Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zehn Jahre nach dem Inkrafttreten des ersten Landesgleichstellungsgesetzes unternimmt die Landesregierung nun den zweiten Anlauf, um die Gleichberechtigung von Männern und Frauen im öffentlichen Dienst in Baden-Württemberg aktiv zu fördern.
Die Novellierung des Landesgleichstellungsgesetzes wurde bereits im Koalitionsvertrag 2001 festgeschrieben. Es hat nun vier Jahre gedauert, bis aus dem Novellierungsvorhaben tatsächlich ein Gesetzentwurf wurde, der jetzt auch im Plenum diskutiert wird. Dass die Novellierungsbestrebungen durch die Verwaltungsreform ausgebremst wurden, ist noch nachvollziehbar. Aber dass nach vier Jahren ein Gesetzentwurf vorgelegt wird, der an der von Frauenvertreterinnen seit Jahren geäußerten Kritik und dem Nachbesserungsbedarf in zentralen Punkten komplett vorbeigeht, ist nicht nachvollziehbar, sondern ein ignorantes Vorgehen Frauenbelangen gegenüber.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich unsere zentralen Kritikpunkte am Landesgleichstellungsgesetz ausführen. Nach wie vor ist die Ausdehnung des Geltungsbereichs auf die Kommunen unzureichend. Sie haben zwar die Kommunen jetzt mit dem § 23 verpflichtet, ihre Aufgabe der verfassungsrechtlich gebotenen Verwirklichung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern auch wahrzunehmen. Die Erstellung von Chancengleichheitsplänen durch die Kommunen bleibt nach dem Gesetzentwurf jedoch weiterhin nur eine Sollvorschrift und wird keine Pflichtaufgabe.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die bisherige Sollvorschrift im Landesgleichstellungsgesetz hat nicht gegriffen. Bisher haben nur die Stadtkreise, lediglich knapp ein Drittel der Gemeinden und nur 18 Landkreise Frauenförderpläne erstellt. Deshalb muss auch die Erstellung der Chancengleichheitspläne zur Pflichtaufgabe für die kommunale Ebene werden,
genauso wie kommunale Frauenbeauftragte oder Chancengleichheitsbeauftragte gesetzlich verankert werden müssen. Auch die Pflicht zur Bestellung solcher Beauftragten in Kommunen ab 8 000 Einwohnerinnen und Einwohnern fehlt.
Ein weiterer kritischer Punkt ist die so genannte Stärkung der Chancengleichheitsbeauftragten. Diese ist unserer Meinung nach im Gesetzentwurf nicht konsequent genug umgesetzt.
Die Vereinfachung des Verfahrens zur Wahl der Beauftragten ist zwar zu begrüßen. Aber dass die Bestellung unverändert erst für Dienststellen ab 50 Beschäftigte gilt, ist höchst kritikwürdig. Dies wird vor allem von der GEW kritisiert. Sie wissen, dass dies im Schulbereich dazu führt, dass 90 % der Schulen insgesamt und 98 % der Grund-, Haupt-, Realund Sonderschulen nur über eine Ansprechpartnerin verfügen. Für diese wiederum finden sich im novellierten Chancengleichheitsgesetz keine Vorschriften zu ihren Rechten und Pflichten.
Nun kommen wir zu den Skurrilitäten wie der Teilnahme der Chancengleichheitsbeauftragten an Vorstellungs- und sonstigen Personalauswahlgesprächen. Auch hier ist die Ergänzung um den Wortlaut „sonstige Personalauswahlgespräche“ zu begrüßen. Wenn aber nun gleichzeitig das Teilnahmerecht der Chancengleichheitsbeauftragten eingeschränkt wird, sofern mindestens eine weibliche Person an den Vorstellungsgesprächen teilnimmt, ist das eine Entwertung der Fachkompetenz der Chancengleichheitsbeauftragten und frauenpolitisch totaler Unfug.
Geschlecht allein ist keine Qualifikation. Dadurch diskreditieren Sie die Beauftragten für Chancengleichheit und diskriminieren die Männer.
Der nächste Kritikpunkt ist die Erstellung der Chancengleichheitspläne. Den früheren Frauenförderplänen sind sämtliche Zähne gezogen worden. Die bisherige Vorschrift, Bestandsaufnahme und Analyse jährlich durchzuführen, wird im neuen Gesetz aufgehoben. Die Datenerhebung soll nur noch im Fünfjahresturnus erfolgen. Aber damit ist eine chancengerechte Personalplanung nicht mehr möglich.
Kollegin Berroth, wenn Sie mir einmal bis zum Ende zuhören würden, würde es Sie vielleicht auch frauenpolitisch weiterbringen.
Das Argument der Landesregierung im Hinblick auf die Verwaltungsvereinfachung zieht angesichts der bereits angelegten Datenerhebung nicht.
Wir brauchen mindestens im Zweijahresrhythmus eine zeitnahe Fortschreibung der Chancengleichheitspläne.
Frau Kollegin, stimmen Sie mir zu, dass es im Sinne der Frauen wesentlich wichtiger wäre, wenn Personalverantwortliche ihre Kraft vorrangig darauf verwenden würden, Frauen tatsächlich weiterzubringen, als die Kraft darauf zu verwenden, Statistiken aufzustellen?
Sehr geehrte Kollegin Berroth, das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Mit einer Datenerhebung, die alle fünf Jahre erfolgt, können Sie überhaupt keine Personalplanung machen. Das sollte auch Ihnen klar sein.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Gesetzentwurf erscheint durch die neu verwendeten Begriffe auf den ersten Blick ganz flott. Begrifflich mutiert zum Beispiel die Frauenbeauftragte zur Beauftragten für Chancengleichheit und der alte Frauenförderplan zum Chancengleichheitsplan. Die Chancengleichheit ist aber nur ein Teil der Umsetzung des Gleichberechtigungsgrundsatzes. Darüber hinaus hat der Staat die Verpflichtung, auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinzuwirken. Dies kann nur durch eine gezielte Frauenförderung geschehen, die auch im neuen Chancengleichheitsgesetz weiterhin eine wichtige Rolle spielen muss.
Unter dem Strich bringt das Gesetz neben einigen Verbesserungen an vielen Stellen Unklarheiten und in manchen Bereichen sogar Rückschritte.
Wir hätten uns deshalb eine öffentliche Anhörung gewünscht. Die aber ist im Sozialausschuss leider abgelehnt worden. Ich halte das für schwach.
Das Beispiel der Kollegin Haller-Haid und der Brief des SWR haben gezeigt, dass es Bedarf für eine öffentliche Anhörung gibt. Daher wäre es für die Fraueninteressen sehr hilfreich gewesen, wenn wir diese öffentliche Anhörung durchgeführt hätten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein modernes, zeitgemäßes Gleichberechtigungsgesetz auf den Weg zu bringen ist unser Ziel. Es soll ein Gleichberechtigungsgesetz – das ist vorhin schon gesagt worden – mit Biss, „al dente“ und nicht weich gekocht, sein,
das auch über Sanktionsmöglichkeiten oder Anreize verfügt. Dies wird mit dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht verwirklicht. Deshalb werden wir unsere Änderungsanträge in den Ausschussberatungen einbringen. Wir erhoffen uns, dass sich der Gesetzentwurf noch in die von uns gewünschte Richtung verändern wird.
Ich schlage Ihnen vor, den Gesetzentwurf der Landesregierung, Drucksache 13/4483, zur weiteren Beratung dem Sozialausschuss zu überweisen. – Sie stimmen der Überweisung zu.
Mit der Beschlussempfehlung Drucksache 13/4519 schlägt Ihnen der Sozialausschuss vor, von der Mitteilung der Landesregierung, Drucksache 13/4391, Kenntnis zu nehmen. – Sie stimmen dieser Beschlussempfehlung zu.
Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktion der SPD – Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Lebenspartnerschaftsgesetzes – Drucksache 13/4485