Protocol of the Session on October 5, 2005

Ein Argument, Frau Götting, haben Sie gerade wieder geliefert. Sie haben gesagt, die Einführung der Verbandsklage für Tierschutzverbände in nur einem Bundesland mache keinen Sinn. Aber wenn wir einen Fortschritt erreichen wol

len, müssen wir irgendwo anfangen. Genauso war es mit der Verbandsklage für Naturschutzverbände. Auch da wurde in einem Bundesland begonnen, dann haben nach und nach 13 Bundesländer die Verbandsklage im Naturschutzrecht eingeführt, und schließlich wurde im Bund die Verbandsklage für Naturschutzverbände im Naturschutzrecht übernommen.

Das zweite Beispiel ist die Aufnahme des Tierschutzes als Staatsziel im Grundgesetz. Auch da hat ein Land begonnen. Weitere Länder sind gefolgt, unter anderem 2001 das Land Baden-Württemberg,

(Beifall des Abg. Dr. Noll FDP/DVP)

und schließlich, nach 15 Jahren, wurde erreicht, dass der Tierschutz auch als Staatsziel ins Grundgesetz aufgenommen wurde.

Genauso wird der Weg zur Verbandsklage für anerkannte Tierschutzverbände verlaufen. Wir werden in die gleiche Richtung marschieren, und ein Land wird anfangen. Herr Kollege Winkler hat ja bereits auf die Initiative des Landes Schleswig-Holstein hingewiesen.

(Abg. Teßmer SPD: Das ist das Schicksal der Pro- pheten!)

Leider ist die Initiative des Landes Schleswig-Holstein im Bundesrat gescheitert. Schleswig-Holstein wäre das Land gewesen, das auf Landesebene die Verbandsklage hätte einführen können. Bedauerlicherweise ist das jetzt mit der neuen Regierungsmehrheit nicht mehr möglich.

Nun, meine Damen und Herren, noch zu einigen Argumenten, die Sie bei der Ersten Beratung vorgebracht haben und die zum Teil wirklich haarsträubend sind.

(Zuruf des Abg. Alfred Haas CDU)

Herr Minister Hauk, Sie haben gesagt, die Behörden und die Tiernutzer hielten sich doch alle an das geltende Tierschutzrecht, Misstrauen sei da völlig fehl am Platz. Das heißt aber, man müsste eine Verbandsklage ja gar nicht fürchten, denn dann würde es doch gar nicht zu Auflagen irgendwelcher Art kommen. Sie haben im nächsten Atemzug aber sofort wieder behauptet, wenn wir eine Verbandsklage hätten, käme es bei den Genehmigungen für Tierhaltungseinrichtungen und für Tierversuche zu einer Fülle von Auflagen – Auflagen, Auflagen, Auflagen! Wenn Sie aber vermuten und befürchten, dass es zu Auflagen kommt, zeigt das doch, dass Sie offensichtlich davon ausgehen, dass es bei den Genehmigungen in der Praxis eben doch nicht vorschriftsgerecht zugeht. Diesen Widerspruch müssen Sie auflösen.

Wenn es im Einzelfall aber tatsächlich zu höheren Auflagen käme, würde das doch heißen, dass wir die Verbandsklage brauchen. Denn es darf nicht sein, dass es Fälle gibt, bei denen geltendes Recht nicht eingehalten wird. Gerade die Tiere haben einen Anspruch darauf, dass geltendes Recht auch tatsächlich zur Anwendung kommt. Weil Tiere eben das für sie geltende Recht nicht selbst einklagen können, sind Vertreter notwendig, nämlich die anerkannten Tierschutzverbände, die als Treuhänder die Interessen der Tiere wahrnehmen können.

(Beifall der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Zweitens: Wenn Sie sagen, wir bräuchten im Tierbereich keine verwaltungsgerichtliche Überprüfung, stellt sich doch die Frage, warum wir sie überhaupt brauchen. Wir könnten viel Bürokratie abbauen, wenn wir die gesamte Verwaltungsgerichtsbarkeit abbauen würden. Aber das wollen Sie mit Sicherheit nicht. Ein bisschen Bürokratie braucht man da also auch. Wenn Sie das insgesamt nicht wollen, ist doch nicht einzusehen, dass Sie den Schutz durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit ausgerechnet den Tieren, also den Schwächsten, die sich selbst nicht wehren können, vorenthalten wollen.

Drittens zu der Behauptung, es käme zu einer Flut an Klagen: Eine solche Behauptung ist von einem abgrundtiefen Misstrauen gegenüber den Tierschutzverbänden gekennzeichnet. Erstens würden nur ganz wenige, landesweit agierende Tierschutzvereine eine Anerkennung bekommen. Zweitens könnten diese es sich überhaupt nicht leisten, aussichtslose Klagen anzustrengen, weil bei einem verlorenen Prozess die hohen Prozesskosten in der Regel auf den jeweiligen Verband zurückfallen würden. Drittens würden sie auch deshalb keine Fülle an Klagen einbringen, weil sie nur in den Fällen agieren wollen, in denen die Aussicht besteht, dass sie die Interessen der Tiere in der Gesellschaft erfolgreich vertreten.

Ich komme zum Schluss, meine Damen und Herren: Es zeigt sich ganz eindrucksvoll, dass Sie grundsätzlich kein Verbandsklagerecht im Tierschutz wollen. Dass Sie auch im Naturschutz eigentlich kein Verbandsklagerecht wollen, haben Sie ja auch zum Ausdruck gebracht.

Es zeigt sich, dass Sie nicht bereit sind, Schritte zu einer Verbesserung des Tierschutzes zu unternehmen. Bis jetzt sind Ihre Zusagen, im Tierschutz etwas zu verbessern, Lippenbekenntnisse geblieben. Im Bundesrat betätigen Sie sich als Bremser.

Ich erwarte von Ihnen, dass Sie sich beim Tierschutz bewegen. Tiere sind die Schwächsten, Tiere brauchen den Schutz des Menschen, Tiere brauchen einen Vertreter, der ihre Interessen wahrnehmen kann. Deshalb appelliere ich an Sie, sich beim Tierschutz zu bewegen und diesem Gesetzentwurf zuzustimmen.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Abg. Kleinmann FDP/DVP: Das war jetzt eine tierische Rede! – Abg. Dr. Scheffold CDU: Tieri- scher Applaus! – Abg. Fleischer CDU: Wenn Sie das nur auch bei ungeborenen Kindern täten!)

Das Wort erteile ich Herrn Minister Hauk.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist gar keine Frage: Die Landesregierung bekennt sich zu einer zukunftsorientierten Weiterentwicklung des Tierschutzes. Frau Kollegin Rastätter, wir streiten uns allerdings zu Recht, wie ich denke, über die Instrumente dazu. Wenn Sie sagen, wir wollten den Tieren die Verwaltungsgerichtsbarkeit vorenthalten, dann sage ich Ihnen ganz offen, meine Damen und Herren: Ich würde am liebsten auch den meis

ten Menschen die Verwaltungsgerichtsbarkeit vorenthalten, wenn es uns gelänge, damit ein Stück weit Bürokratie abzubauen und dadurch den Menschen etwas mehr Freiheit zu geben.

(Beifall bei der CDU)

Ob der Gang zum Verwaltungsgericht im Interesse der Tiere – zum Teil auch im Interesse der Menschen – immer der beste Weg ist oder ob es nicht andere Wege gibt, um diesen Gang von vornherein überflüssig zu machen – darauf kommt es letztlich an –, gebe ich sehr zu bedenken.

Wir haben uns am 30. Juni dieses Jahres und in der letzten Woche im Ausschuss sehr ausführlich über den Gesetzentwurf unterhalten. Deshalb will ich jetzt nicht mehr alle Gesichtspunkte aufgreifen.

Es wird ja immer wieder angeführt, dass derzeit gegen ein Zuviel an Tierschutz geklagt werden kann, nicht jedoch gegen ein Zuwenig an Tierschutz. Wie verhält es sich denn in der Wirklichkeit? Wir haben eine ganze Reihe tierschutzrechtlicher Vorschriften, die in der Regel Mindestanforderungen – wohlgemerkt Mindestanforderungen! – beim Umgang mit Tieren und deren Haltung vorgeben. Dies verbietet jedoch nicht, dass jeder Einzelne Maßnahmen treffen kann, um seinen Tieren bessere Bedingungen zu bieten als die, die vorgeschrieben sind.

Herr Kollege Winkler, Sie haben vorhin das Beispiel der Legehennenhaltung gebracht. Die Käfighaltung ist noch bis Ende des Jahres 2006 erlaubt. Sie wurde im Dezember 2004 verboten. Das war damals ein Kompromiss. Aber bereits vor diesem Zeitpunkt, als ein Verbot noch nicht absehbar war, hatten über 40 % aller Betriebe schon keine Käfighaltung mehr. Zum heutigen Zeitpunkt 2005 haben bereits nur noch 46 % aller Legehennen haltenden Betriebe überhaupt noch Käfighaltung.

(Abg. Alfred Winkler SPD: Und jetzt?)

Ich nenne nur die Konsequenz. Auch vorher gab es schon ein Mehr an Tierschutz, deutlich mehr als das, was wir als Mindestanforderungen vorgeschrieben haben.

(Zuruf von der SPD: Vorauseilender Gehorsam!)

Deshalb sollten wir nicht so tun, als wären es die Vorgaben, die den Tierhalter – ich sage es in Anführungszeichen – zwängen, sich anders zu verhalten. Es hängt in der Tat von ganz anderen Parametern ab. Zumindest dann, wenn Tiere einen wirtschaftlichen Wert haben, wenn ihre Produkte – Fleisch, Eier usw. – einen wirtschaftlichen Wert haben, muss man sich andere Instrumente überlegen.

Der immer wieder auftauchende Vergleich mit dem Naturschutzrecht hinkt schon deswegen, weil dort das Verbandsklagerecht auf allgemeine Bereiche bzw. auf räumliche Aspekte beschränkt ist. Sie hingegen fordern ein Verbandsklagerecht beim Tierschutz – –

(Glocke des Präsidenten)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Winkler?

Sofort, wenn ich meinen Satz beendet habe.

Sie fordern hingegen ein Verbandsklagerecht, das sich auf Einzelfälle ausdehnt. Das sind ganz verschiedenartige Dinge.

Herr Kollege Winkler, bitte schön.

Herr Minister, Sie haben damit nicht widerlegt, was ich behauptet habe, nämlich dass die Auswirkungen des Tierschutzgesetzes keinen Einfluss auf den Rückgang der Eierproduktion haben.

Herr Kollege Winkler, Sie haben eine Zeitreihe von Anfang der Neunzigerjahre an gezeigt. Diese Zeitreihe ab Anfang der Neunzigerjahre spiegelt den Effekt wider, dass die Eierproduktion in Deutschland sukzessive teurer geworden ist und dass wir bereits zu diesem Zeitpunkt einerseits Marktanteile verloren haben, dass andererseits aber in derselben Zeit die Marktnische Freilandhaltung, Bodenhaltung usw. sukzessive von unseren Legehennenhaltern aufgegriffen wurde, und zwar ohne Vorgaben der Europäischen Union und ohne Vorgaben von Frau Künast. Das hat sich alles im Laufe der Neunzigerjahre abgespielt. Wenn man diese Zeitreihe fortführen würde, dann hätten wir folgende Situation: Wir hätten in Deutschland einen perfekten Tierschutz, aber keine Tiere mehr.

(Beifall bei der CDU – Abg. Kiefl CDU: Genau so ist es!)

Ja, so wär’s. Meine Damen und Herren, genau dorthin kämen wir. Was nützt es dem Tierschutz, wenn die Legehennen in Polen, in Tschechien oder in der Ukraine sind und wenn hier keine Tiere mehr sind, die wir schützen können. Dann bin ich lieber dafür, dass wir artgerechte Haltungen auch unter wirtschaftlichen Überlegungen anstreben, damit wir die Tiere, die wir schützen wollen, auch bei uns im Land schützen können.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Kiefl CDU: Sehr gut! – Glocke des Präsidenten)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Rastätter?

Ich habe gedacht, es wäre alles gesagt.

Herr Minister Hauk, sind Sie bereit, anzuerkennen, dass wir im Bereich der Käfighaltung grundsätzlich nicht konkurrenzfähig mit diesen östlichen Ländern sind? Der Platz für eine Legehenne ist nach der traditionellen Legehennenhaltungsverordnung so groß wie ein dreiviertel DIN-A-4-Blatt. Noch enger können Sie ein Tier nicht mehr unterbringen, als das mit dieser Legehennenhaltungsverordnung der Fall war.

Sind Sie also bereit, anzuerkennen, dass wir mit der Käfighaltung grundsätzlich nicht konkurrenzfähig sind und dass wir inzwischen Eier aus artgerechter Haltung importieren müssen, weil unsere Betriebe nicht schnell genug umstellen können, und dass der Bedarf an Eiern aus artgerechter Haltung inzwischen weitaus größer ist als das, was wir im Land

produzieren können, dass also ein Bewusstseinswandel stattgefunden hat und Tiere in Deutschland damit sehr wohl artgerecht gehalten werden können, aber eben nicht mehr in Käfighaltung?

Frau Kollegin Rastätter, es bezweifelt niemand, dass wir aus der Käfighaltung aussteigen wollen.

(Zurufe der Abg. Schmiedel und Alfred Winkler SPD)

Langsam, langsam! – Das Thema ist ja auch vorbei. Es geht doch nur darum: Wenn wir eine tierschutzgerechte Haltung wollen, dann müssen wir doch gemeinsam dafür sorgen, dass diese Tiere dann nach Möglichkeit auch in Deutschland gehalten werden, und zwar aus zwei Gründen: einerseits aus Gründen des Tierschutzes und andererseits aus Gründen der Wertschöpfung und der Produktion, die wir ja auch in Deutschland halten wollen. Wir müssen nicht alles importieren, zumal wir hier auch die Vorgaben in der Qualität etc. haben. So ist es doch.