Das reiht sich in die sehr populistischen Äußerungen ein, die wir in der letzten Zeit von der FDP gehört haben,
etwa zum Thema Bankgeheimnis, und lässt aus unserer Sicht wieder einmal auf ein äußerst bedenkliches Staatsverständnis schließen, wie wir es schon bei dem Thema Bankgeheimnis kritisiert haben.
Sie selber, Herr Justizminister, haben ja den „ersten und besten Vorschlag“, wie es einmal formuliert wurde, eingebracht: dass man Mehrfachtäter auch bei nicht schweren Taten schon in die Speicherung von Daten einbezieht. Dem ist der Gesetzentwurf, wie er jetzt im Bundestag vorliegt, gefolgt. Wenn man das, was Sie öffentlich postuliert haben, mit dem vergleicht, was jetzt im Bundestag vorliegt, kann ich keine allzu großen Unterschiede feststellen. Ich meine, dann müssten Sie doch heute erklären können, dass die Landesregierung diesem Gesetz zustimmt.
Die Einzelheiten dieses Gesetzes – darüber werden wir noch diskutieren – beziehen sich auf folgende Punkte:
Der Richtervorbehalt bei der Untersuchung von Spuren, etwa an einem Tatort, und bei Einwilligung des Betroffenen wird künftig entfallen. Das halten wir für vertretbar. Die CDU will noch weiter gehen und den Richtervorbehalt noch viel weitgehender ausschließen. Wir halten das wiederum für zu weitgehend.
Dann gibt es eine gesetzliche Regelung für Reihengentests, die rechtspolitisch und verfassungsrechtlich sicher geboten ist. Dem wird mit dem Gesetzentwurf Rechnung getragen.
Die Speicherung in der DNA-Kartei bezüglich schwerer Straftaten, insbesondere Sexualstraftaten, wird erweitert auf die mehrfache Begehung leichterer Straftaten, die aber gleichwohl auf eine hohe kriminelle Energie schließen lassen. Unseres Erachtens ist das eine sachgerechte Erweiterung.
Das Gesetzeswerk hält insgesamt aus unserer Sicht eine vernünftige Balance zwischen dem, was die Polizei verlangt, was ermittlungstaktisch erforderlich ist, was die Strafverfolgung insgesamt gebietet, und andererseits dem, was rechtsstaatliche Anforderungen zum Schutz Betroffener und solcher Personen, die sich einem Gentest unterziehen bzw. deren Daten gespeichert werden, angeht. Hinzu kommen Informationspflichten und Rechtsschutzmöglichkeiten für Betroffene, sodass wir glauben: Nach dem, was jetzt im Bundestag vorliegt, und nach dem, was Sie öffentlich verkündet haben, Herr Justizminister, sollten Sie heute die Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf erklären.
Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, Kollege Stickelberger, mit Ihrer Aufforderung, wir müssten heute Farbe bekennen, haben Sie zumindest nicht die CDU-Fraktion gemeint, denn unsere Haltung ist hinreichend bekannt.
Sie haben heute diesen Dringlichen Antrag gestellt. Ich habe ein bisschen überlegt: Warum bringen Sie jetzt diesen Dringlichen Antrag ein
über ein Gesetz, das von zwei Bundestagsfraktionen im Bundestag eingebracht wurde? Vielleicht liegt es daran, dass Sie damit einfach demonstrieren wollten, dass RotGrün doch noch zu einigen wenigen gemeinsamen Aktionen in der Lage ist.
Wir halten diesen Gesetzentwurf, den die Bundestagsfraktionen von SPD und Grünen vorgelegt haben, für einen ersten Schritt, aber nur für einen ersten Schritt. Sie machen einen kleinen Schritt in die richtige Richtung, um die DNAAnalyse praktikabler zu machen, um den genetischen Fingerabdruck für die Ermittlungsbehörden praktikabler zu machen, insbesondere indem Sie Erleichterungen beim Richtervorbehalt und bei der Anordnungskompetenz bei Gefahr im Verzug bringen. Das ist richtig. Das findet auch unsere Zustimmung.
Wir müssen aber sagen, wir halten dies wirklich nur für einen ersten, für einen kleinen Schritt, dem weitere folgen müssen. Ob das dann in Berlin in Ihrer Kompetenz liegt oder nicht, das wird sich bekanntlich weisen. Die Union möchte zum Schutz der Bevölkerung vor Straftaten den genetischen Fingerabdruck zu d e m erkennungsdienstlichen Instrument des 21. Jahrhunderts machen.
Wenn schon vor 100, 120 Jahren, als der klassische Fingerabdruck eingeführt wurde, so viele Bedenkenträger in der Politik gewesen wären, wäre der Fingerabdruck als Identifizierungsmerkmal wahrscheinlich nie eingeführt worden. Wir wollen heute den genetischen Fingerabdruck als das klassische erkennungsdienstliche Instrument haben.
Es soll der Anfangsverdacht auf Begehen einer Straftat genügen, um diesen genetischen Fingerabdruck zu nehmen. Damit ist auch kein übermäßiger Eingriff in die Persönlichkeitsrechte verbunden. Es sind nicht wesentlich mehr Eingriffe in Persönlichkeitsrechte als beim jetzigen klassischen Fingerabdruck, bei dem man den Finger auf das Stempelkissen drückt.
Es wird immer wieder moniert, mit dem genetischen Fingerabdruck seien Rückschlüsse auf Erbinformationen des Betroffenen möglich. Das ist in diesem strafprozessualen Verfahren überhaupt nicht begründet. Denn der genetische Fingerabdruck, die DNA-Analyse zur Identitätsfeststellung nach der Strafprozessordnung, erlaubt einzig und allein einen Hinweis auf das Geschlecht und die Identität der Person, aber nicht auf weiter gehende Erbinformationen.
Wir werden deshalb Ihren Antrag heute ablehnen. Sie haben beantragt, den Antrag für dringlich zu erklären. Ich halte diesen Antrag, ehrlich gesagt, nicht für übermäßig dringlich. Der von Ihnen aufgegriffene Beratungsgegenstand ist jetzt im Bundesrat.
Ich höre, dass sich die Landesregierung von Baden-Württemberg dem Anliegen nicht verschließen wird. Sie wissen, wie sich die CDU/CSU-Bundestagsfraktion verhalten hat; sie wird sich dem auch nicht verschließen. Wir brauchen, glaube ich, der Landesregierung hier keinen Fingerzeig zu geben, wie sie sich im Bundesrat verhalten soll. Sie wird sich entsprechend vernünftig verhalten.
Die Dringlichkeit ist meines Erachtens nicht gegeben. Denn eigentlich könnten wir jetzt die wenigen Wochen und Monate noch warten, bis die Bundestagswahl erfolgt ist, bis das Volk über die Zusammensetzung des Parlaments in Berlin entschieden hat. Wenn dann die entsprechenden Mehrheiten vielleicht so sind, wie ich mir dies vorstelle, würde im Interesse des Schutzes der Bevölkerung vor Straftaten ein großer Wurf herauskommen, indem ein weiter gehendes Gesetz zur Möglichkeit des Einsatzes des genetischen Fingerabdrucks vorgelegt wird.
Herr Kollege Stickelberger, Sie haben vorhin den Fall Moshammer angesprochen. Das ist völlig richtig. Im Fall Moshammer hat man damals – ich erinnere daran – eine Spur gefunden, die in der DNA-Analysedatei hinterlegt war. Man hat somit wenige Tage später den Täter gefasst. Daran wird der Nutzen des genetischen Fingerabdrucks ersichtlich. Wer einmal in der Datei erfasst ist, sollte sich tunlichst hüten, weitere Straftaten zu begehen, denn dann wird er erwischt. Im Fall Moshammer wiederum hat sich gezeigt: Der Täter ist jetzt hinter Schloss und Riegel, kann keine weite
ren Morde oder andere Straftaten mehr begehen. Dem Schutz der Bevölkerung ist optimal Rechnung getragen. Das sollte unser gemeinsames Ziel sein.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie Kollege Blenke bereits ausgeführt hat, geht es bei diesem Gesetzentwurf um die Frage: Wie und unter welchen Auflagen können die Ermittlungsbehörden in Strafverfahren eine verhältnismäßig neue Technik einsetzen?
Ich meine, dass es sich dabei um ein sehr ernstes Thema handelt, das auch sehr genau abgewogen werden muss. Denn es greift in der Tat auch in die Freiheitsrechte von Bürgerinnen und Bürgern ein. So ist nicht jeder Verdächtige oder potenziell Verdächtige in einem Strafverfahren auch tatsächlich der Täter. Vielmehr geht es hier um die zwangsweise Erhebung von Speichel- oder Blutproben und um die Speicherung der entsprechenden Daten. Dies sind doch Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte von Bürgerinnen und Bürgern. Da streiten sich ja nun auch die Juristen um die Frage: Wie weit geht dies, und müssen wir uns auch als Landesgesetzgeber oder als Bundesgesetzgeber nicht sehr genau Gedanken darüber machen: Ist der klassische Fingerabdruck das Gleiche wie der genetische Fingerabdruck?
Wir als FDP/DVP-Landtagsfraktion sind der Meinung, dass man mit diesen sensiblen Daten sehr vorsichtig umgehen muss. Ich meine auch, man muss sehr genau trennen, bei welchen Straftaten das Ganze herangezogen werden kann und muss. Es ist ja auch ein Unterschied, ob es sich um Täter handelt, die beispielsweise Ladendiebstähle begehen, oder ob es sich um schwere Straftaten wie Mord oder Sexualdelikte handelt. Dabei wird ja auch – das haben wir vonseiten der Liberalen hier in Baden-Württemberg immer unterstützt – diese DNA-Analyse bereits angewandt.
Es hat auch nicht der Initiative der Bundestagsfraktionen von Rot-Grün bedurft, dass sich die Landesregierung von Baden-Württemberg mit diesem Thema auseinander gesetzt hat. Es gab hierzu verschiedene Initiativen unseres Justizministers. Es gab das Triberger Symposium, wo Fachleute sehr intensiv und sehr fundiert über diese Frage diskutiert haben. Die bisherige gesetzliche Regelung ist ja in einigen Punkten unbefriedigend, sodass sich auch der Rechtsausschuss des Bundesrats mit diesen Fragen auseinander gesetzt hat.
Dass man bei anonymen Tatortspuren, bei denen ein Richter nicht weiß, von wem sie stammen und wessen Persönlichkeitsrechte überhaupt geschützt werden sollen, auf den Richtervorbehalt verzichten kann, leuchtet im Grunde genommen eigentlich jedem ein, da es sich hier ja um anonyme Spuren handelt. Insofern denken wir, dass hier vonseiten der Rechtsstaatlichkeit auch keine Probleme bestehen. Die Entbehrlichkeit des Richtervorbehalts bei Einverständnis des Betroffenen soll nun gesetzlich klargestellt werden.
Es gibt allerdings durchaus Unterschiede in der Fachdiskussion, was die Reichweite des Richtervorbehalts angeht und was die Voraussetzungen für die DNA-Identitätsfeststellung für Zwecke künftiger Strafverfahren angeht. Es ist ja immer schwierig, für künftige Strafverfahren eine Prognose von bisher unbescholtenen Bürgern abzugeben, die in den Verdacht geraten, eine Straftat begangen zu haben. Man kann nicht davon ausgehen, dass hier von Menschen – und Ermittlungsbehörden werden ja auch von Menschen getragen – eine treffsichere Prognose abgeben werden kann. Es kann nicht sein, dass alle Daten einfach erhoben und gespeichert werden, insbesondere wenn darin genetische Informationen enthalten sind,