(Beifall des Abg. Wieser CDU – Abg. Drexler SPD: Überhaupt nicht! Es gibt doch jetzt einen An- trag!)
Mir konnte auch – um ein weiteres Beispiel zu nennen – im Umweltministerium kein Mensch erklären, warum man, wenn man einen Servicevertrag mit einem Heizungsunternehmen zur Heizungswartung abgeschlossen hat, zwei Wochen später den Kaminfeger braucht, der im Prinzip nochmals das Gleiche macht und dafür 30, 40, 50 € bekommt.
Meine Damen und Herren, Deregulierung ist ein Instrument, das, jedenfalls materiell betrachtet, nichts kostet. Es kostet viel politische Kraft. Ich bin aber der Überzeugung, dass Deregulierung einer der zentralen Bestandteile erfolgreicher Politik für die nahe Zukunft sein wird.
Meine Damen und Herren, über allem wird immer die Frage stehen, welche Stimmung wir in der Wirtschaft haben. Wir wissen nicht erst seit Ludwig Erhard, dass Wirtschaft zu 50 % aus Psychologie besteht. Wir wissen auch nicht erst seit Ludwig Erhard, dass es ganz elementar davon abhängt, was führende Politiker, die bundespolitisch und landespolitisch – in diesem Fall bundespolitisch – Verantwortung tragen, hierzu beitragen. Vor diesem Hintergrund finde ich es bemerkenswert, wenn die Landesvorsitzende der Sozialdemokratischen Partei in Baden-Württemberg zu einem Boykott von Unternehmen aufruft.
Ich möchte dazu einfach einmal jemanden zitieren, der sicherlich nicht im Verdacht steht, besonders CDU-nah zu sein. Ich zitiere Rezzo Schlauch,
Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium und – fast schon eine Ironie – Mittelstandsbeauftragter:
Wenn die designierte baden-württembergische SPDSpitzenkandidatin indirekt zu Firmenboykotten aufruft, ist sie für das wirtschaftsstärkste Bundesland ein Standortrisiko.
Wirtschaftspolitik besteht, besonders für das Transitland Baden-Württemberg, mehr denn je aus einzelnen modularen Bestandteilen in angrenzenden Infrastrukturbereichen. Verkehr, meine Damen und Herren, wird für die nächsten Jahre ein zentraler Bestandteil unserer Politik sein. Der Ministerpräsident hat dies gestern in aller Ausführlichkeit dargestellt. Ich halte es deshalb für mutig, aber richtig, sich darüber Gedanken zu machen, wie wir in Zukunft genügend Finanzmittel für den Verkehrsbereich bekommen.
Meine Damen und Herren, ich gehöre nicht zu jenen, die von morgens bis abends nur sagen, was im Bereich des Straßenbaus aus Berlin kommt, sei alles zu wenig. Ich weiß, wie schwierig die Finanzlage ist. Ich anerkenne auch, dass man sich in Berlin bemüht, den Mittelansatz zu verbessern.
Wir haben im Bereich des Erhalts und Unterhalts der Straßen ein Niveau erreicht, mit dem man leben kann. Im investiven Bereich haben wir dies mit Sicherheit bei weitem nicht erreicht. Jeder kann ausrechnen, wie lange wir brauchen, bis wir das ganze Thema in den Griff bekommen, wenn wir planfestgestellte und rechtskräftige Verfahren mit einem Volumen von 1,2 Milliarden € haben und ab dem nächsten Jahr jährlich 80 Millionen € hierfür bekommen.
Ich mache mir im Übrigen auch nicht weis, dass selbst bei einem eventuellen Regierungswechsel über Nacht genügend Geld da sei, um diesen Investitionsstau abzubauen. Umso wichtiger ist es, finde ich, dass wir uns mit Blick auf die Zukunft fragen, wie wir genügend Finanzmittel bekommen, um die Infrastruktur so ausbauen zu können, wie sich das für den Wirtschaftsstandort Nummer 1 in der Bundesrepublik Deutschland auch gehört.
Deshalb halte ich es für richtig, wenn der Ministerpräsident sagt: Wir müssen uns ergebnisoffen darüber unterhalten, wie wir vermehrt privates Kapitel für den Straßenbau bekommen können. Da darf es keine Denkverbote geben – die Betonung liegt auf „keine“ –, auch nicht, was eine wie auch immer geartete Pkw-Maut in der Zukunft angeht.
Ich halte es für keinen guten Stil, wenn man irgendwelche Angstgebilde an die Wand malt, wenn man, Herr Kollege Drexler, von Berlin her von vornherein sagt: „Mit uns wird es eine Pkw-Maut nie geben“, wenn wir alle gleichzeitig wissen, dass die Pläne dafür bereits in der Schublade liegen.
Ich kann nur sagen, wer eine gute Infrastruktur für die Zukunft will, sollte zumindest diese Möglichkeiten ergebnisoffen diskutieren.
Das Gleiche gilt für den Bereich der Schiene. Meine Damen und Herren, Baden-Württemberg ist mehr denn je davon abhängig, an das internationale Hochgeschwindigkeitsnetz der Deutschen Bahn AG angeschlossen zu werden. Wir haben Probleme im Flughafenbereich. Stuttgart wird nie über eine Sandwich-Position hinauskommen. Wir haben Probleme im Straßenbau; ich habe sie bereits geschildert. Umso zentraler ist es, dass wir im Fernverkehrsbereich auf der Schiene exzellente Voraussetzungen für die Zukunft haben. Ich nenne die Schnellbahnstrecke zwischen Mannheim und Frankfurt, ich nenne den viergleisigen Ausbau im Rheintal, ich nenne die Gäubahn.
Ich nenne vor allem aber Stuttgart 21 und die Schnellbahntrasse Stuttgart–Wendlingen–Ulm. Meine Damen und Herren, nachdem selbst bei Umfragen der Grünen in der Zwischenzeit herauskommt, dass die große Mehrheit der Stuttgarter Bürger der Meinung ist, dass wir Stuttgart 21 brauchen, und wenn man weiß, dass die Europäische Union dieses Projekt forciert, wenn man weiß, dass die Bundesregierung dahinter steht, wenn man weiß, dass die Landesregierung es will, dass die Region es will, dass die Wirtschaftsakteure es wollen und dass es alle wollen, dann kann ich nur sagen: Geben Sie Ihren Widerstand gegen dieses zentrale Projekt endlich auf! Helfen Sie uns, dass wir so schnell wie möglich die moderne Infrastruktur bekommen, die wir in Baden-Württemberg dringender denn je brauchen. Wir brauchen Stuttgart 21 und die Schnellbahntrasse Stuttgart–Wendlingen–Ulm, meine Damen und Herren.
Als nächsten Bereich nenne ich die Energiepolitik. Ich bin der Überzeugung, dass wir in den nächsten Jahren in diesem Bereich eine Entwicklung haben werden, die das Ganze zu einer zentralen Herausforderung für die Landespolitik macht. Wir wissen, dass wir in den nächsten 30 Jahren weltweit 60 % mehr Energie brauchen als heute. Ich habe immer vor jenen Respekt gehabt, die gesagt haben: „Wir haben zumindest ein flaues Gefühl im Hinblick auf die Atomkraft.“ Ich weiß – vor allem auch aus meiner Arbeit in den letzten sechseinhalb Jahren –, dass eine so unheimlich komplexe Materie, die für den Laien technisch völlig intransparent ist, immer gewisse Unwägbarkeiten mit sich bringt. Deshalb muss man hierfür Verständnis haben.
Aber, meine Damen und Herren, wer aus einer Energieform komplett aussteigt, der muss bei dem Bedarf, den wir in Zukunft haben – dieser Bedarf wird auch bei uns steil ansteigen –, zumindest sagen, wo wir nach dem Ausstieg auch einsteigen. Sie sagen das bis zum heutigen Tag nicht. Sie sagen: „Wir brauchen ein bisschen erneuerbare Energien, wir brauchen ein bisschen Gas, ein bisschen Energieeinsparen, ein bisschen moderne Energiepolitik.“ Sie werden aber jeden Nachweis schuldig bleiben, wo wir die Energie alternativ herbekommen. Meine Damen und Herren, 60 % der Stromerzeugung in Baden-Württemberg erfolgen durch Kernkraft. Der grünste Grüne behauptet nicht mehr, dass man, wenn man kurz- und mittelfristig aus der Kernkraft aussteigt, dies durch andere Energieformen substituieren könne, ohne dass andere Probleme entstünden.
Dieser Tage haben wir das Ausstiegsszenario in Obrigheim. Ich habe Verständnis dafür, dass es für die Grünen in Baden-Württemberg 25 Jahre nach ihrer Gründung emotional etwas ganz Besonderes ist, dass man Obrigheim endlich dichtmachen kann. Aber, meine Damen und Herren, die Stilllegung von Obrigheim verursacht allein Stilllegungskosten von 700 Millionen €.
(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Deswegen hätte man es gar nicht bauen sollen! – Zuruf der Abg. There- sia Bauer GRÜNE)
Wir zahlen 700 Millionen € dafür, dass nichts mehr passiert. Meine Damen und Herren, das ist Ihre Politik. Das ist nicht das, was wir wollen, und mit Sicherheit keine moderne Energiepolitik.
Sie bauen 500 Arbeitsplätze direkt ab. Sie bauen 800 Arbeitsplätze in der Region ab, die mittel- oder unmittelbar mit Obrigheim verbunden waren. Und dann veranstalten Sie, meine Damen und Herren, allen Ernstes ein so genanntes Umschaltfest, indem Sie sich dafür abfeiern lassen, dass Sie ein Biomassekraftwerk bauen,
Das feiern Sie mit Trittin, mit Kuhn und wie sie alle heißen. Meine Damen und Herren, das ist ein Treppenwitz, wenn man dieses Land Baden-Württemberg noch irgendwie voranbringen will.
Jetzt habe ich nichts dagegen, wenn man auch ein bisschen Werbung für seine Politik macht. Das ist in Ordnung. Aber, meine Damen und Herren, dass Sie in einer Auflage von 1,3 Millionen Exemplaren dieses nette Heftchen
(Abg. Hillebrand CDU: Ja! Sauerei! Riesensauerei! – Abg. Herrmann CDU: Geldverschwendung! – Zuruf des Abg. Scheuermann CDU)
vom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung – wenn Sie es durchlesen, können Sie auch sagen: das ist das Programm der Grünen pur – noch auf Steuerzahlerkosten verschicken lassen, nachdem schon lange entschieden ist, dass Obrigheim abgebaut und stillgelegt wird, das halte ich für einen unglaublichen Vorgang.
Das ist die staatlich organisierte Vernichtung von Steuergeldern. Das ist unerhört, was Sie in diesem Zusammenhang machen.
Mit dieser Energiepolitik, meine Damen und Herren, hängt sehr eng die Umweltpolitik zusammen. Wir haben in Baden-Württemberg entgegen anders lautenden Aussagen bundesweit die geringsten Emissionen. Dies rührt – völlig offen gesprochen – unter anderem daher, dass wir einen überdurchschnittlich hohen Anteil des Stroms durch Kernenergie erzeugen. Das ist völlig unbestritten. Aber, meine Damen und Herren, bei allen Erfolgen, die wir in der Umweltschutzpolitik erreichen konnten – wir haben seit Jahrzehnten die saubersten Flüsse, wir haben entgegen dem, was manche propagieren, deutliche Verbesserungen bei der Luftqualität, wir haben bei allem, was man tagtäglich wahrnehmen, riechen, sehen, schmecken, hören kann, Verbesserungen –, muss man auch sagen: Das, was für die Zukunft am gefährlichsten sein wird – Stichwort Klimawandel –, wird in der öffentlichen Wahrnehmung nicht so behandelt, wie es eigentlich behandelt werden müsste.
Wir brauchen mehr denn je Fortschritte in diesem Bereich. Gerade deshalb, meine Damen und Herren, ist es unverantwortlich, wenn Sie einfach sagen: „Wir steigen aus der Kernenergie aus.“ Sie alle wissen, dass wir zum heutigen Zeitpunkt – das bestreiten Sie übrigens ehrlicherweise nicht – bei einem Ausstieg aus der Kernenergie nur eine Möglichkeit der Substitution haben, nämlich den Ersatz durch fossile Brennstoffe, also entweder durch Kohle oder im besseren Fall durch Gas.