Protocol of the Session on April 28, 2005

von dem uns alle Akteure am Markt sagen – auch die kommunalen; die Mittel kommen ja aus dem KIF –:

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Richtig!)

„Dieses Programm ist mittelfristig verzichtbar. Der Markt hat das geregelt und wird das regeln.“ Von daher wird das keine originäre Aufgabe mehr sein. Nur so geht es: alte Programme, die einmal ihre Berechtigung hatten, tabulos auf den Prüfstand zu stellen und nicht immer mehr zu fordern, sondern bereit zu sein, auch ein Stück weit umzuschichten.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Selbstverständlich ist es – übrigens in allen Bereichen – allemal besser, wenn Aufgaben privat erledigt werden können, weil das für den Staat immer kostengünstiger stattfindet.

(Abg. Kretschmann GRÜNE: Das ist auch eine rei- ne Ideologie und Marktradikalismus!)

Bei manchem, was wir mit der Verwaltungsreform auf den Weg gebracht haben, sind wir noch lange nicht am Ende; da wird man möglicherweise nachregulieren müssen. Aber es war ein erster Schritt. Ich denke, wir müssen uns auch beim Haushaltswirtschaftsrecht überlegen, ob wir nicht generell

zu einer Lösung kommen können. In der Ferne steht das Ziel, eine Generationenbilanz aufstellen zu können,

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Richtig!)

in der Lasten der Zukunft auftauchen, in der aber auch Vermögen, das geschaffen worden ist, auftaucht. Mit einer solchen Generationenbilanz könnte ein Zwang zum Betreiben einer nachhaltigen Finanzpolitik ausgeübt werden.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Ministerpräsident Oettinger hat das Bild einer aktiven Bürgergesellschaft skizziert, das im Wesentlichen der liberalen Sicht einer aktiven liberalen Bürgergesellschaft entspricht, die von der aktiven Teilnahme, dem Einmischen der Menschen lebt, und zwar auf allen Ebenen.

Ich darf schon noch einmal daran erinnern, dass das Gesetz zur Änderung kommunalverfassungsrechtlicher Vorschriften derzeit im Geschäftsgang ist. Das heißt, wer mehr Mitwirkung einfordert, muss auch mehr Mitsprache ermöglichen. Darum bin ich sehr froh – das war noch vor der Regierungsumbildung –, dass wir übereingekommen sind, die Quoren abzusenken.

(Abg. Fischer SPD: Das hat aber auch Zeit ge- braucht!)

Es gibt ein jüngstes Beispiel – Landesgartenschau –, bei dem es wieder am Quorum gescheitert ist. Wir werden den Positivkatalog streichen.

Lassen Sie mich, verehrte Kolleginnen und Kollegen, zu dem Thema „Innere Sicherheit, Polizei und Justiz“ nur weniges sagen, weil es nichts hinzuzufügen gibt.

(Abg. Kretschmann GRÜNE: Am besten schwei- gen Sie darüber! Da haben Sie ja die CDU rechts überholt!)

Das sind die zwei Seiten derselben Medaille: Polizei und Justiz sind diejenigen, die für die innere Sicherheit, für die Freiheit vom Staat, aber auch für die Freiheit durch den Staat zu sorgen haben. Das möchte ich mit Hilfe zweier Beispiele konkretisieren.

Selbstverständlich kann man neuere wissenschaftliche Methoden, Erkenntnisse nicht einfach ignorieren. So sind wir der Meinung, dass wir die Möglichkeiten der DNA-Datei ausweiten und nutzen müssen, insbesondere wenn es sich um Mehrfachtäter handelt. Es gibt kriminologische Untersuchungen, die zeigen, dass mehreren leichteren Taten, nicht so schweren Taten, irgendwann dann doch die schwere Tat folgt.

Warum ist dann Rot-Grün in Berlin so zögerlich – uns haben Sie an Ihrer Seite –, wenn es darum geht, dazu einen Gesetzentwurf vorzulegen, der auch Mehrfachtäter erfasst?

(Abg. Kretschmann GRÜNE: DNA-Test für Steu- erhinterzieher, oder was?)

Die völlige Gleichstellung mit dem Fingerabdruck lehnen wir ab, weil das letztendlich der Sache nicht dient. Wir möchten jetzt konkret ein Stück weiterkommen.

Das zweite Beispiel – da dürfen sich die Grünen als die Hüter der persönlichen Freiheitsrechte und der Informationsfreiheit sehr wohl angesprochen fühlen –:

(Zuruf des Abg. Theurer FDP/DVP)

Man kann eine schöne Liste darüber aufstellen, welchen Gesetzen Sie auf Bundesebene in der Vergangenheit als angebliche Bürgerrechtspartei, als die Sie sich profilieren wollten, zugestimmt haben. Es wäre für Sie beschämend, wenn man die Zeit hätte, das einmal vorzulegen.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Kretschmann GRÜNE: Zählen Sie sie auf! Aufzählen! – Zuruf des Abg. Boris Palmer GRÜNE)

Ich möchte das zweite Beispiel, die Vorratsdatenspeicherung, nennen. Mit unseren Vorstellungen von einem liberalen Rechtsstaat sind die Pläne auf europäischer Ebene, ist das, was von manchen Ländern gefordert wird, nicht vereinbar.

Wenn wir uns vorstellen, dass man die Telefonverbindungsdaten aller Bürgerinnen und Bürger 12 bis 36 Monate speichert, dann müssen wir uns vor Augen halten, dass wir über ein Datenvolumen reden, das ungefähr 4 Millionen Kilometern Aktenordnern entspricht. Man kann sich auch selber lahm legen.

(Zurufe von der SPD und der FDP/DVP)

Wenn wir das zulassen, haben wir endgültig den unter Generalverdacht stehenden „gläsernen Bürger“.

(Beifall bei der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Boris Palmer GRÜNE)

Meine Damen und Herren, einige wenige konkrete Detailthemen: Beim Thema Landesnaturschutzgesetz vertreten wir eindeutig die Meinung, dass es nicht um das Thema „Nützer gegen Schützer“ geht, sondern wir wollen für Eigentümer, Nutzer und diejenigen, denen der Schutz am Herzen liegt, eine gemeinsame Grundlage legen.

Wir werden bei der Novellierung des Landesnaturschutzgesetzes auch die Grundlage dafür legen, dass das Biosphärengebiet auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz Münsingen realisiert werden kann und Akzeptanz finden wird. Sie verstehen schon, warum ich mit diesem Detail etwas verdeutlichen möchte. Wir stehen da in einer Kontinuität. Viele Liberale, zuvörderst unser leider verstorbener Kollege Glück, haben sich von Anbeginn an darum gekümmert. Professor Bauer, Herr Weng, Birgit Homburger, alle sind wir nach den Gesprächen zu der Überzeugung gekommen, dass die Ausweisung als Biosphärengebiet von den rechtlichen Voraussetzungen her die Möglichkeit ist, die – unter Mitbestimmung der Kommunen, der Nutzer vor Ort – eine sanfte Nutzung gewährleistet und die Gegebenheiten realistisch einschätzt, auch was die Räumungsarbeiten angeht. Ich bin sehr froh, dass wir für die Schaffung dieses Biosphärengebiets gemeinsam mit den Kommunen vor Ort eine klare Aussage getroffen haben.

(Beifall des Abg. Kleinmann FDP/DVP)

Ich freue mich auch, um noch ein Detail zu nennen, dass wir übereingekommen sind, die Frage, wie wir als Land die Fußballweltmeisterschaft nutzen wollen, sehr viel offensiver in der touristischen Vermarktung anzugehen, dass wir – das wurde unter anderem gefordert – den Menschen zeigen: Wir sind ein liberales, weltoffenes, fröhliches Land. Wir sind übrigens übereingekommen – das ist nicht gesagt worden –, zumindest für diese Zeit die Sperrzeiten völlig aufzuheben.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, der Ministerpräsident hat angekündigt, den Landtag stärker „in die Rechtsetzung einzubeziehen“. Den Ball, den Günther Oettinger uns als Fraktionen zugespielt hat, nehmen wir gerne auf. Alle Punkte des verabredeten Arbeitsprogramms – ich habe viele genannt – müssen ja letztendlich in parlamentarische Beschlüsse und Gesetze münden. Die FDP/DVP-Fraktion freut sich darauf, gemeinsam mit dem Ministerpräsidenten, mit den Kolleginnen und Kollegen der CDU und gerne auch immer wieder einmal mit zwei, drei, vier Leuten aus der Opposition dieses Arbeitsprogramm in konkrete Beschlüsse und Gesetze zu fassen. Ich bin sicher, dass wir damit nicht nur bis 2006, sondern über 2006 hinaus einen Weg aufgezeigt haben, bei dem wir jetzt noch einmal die Schlagzahl erhöhen. Die großen Linien sind klar, und im Detail ist schon vieles angelaufen. Ich freue mich auf die gemeinsame Arbeit.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Kretschmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident Oettinger, Ihr Vorgänger hat vor wenigen Tagen gesagt, ihm sei keine Begründung dafür genannt worden, warum er sein Amt aufgeben solle. Sie hätten gestern die Gelegenheit gehabt, diese Begründung nachzuliefern. Ich muss leider sagen: Sie haben Ihre Chance nicht genutzt.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Sicher, es war ein ganz anderer, problemorientierter, offener Stil. In der Sache aber bleibt Ihre Regierungserklärung über weite Strecken vage und wolkig, Bekenntnis statt Programm.

Sie haben die großen Probleme des Landes ausgespart, allen voran die katastrophale Haushaltslage des Landes. Sie haben nicht erkennen lassen, was Sie wesentlich anders machen wollen als Ihr Vorgänger. Offensichtlich fehlt der Mut zur Erneuerung.

(Beifall bei den Grünen)

Sie schielen offenbar auf die Interessengruppen Ihrer Partei und Wählerschaft. Deswegen lautet das Motto Ihrer Regierungserklärung eher: „Allen wohl und niemand wehe.“ Keine Aussagen darüber, was wir jetzt konkret mit ausgereiften, finanzierbaren Konzepten machen. Nach anderthalb Jahren Stillstand in der Landespolitik wegen des Kampfes um das Amt des Ministerpräsidenten wollen Sie offensicht

lich noch ein weiteres Jahr tatenlos verstreichen lassen. Doch Stillstand ist Rückschritt. Sie setzen mit diesem Zögern und Taktieren das aufs Spiel, worüber wir ja alle recht froh sind: dass dieses Land in vielen Bereichen einen Spitzenplatz einnimmt.

Schon der Start mit Ihrer Ministerriege war eine Enttäuschung. Sie haben sich von der Macht und nicht von der Sache leiten lassen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Die dringend gebotene Verkleinerung des Kabinetts vermissen wir. Sie wollten niemandem auf die Füße treten. Sie trennen, was zusammengehört: Umwelt und Verkehr. Man hat den Eindruck, dass Sie Frau Ministerin Gönner regelrecht abgeschoben haben. Sie soll nun ein Rumpfministerium verwalten, dessen Haushaltsplan kaum dicker ist als der des Landtags.

(Beifall bei den Grünen)

Durch Ihre gestrige Rede zog sich wie ein schwarzer Faden das Fehlen von Mut.