Beifall bei der FDP/DVP – Zuruf von der SPD: Ab wann?)

Ab sofort, selbstverständlich.

Meine Damen und Herren, einen Punkt möchte ich wenigstens noch ansprechen. Es ist wahr, dass Ölpolitik und Energiepolitik auch eng mit dem Automobilstandort BadenWürttemberg zusammenhängen. Das ist ein enger Zusammenhang, den man ernsthaft diskutieren muss, was jetzt vielleicht in dieser Runde nicht mehr ohne weiteres möglich ist. Eines will ich aber schon sagen: Wenn es darum geht, neue Antriebsarten zu entwickeln, wenn es zum Beispiel darum geht, auch synthetische Kraftstoffe aus Biomasse zu fördern, wenn es um diese neuen Technologien geht, dann kann man mit Fug und Recht behaupten, dass sich kein Land bei der Forschungsförderung und der Technologieförderung so angestrengt hat, auf einem so guten Weg ist und so gute Fortschritte erzielt hat wie Baden-Württemberg.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Sie sehen das auch an folgendem Beispiel. Für die Entwicklung von synthetischen Kraftstoffen gibt es eine Richtlinie der EU, die davon ausgeht, dass bis zum Jahr 2005 rund 2 % Biokraftstoffe verwendet werden sollen; dieser Anteil soll bis zum Jahr 2010 auf etwa 6 % erhöht werden. BadenWürttemberg liegt schon heute über den Anforderungen

(Minister Pfister)

dieser Richtlinie der Europäischen Union. Wir sind hier also auf dem richtigen Weg.

Wir dürfen allerdings in unseren Forschungsaktivitäten nicht nachlassen. Das ist auch der Grund, weshalb genau für diesen Bereich, über den wir jetzt sprechen – neue Antriebssysteme, synthetische Kraftstoffe –, ganz aktuell im Jahr 2006 im Forschungszentrum Karlsruhe eine Demonstrationsanlage aufgebaut wird, die das Land mit 7 Millionen € unterstützt. Deshalb hat vorhin Kollegin Brenner zu Recht darauf hingewiesen, dass wir bei der Brennstoffzelle in Forschung und Technologie führend sind.

Ich lasse überhaupt keinen Zweifel daran: Die Frage des Automobilstandorts Deutschland und damit auch die Frage, welche Rolle der Automobilstandort Baden-Württemberg in der Welt zukünftig spielen wird, wird sich nach meiner festen Überzeugung unter anderem, aber maßgeblich, daran entscheiden, wer in Sachen Brennstoffzellentechnik in den nächsten Jahren die Nase vorne hat. Meine Politik – Herr Kollege Kretschmann, davon können Sie ausgehen –, die Politik dieser Landesregierung wird alles, aber auch alles dafür tun, dass der Wettbewerbsvorsprung, den wir schon heute haben, unter gar keinen Umständen aufgegeben wird. Wir wollen in Sachen Brennstoffzellentechnik Spitze bleiben; wir sind es heute und wollen es bleiben. Wenn wir diesen Wettlauf mit den Amerikanern und mit den Japanern gewinnen, dann wird der Automobilstandort Baden-Württemberg in Zukunft allerbeste Chancen haben.

(Beifall des Abg. Kleinmann FDP/DVP)

Ich finde, diese Politik ist bei dieser Landesregierung hervorragend aufgehoben.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, die Redezeiten sind ausgeschöpft. Die Aktuelle Debatte ist beendet, und Punkt 1 der Tagesordnung ist damit erledigt.

Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:

Aktuelle Debatte – Medienkonsum von Kindern und Jugendlichen – beantragt von der Fraktion der CDU

Es gelten die üblichen Redezeiten: je fünf Minuten für die einleitenden Erklärungen – ich werde diesmal darauf achten, dass es nicht länger wird –

(Beifall des Abg. Dr. Caroli SPD – Abg. Dr. Caroli SPD: Jawohl!)

und je fünf Minuten für die Redner der zweiten Runde.

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Pauli.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Kinder und Jugendliche sind das Fundament unserer Gesellschaft von morgen. Deswegen bekommen sie bei uns in Baden-Württemberg ein gutes Fundament in der Bildung und mit gesunder Ernährung.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Bildung und gesun- de Ernährung!)

Wenn wir aber den Medienkonsum betrachten, dann liegt dort einiges im Argen. Kinder werden auch bei uns zu häufig vor dem Bildschirm „geparkt“. Jugendliche lassen sich gerne vom Computer, von PC-Spielen fesseln.

(Abg. Walter GRÜNE: Fesseln?)

Im Durchschnitt schauen drei- bis dreizehnjährige Kinder 93 Minuten pro Tag fern. Im Durchschnitt sehen Kinder und Jugendliche ca. 1 500 Gewalt- und Mordtaten pro Jahr im Fernsehen.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Im „Tatort“!)

Bis zum zwölften Lebensjahr hat ein Kind im Durchschnitt 10 000 Gewalt- oder Mordszenen im Fernsehen erlebt. Bis zum 16. Lebensjahr – das sagen die Studien – haben die Kinder mehr Stunden vor dem Fernseher oder vor dem PC verbracht als in der Schule.

Wenn wir uns das TV-Programm von heute betrachten, dann sehen wir: Die Kinder können heute Nachmittag ab 13 Uhr Diskussionen erleben wie: „Schamlos – Halbnackt fühl ich mich am wohlsten!“, „Unreife Göre! – Wie konntest du bloß Mutter werden?“, „Sturm der Liebe“. Das geht dann weiter bis zu „Die Simpsons: Grandpa gegen sexuelles Versagen“ und vieles andere mehr, zum Beispiel: „Mord verjährt nie“.

(Abg. Drexler SPD: Und wir hocken im Landtag! – Heiterkeit)

Und Sie, Herr Drexler, sitzen hier im Landtag und verschränken die Arme.

Meine Damen und Herren, wir sind uns einig. Ich fange jetzt gar nicht erst an, die Palette der Videospiele oder Computerspiele aufzuzählen, die genauso erschreckend anmutet. Es sind Horrorszenen, die man Ihnen vortragen könnte. Das grenzt an geistige Körperverletzung und an seelische Verwahrlosung. Das ist eine Herausforderung für die gesamte Gesellschaft. Wir sollten nicht glauben, dass die „Teletubbies“ oder die „Pokémons“ das Sozialverhalten junger Leute fördern. Ich denke, wir sind uns auch darüber einig, dass auch die heißesten Videospiele oder PC-Spiele menschliche Wärme nicht ersetzen können. Wir alle, die wir in unserer Gesellschaft Verantwortung tragen – ob hier als Landtag, ob als Verantwortliche in Politik und Verwaltung oder auch als Verantwortliche in der Wirtschaft, als Verantwortliche für die Bildung und Erziehung junger Leute in den Elternhäusern, in den Familien, in den Vereinen –, müssen uns dieser Verantwortung stellen, damit wir unseren Kindern und Jugendlichen einen zukunftsfähigen Weg ermöglichen.

Der Gesetzgeber hat nur eingeschränkte Möglichkeiten. Wir können die technischen Entwicklungen, die technischen Möglichkeiten und die Neuerungen, die ja auch ihre Chancen beinhalten, als Gesetzgeber gar nicht so schnell regulieren oder kontrollieren. Wir müssen an die Verantwortung aller, die die Medien machen, die in der Wirtschaft davon profitieren, die die Werbezeiten einkaufen, appellieren und deren Bewusstsein dafür schärfen, dass wir hier Handlungsbedarf haben.

Deswegen haben wir dieses Thema auch für die heutige Aktuelle Debatte beantragt. Wir fordern Sie auf, Kinder und Jugendliche gemeinsam in das Kinderland Baden-Württemberg zu begleiten. Das sind Kinder und Jugendliche auf dem Weg in die Informationsgesellschaft von morgen.

(Beifall bei der CDU – Abg. Marianne Wonnay SPD: Was ist denn jetzt Ihr Vorschlag, außer Ap- pellen? Das war ja eine Nullnummer! – Zuruf des Abg. Schmiedel SPD – Abg. Capezzuto SPD: Was macht jetzt die CDU? – Abg. Brigitte Lösch GRÜ- NE: Noch ein Kinderfest? – Gegenruf des Abg. Al- fred Haas CDU: Cappuccino trinken! – Unruhe)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Bayer.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema „Medienkonsum von Kindern und Jugendlichen“ ist tatsächlich ein Thema, das eine größere Beachtung verdient. Deswegen bin ich froh, dass wir hier auch an herausgehobenem Platz einmal darüber diskutieren können. Allerdings hat mein Vorredner so gut wie überhaupt nichts dazu gesagt, wie man diesem Phänomen sowohl medienpolitisch als auch gesellschaftspolitisch oder bildungspolitisch begegnen könnte.

(Beifall bei der SPD – Abg. Marianne Wonnay SPD: So ist es! – Abg. Schmiedel SPD: Das war eine Nullnummer! – Gegenruf des Abg. Alfred Haas CDU: Da sind wir mal gespannt, was Sie da machen!)

Wenn wir schon eine Aktuelle Debatte zu einem Thema veranstalten, das uns seit mindestens 10 bis 15 Jahren begleitet, dann bitte auch mit dem Bezug zu einer aktuellen Studie von Professor Pfeiffer, der momentan den Medienkonsum von Kindern und Jugendlichen untersucht. Er hat bereits ein Zwischenergebnis vorgelegt. Die Studie dauert von 2004 bis 2008. Er überschreibt eine Presseerklärung zu dem Zwischenergebnis mit der Aussage „Übermäßiger Medienkonsum macht dick, dumm, krank und traurig“. Das alles ist zugegebenermaßen ein bisschen platt, aber hierin sind die entscheidenden pädagogischen Botschaften versteckt. Hierin zeigen sich die großen Verwerfungslinien, die – und zwar nicht erst seit gestern – da sind: Jungen sind insgesamt deutlich mehr gefährdet als Mädchen. Ausländer sind mehr gefährdet als deutsche Jugendliche.

Ich nenne Ihnen hierzu illustrierend ein paar Zahlen. Die Schulleistungen von Jungen entwickeln sich – und zwar nicht erst seit gestern oder vorgestern, sondern in den letzten zehn Jahren kontinuierlich – stetig nach unten. Bei den Schulabbrechern, den Empfehlungen für höhere Schulen, den Sitzenbleibern und den Schulschwänzern geht die Schere zwischen Jungen und Mädchen deutlich auseinander.

Und hier zeigt sich die Korrelation zur Mediennutzung dann sehr deutlich, wenn man feststellt, dass die Mediennutzung bei Jungen, gerade im Alter von 12 bis 19 Jahren, im Verhältnis zu den gleichaltrigen Mädchen exorbitant höher ist.

Man kann also als Zwischenergebnis festhalten: Mädchen sind generell weniger gefährdet, durch die Medien vom Lernen abgelenkt zu werden.

Die gleiche Datenlage zeigt sich auch bei ausländischen Kindern und Jugendlichen.

Aber, meine Damen und Herren, der gesamte „Medienpark“ steht ja nicht einfach nur herum, sondern er wird auch genutzt, und zwar sehr exzessiv. Hinzu kommt, dass die Nutzer mit der Gefahr einer ständigen emotionalen Überreizung durch gewalttätige Inhalte konfrontiert sind. So kommt zum Zeitproblem auch ein Überreizungsproblem hinzu. Professor Spitzer, den Sie ja immer sehr gerne zitieren, formuliert vor diesem Hintergrund einen sehr dramatischen Appell. Er sagt: „Es gibt genügend Gründe, nicht länger zuzuschauen, wie wir die Gehirne unserer Kinder und Jugendlichen mit Gewalt zumüllen, sondern etwas zu ändern.“

Hierzu möchte ich Ihnen vier Vorschläge machen, die die Handlungsbereiche Gesellschaftspolitik, Medienpolitik und Bildungspolitik betreffen.

Erstens: Neben dem vielen Medienschrott, den Kinder und Jugendliche über sich ergehen lassen müssen, müssen die guten Inhalte ausgebaut werden und auch wirklich erkennbar sein. Beim Fernsehen werden ja inzwischen die Zuschauer mehr oder weniger an die Werbeagenturen „verkauft“. Das Ergebnis ist eine hemmungslose Kommerzialisierung – die Sie gewollt haben. Diese Geister werden Sie jetzt nicht mehr los.