Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren! Es ist richtig, dass es wenig Sinn macht, sich mit zwei Jahre alten Anträgen und der entsprechend alten Haltung der Landesregierung zu den Föderalismus-Bildungsfragen zu be
schäftigen. Aber es macht sicher Sinn, aus der Gesamtschau der bisherigen Föderalismusdebatte die Frage nach deren Zukunft im Bildungsbereich zu stellen.
Ich will gleich zu Anfang eines klarstellen, weil ja in dem Antrag der Fraktion GRÜNE zum Thema BAföG eine entsprechende Tendenz mitschwingt und Sie das entsprechende Konzept auch angedeutet haben: Wir Sozialdemokraten lehnen die Abschaffung des BAföG entschieden ab.
Noch-Kultusministerin Schavan hat ja kürzlich die Spur gelegt, und die Grünen haben sie gern aufgenommen und haben ein altes Konzept wieder aus der Schublade geholt. Ich denke – und da sind wir uns mit vielen einig –, es ist der falsche Weg, die Studienfinanzierung über die Umverteilung der direkten Familienförderung und über Kredite zu regeln. Die familienbezogenen Leistungen sind, selbst nach den deutlichen Verbesserungen durch Rot-Grün, in der Summe für ein Studium nicht ausreichend, abgesehen davon, dass das so genannte Studentengehalt steuer- und verfassungsrechtlich kaum umzusetzen ist. Das haben die Untersuchungen aus der letzten Legislaturperiode ja gezeigt, in der wir dieses Thema schon einmal sehr intensiv und sehr breit bundespolitisch diskutiert haben.
Zusätzlich dazu jetzt das BAföG abzuschaffen und das Geld stattdessen an alle Studierenden zu verteilen, hieße Umverteilung von unten nach oben, und die lehnen wir ab. Junge Menschen aus finanzschwachen Familien müssen sich dann für das Studium – und noch gar nicht einmal für Studiengebühren – verschulden, und die Mittelschicht wird davon nicht profitieren. Nicht die Abschreckung vom Studieren, sondern die Stärkung des BAföG, gerade für den Mittelstand, ist der richtige und der zielgenauere Weg – und nicht die grüne Gießkanne.
Zur Debatte des Bildungsföderalismus stelle ich fest: Die CDU-Länderfürsten und das Adenauer-Haus haben die Wissenschaftspolitik gegen die Berliner Regierung instrumentalisiert, und sie haben unseren Hochschulen damit geschadet.
Wie die pawlowschen Hunde haben sie auf rot-grüne Gesetze zum Hochschulbereich mit Klagen reagiert und rot-grüne Vorschläge zur Entflechtung von Kompetenzen und Finanzbeziehungen abgelehnt.
Ein Blick in die jüngere Geschichte und in die vorliegenden Anträge – die da tatsächlich wertvolle Hilfe leisten – zeigt, dass diejenigen, die den Bund seit 1998 in Bildungsfragen vehement angehen, in Zeiten der Regierung Kohl schwiegen. Sie schwiegen, als die Forschungsförderung gekürzt und damit der internationale Anschluss gefährdet wurde. Sie schwiegen, als die Hochschulbauförderung zurückgefahren wurde und dringend notwendige Hochschulbauten zurückgestellt werden mussten. Sie schwiegen, als die Regierung Kohl das BAföG aushöhlte, auf Volldarlehen umstellte und Studierende aus finanzschwachen Familien aus den Hochschulen trieb.
Begonnen hat der Feldzug gegen die rot-grüne Bundesregierung mit der Klage gegen die Juniorprofessur. Er gipfelte in der Klage Hessens gegen die Unterstützung der Hochschulen bei der qualitätsvollen Umsetzung des BolognaProzesses. Sein vorläufiges Ende fand er in dem Kompromiss zu dem Exzellenzprogramm.
Von Sommer 2004 an ließen die CDU- und CSU-Ministerpräsidenten trotz grundsätzlicher Übereinstimmung schon zu diesem Zeitpunkt die Wissenschaftsminister Ehrenrunde um Ehrenrunde drehen, und sie wurden von Scheitern zu Scheitern immer unglaubwürdiger. Denn einerseits beschworen sie die dramatische finanzielle Situation unserer Hochschulen – als Grundlage für den Beschluss zur Einführung von Studiengebühren –, andererseits lehnten sie freiwillig und mit leichter Hand 1 Milliarde € aus Berlin ab.
Fast überraschend kommt jetzt die Zustimmung – nach der Ankündigung möglicher Neuwahlen, die möglicherweise zu einem Regierungswechsel führen. Sie stimmten zu in der Angst, mit einer neuen Bundesregierung – egal, welcher politischen Farbe – könnte es vom Bund gar kein Geld mehr geben. Unsere Universitäten sagen jetzt: Schröder sei Dank!
(Lachen bei Abgeordneten der CDU – Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Röhm CDU: Die sa- gen: „Auf Wiedersehen“! – Abg. Rückert CDU: Freitag, 1. Juli, Bundestag!)
Sie sind vorbereitet und werden überdurchschnittlich profitieren. Unsere Hochschulen werden dank dieses Kompromisses, der unter ganz bestimmten Vorzeichen – ich habe sie gerade angesprochen – zustande gekommen ist, profitieren.
Unser Land muss seine Hausaufgaben aber erst noch machen. Der Bund hat 50 Millionen € im Haushalt zur Verfügung gestellt. In unserem Haushalt steht noch kein müder Euro. Deshalb erwarte ich heute eine Aussage des Wissenschaftsministers über die Komplementärfinanzierung des Landes Baden-Württemberg.
Interessant wird die Diskussion zum Föderalismus, wenn man von der Theorie in die Praxis will und fragt, wie es in Zukunft mit dem Hochschulbau werden wird. Wir sind uns alle einig, dass wir die Entflechtung in diesem Bereich wollen. Aber werden wir denn auch in der Zukunft überdurchschnittlich viel Geld bekommen – wie in der Vergangenheit –, wenn wir überdurchschnittlich viele Mittel als Komplementärförderung zur Verfügung stellen? Wenn das Geld direkt an die Länder verteilt wird, werden diejenigen, die großen Nachholbedarf haben, einer Verteilung nach den bisherigen Prozentsätzen zustimmen. Und wenn nicht: Wie werden wir dann unseren Milliardenbedarf für Sanierung und notwendige Neu- und Ausbaumaßnahmen schultern?
Um zum Ende zu kommen: Wie sollen in Zukunft die Forschungseinrichtungen finanziert werden, wenn der Landeshaushalt diese Bereiche als Sparstrumpf und lieber die Landesstiftung als Quelle sprudeln sieht? Wie sollen Forschungseinrichtungen und Universitäten zusammenarbeiten? In welcher Weise und mit welchen konkreten Zielen werden Wissenschaftsminister und Landesregierung nach der Bundestagswahl – egal, wer dann die Bundesregierung stellt –
in diese Debatte gehen? Da das für uns, für den Föderalismus und für unsere Hochschulen von zentraler Bedeutung ist, bin ich auf Ihre Antwort, Herr Minister, sehr gespannt.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Bregenzer hat gerade das Thema Hochschulbau angesprochen. Das ist natürlich ein ganz wichtiges Thema, weil man da deutlich darauf hinweisen muss, wie der Bund in den letzten Jahren versagt hat.
Damit man in den letzten Jahren überhaupt einigermaßen vernünftig planen konnte, wurden Rahmenpläne entwickelt. Darin sind in Kategorie II a diejenigen Maßnahmen eingestuft, die in den Rahmenplan aufgenommen wurden, vom Bund aber nicht kofinanziert werden konnten und deshalb zurückgestellt wurden.
Meine Damen und Herren, der 33. Rahmenplan für das Jahr 2004 konnte nicht rechtzeitig verabschiedet werden, weil der Bund eine weitere Absenkung der Mittel um 100 Millionen € vorgenommen hatte.
Mit der Streichung der vereinbarten Zuwachsraten, zum Beispiel für die Max-Planck-Gesellschaft und die Deutsche Forschungsgemeinschaft, zog er sich übrigens bei dieser Gelegenheit, Frau Bregenzer, auch aus der Forschungsförderung weiter zurück, was uns gerade in Baden-Württemberg besonders geschadet hat. Zum gleichen Zeitpunkt beglückte uns der Bund mit der Idee, in Deutschland mit fünf mal 50 Millionen € so genannte Eliteuniversitäten einzurichten. Die Idee zeugt allerdings von wenig Erfahrung mit deutschen Universitäten, aber auch mit US-amerikanischen Universitäten.
Vergangenen Donnerstag haben die Ministerpräsidenten der Länder die nach zähem Ringen ins Richtige gewendete Idee endlich unterzeichnen können, nämlich die Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder. Es ist wirklich Minister Frankenberg und anderen mit zu verdanken, dass man hier keine Schnellförderung unternommen hat, die nicht das als Erfolg gebracht hätte, was wir brauchen.
Von Anfang an hat die FDP/DVP-Fraktion betont, dass Spitzenleistungen nicht verordnet werden können, sondern im wissenschaftlichen Wettbewerb entstehen und dass sich dieser Wettbewerb nicht zwischen ganzen Hochschulen abspielt, sondern real auf der Ebene von Wissenschaftsbereichen, von Fakultäten, von Institutionen stattfindet. Die nun vereinbarte Exzellenzinitiative entspricht dem haarscharf, indem sie vorrangig darauf ausgerichtet ist, Zentren wissenschaftlicher Exzellenz in einzelnen Forschungsdisziplinen zu fördern, und indem sie auch im Programmteil der Stärkung des Forschungsprofils von bis zu zehn Univer
sitäten dienen soll. Die Auswahl und der Wettbewerb zählen. Dass die baden-württembergischen Universitäten für diesen Wettbewerb gut gerüstet sind, muss ich nicht hinzufügen. Baden-Württemberg ist im Gegensatz zu vielen SPD-regierten Ländern von seinem Standortranking her hervorragend.
Meine Damen und Herren, diese Exzellenzinitiative, übrigens zu einem Viertel von den Ländern mitfinanziert, ist ein Sieg der Länder gegenüber Kompetenzanmaßungen des Bundes.
In meinen Augen ist dies auch ein weiteres Argument dafür, dass die Forschungsförderung um Himmels willen nicht dem Bund allein übertragen werden darf. Mit dem nun ebenfalls geschlossenen Pakt für Forschung und Innovation, der den großen Forschungseinrichtungen die vom Bund gestrichenen Steigerungsraten wieder sichern soll, sind wir auf dem richtigen Weg. Für die mit Institutionen der MaxPlanck-Gesellschaft und der Fraunhofer-Gesellschaft besonders reich ausgestattete baden-württembergische Forschungslandschaft begrüße ich dies ausdrücklich, und ich bin mir sicher, dass die Grünen dies auch in Zukunft unterstützen werden. Wie Sie wissen, hat Baden-Württemberg die allermeisten Fraunhofer- und Max-Planck-Institute.
In der Föderalismuskommission stand für Rot-Grün die Mitfinanzierung des Bundes im Bereich des Hochschulbaus zur Diskussion, und zwar im Tausch gegen dessen alleinige Zuständigkeit für die Förderung der großen Forschungseinrichtungen. Da möchte ich Kollegin Bauer absolut Recht geben:
Es wäre ein großer Fehler gewesen, dies in die alleinige Zuständigkeit des Bundes nach Berlin zu verlagern. Forschung und Lehre müssen zusammengeführt werden. Dies wird für die Zukunft erfolgreich sein.
Ich möchte mich auch dem allgemeinen Tenor anschließen: Wir sind der Auffassung, dass der Bereich Hochschulbau keiner Mischfinanzierung mehr bedarf. Wie schon am Anfang ausgeführt, wäre es sicher sinnvoller, wenn BadenWürttemberg den Hochschulbau, natürlich bei einer ausreichenden Kompensation, selbst übernehmen könnte, und dies gerade in dem Moment, in dem es wichtig ist, in die Hochschulen zu investieren.
Meine Damen und Herren, gescheitert ist die Föderalismuskommission nicht an uns, sondern an der Bundesregierung.
(Widerspruch bei der SPD – Abg. Ursula Hauß- mann SPD: Wer hat Ihnen das aufgeschrieben? – Abg. Fischer SPD: Wir haben die ganze Zeit schon gedacht: Irgendwann muss dieser Satz kommen! – Abg. Carla Bregenzer SPD: An der FDP konnte es nicht scheitern! Die hatte ja nichts zu sagen!)
Ich hoffe, dass die fortbestehenden Reformerfordernisse erneut und dann recht erfolgreich in Angriff genommen werden.