Protocol of the Session on April 28, 2005

Auch engagierte Lehrer reiben sich auf Dauer auf, wenn die Unterstützung durch die Schulleitung fehlt.

Weiter unten heißt es: Nach Aussage von Herrn Rektor Soundso, dem Schulleiter der Hauptschule,

ist er wegen der Rahmenbedingungen nicht bereit, die bestehende Außenklasse fortzuführen.

Das ist das Ergebnis Ihrer Politik, meine Damen und Herren. Deswegen will ich Sie auch an den Tag der behinderten Menschen im Landtag erinnern. Damals wurde gesagt – das ist in der Dokumentation nachzulesen –:

Es fehlt der gesamte Bereich der Erziehung und Bildung, speziell rechtliche Regelungen zur Integration behinderter Menschen in Kindergärten, in Schulen sowie anderen öffentlichen Bildungseinrichtungen. Betroffene Eltern werden mit ihren Problemen alleine gelassen.

Das ist nachzulesen, meine Damen und Herren. Es darf nicht der Fall sein, dass wir Eltern allein lassen. Sie müssen alles dafür tun, dass wir Integration dort, wo sie gewünscht ist, tatsächlich auch umsetzen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Kleinmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Fragen des Unterrichts behinderter Kinder und Jugendlicher sind in noch gar nicht so weit zurückliegenden Jahren bei uns oft mit großer Aufgeregtheit diskutiert worden. Zugleich gab es dabei fast nur das eine Thema, nämlich das der Integration, obwohl das nicht das einzige Thema bei Behinderten ist.

Wenn ich es aber recht sehe, ist der Ton moderater geworden. Der Sache kann das nur nützlich sein, und wenn auch die Große Anfrage der Grünen, Frau Kollegin Rastätter, erneut ausschließlich Fragen des gemeinsamen Unterrichts anspricht, so ist dies doch mit der ausdrücklichen Feststellung verbunden, dass es nicht darum gehen solle, die Leistung und die hohe Qualität unserer Sonderschulen infrage zu stellen.

Für die veränderte Tonlage gibt es sicher eine Reihe von Gründen. Ein ganz entscheidender ist nach meiner Überzeugung die Tatsache, dass Baden-Württemberg in den zurückliegenden Jahren vielfältige Anstrengungen unternommen hat, die geeignet waren und geeignet sind, die Förderung, die schulische Bildung, die soziale und – soweit irgend möglich – auch die berufliche Integration behinderter Kinder und Jugendlicher weiter zu verbessern.

Ich kann hier nur einige wenige Punkte herausgreifen. Ich nenne, Kollege Wieser, den Ausbau der sonderpädagogischen Förderung im frühen Kindesalter, hierbei insbesondere die Steigerung der Akzeptanz der frühen Hilfeangebote durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit. Die weitere Verbesserung der Akzeptanz und Zugänglichkeit, gerade auch bei Familien in erschwerten sozialen Lebenslagen, ist ein richtiges und von uns verfolgtes Ziel.

Ich nenne die höhere Akzeptanz aufseiten der Eltern hinsichtlich der Feststellung der Sonderschulpflicht.

(Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Nein!)

Die verstärkte und frühzeitige Einbeziehung der Eltern hängt ebenso mit der Änderung des Schulgesetzes im Jahre 1997 zusammen wie die Öffnung der allgemeinen Schulen für die Förderung behinderter Kinder. Das sind bei weitem nicht nur, aber natürlich auch und insbesondere die Außenklassen.

Ich nenne schließlich die Kooperationsprojekte und Begegnungen von Schülerinnen und Schülern mit und ohne Behinderung.

Die soziale Integration behinderter Schüler – ich glaube, das ist von Ihnen, Herr Zeller, auch erwähnt worden –, die ausdrücklich Aufgabe a l l e r Schularten ist und aller Schularten sein muss, wird durch diese Kooperationen und Begegnungen im Grunde auf doppelte Weise gefördert, und zwar ganz einfach deshalb, weil sie eben auch den nichtbehinderten Schülerinnen und Schülern Begegnung und Kennenlernen ermöglicht. Das ist auch die besondere Stärke des gemeinsamen Unterrichts behinderter und nichtbehinderter Kinder. Die weitere Förderung dieser Möglichkeit ist insoweit grundsätzlich richtig.

(Abg. Wieser CDU: Wir haben doch keine Vorle- sung!)

Herr Wieser, man muss auch einmal über das Gute reden, was man als Koalition geleistet hat.

(Abg. Wieser CDU: Sehr gut, Herr Pfarrer!)

Die weitere Förderung dieser Möglichkeit ist selbstverständlich immer an die Voraussetzung gebunden, dass dies für das Kind, das hier im Mittelpunkt stehen soll, die beste Lösung ist.

Die positiven Erfahrungen mit den Außenklassen rufen dazu auf, gerade auf diesem Weg fortzuschreiten. Aber er kann nicht der allein selig machende sein. Die Tatsache, dass die Rückkehr von Außenklassen an ihre Stammschulen offenkundig vor allem auf Wunsch der Eltern und Kollegien zurückgeht, gibt hierauf einen Hinweis.

Meine Damen und Herren, den Königsweg schlechthin gibt es nicht. Wichtig aber ist, dass wir mit den Themen „Integration Behinderter“ und „Gemeinsamer Unterricht für Behinderte und Nichtbehinderte“ sensibel umgehen. Was die zu gehenden Wege betrifft, so sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt.

Meine Damen und Herren, nachdem ich selbst als Schüler mit einer körperbehinderten Schülerin zusammen die Grundschulzeit erlebt habe, weiß ich, wovon ich rede. Ich möchte diese Zeit nicht missen. Wir haben alle unsere Ausflüge, alle unsere Aktionen, selbst das Schülerfest immer danach ausgerichtet, was wir machen können, damit diese Schülerin immer einbezogen war. Das war, wie ich meine, eine gute Zeit.

Sie sehen: Wir stehen den Überlegungen, wie weitere Möglichkeiten geschaffen werden können, das Miteinander zwischen Behinderten und Nichtbehinderten zu stärken, sehr offen gegenüber. Wir Liberale haben dafür ein offenes Ohr.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Das Wort erhält Frau Ministerin Dr. Schavan.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Am 11. Dezember 1997 haben wir in diesem hohen Hause über Veränderungen unseres Schulgesetzes, zum heutigen Thema debattiert. Damals habe ich gesagt:

… das Konzept, das wir hier vorlegen, … ist abgewogen. Es reduziert die Förderung behinderter Kinder nicht auf ein Modell. Es ist im Blick auf Ressourcen realistisch. Es läuft nicht Gefahr, der Versuchung zu erliegen, die viele Elternverbände in anderen Ländern mittlerweile beklagen, dass es zu Billiglösungen kommt.

Ich bin der festen Überzeugung, dass wir neben der Einzelintegration, die wir jetzt schon haben, in Zukunft auch eine Reihe interessanter integrativer Schulentwicklungsmodelle in Baden-Württemberg haben werden, wo das von der Kompetenz, von der Trägerschaft und von den Ressourcen her möglich ist.

(Ministerin Dr. Annette Schavan)

Heute haben wir im Land 29 solche Integrative Schulentwicklungsprojekte, und vor allen Dingen haben wir seither ein breites Spektrum an Entwicklungen zur Förderung von Kooperation und Integration.

Wir haben in diesen Jahren erlebt, dass sich die Qualität der Integration in schulische Bildungsangebote nicht an der Organisationsform entscheidet, sondern an sehr konkreten Ausgestaltungen der in allen Formen gegebenen vielfältigen Anlässe und Prozesse der sozialen Kommunikation und Integration.

Vor allem ist die Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung grundsätzlich Auftrag aller Schularten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Wieser CDU: Sehr gut! – Zuruf der Abg. Renate Rastätter GRÜNE)

Im Schulgesetz ist 1997 noch einmal verdeutlicht worden: Damit ist die gemeinsame Verantwortung auch stärker in das Bewusstsein der Schulen gerückt worden. Genau mit der Zielsetzung, es Schulen aller Schularten zu ermöglichen, sich an dieser Aufgabe der Integration zu beteiligen, hat es eine Menge struktureller Weiterentwicklungen gegeben. Ich nenne die Einrichtung von Arbeitsstellen Kooperation bei allen unteren Schulaufsichtsbehörden als Anlaufstellen für die Eltern, als Anlaufstellen für alle die, die an besonderen Lösungen vor Ort arbeiten.

Ich nenne das durchaus komplizierte Verfahrenskonzept ISEP, ein aufwendiges Verfahren, mit dem ein hoher Anspruch an die beteiligten Pädagoginnen und Pädagogen, übrigens auch die Schulträger, verbunden ist.

Ich nenne die Stärkung der Entwicklungskräfte vor Ort. Das heißt, wir haben mit dem, was damals im Schulgesetz verankert wurde, der Schulverwaltung einen Rahmen zur Verfügung gestellt, der die Entwicklung passgenauer, entsprechend den Voraussetzungen vor Ort ermöglicht.

Da gibt es ein breites Spektrum an Entwicklungen – Herr Wenz hat ja all diese Beispiele –, die dann jeweils vor Ort zur Verfügung gestellt wurden. Das Ergebnis, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist heute, dass die Mehrheit behinderter Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf eine allgemeine Schule und keine Sonderschule besuchen. Das ist heute der Stand in Baden-Württemberg.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Kleinmann FDP/DVP: Sehr gut!)

Ich kann es auch in Zahlen sagen. Ich kann Ihnen die Zahlen aus Deutschland im Vergleich der 16 Länder nennen. Aber ich beginne mit der Einschätzung der UNESCO-Kommission. Danach muss davon ausgegangen werden, dass rund 10 bis 12 % aller Schülerinnen und Schüler im Laufe ihrer Schulbiografie einen besonderen Unterstützungsbedarf haben. Für rund 4,3 % steht das Sonderschulangebot zur Verfügung, für rund 1,4 % werden Hilfestellungen im Rahmen des sonderpädagogischen Dienstes an allgemeinen Schulen entwickelt, und für die dann noch verbleibenden 7 % haben die allgemeinen Schulen, insbesondere die Grundschulen, inhaltlich und strukturell Formen der Hilfe entwickelt.

Deshalb ist in diesem Zeitraum auch im Vergleich der 16 Länder in Baden-Württemberg die Quote derer, die eine Sonderschule besuchen, deutlich weniger gestiegen als in den 15 anderen Ländern. 1997 betrug diese Quote bundesweit 4,3 %, in Baden-Württemberg waren es 4,2 %. Bereits 2002 betrug die Quote bundesweit 4,8 %, in Baden-Württemberg 4,4 %. Wir liegen deutlich unter dem Bundesdurchschnitt, was die Quote der förderbedürftigen Schülerinnen und Schüler angeht, die die Sonderschule besuchen.

(Zuruf des Abg. Zeller SPD)

Das ist das Ergebnis der Entwicklungsschritte, die das Schulgesetz ermöglicht. Das ist das Ergebnis eines Schulgesetzes, das nicht den Königsweg – darüber haben wir damals heftig gestritten – vorschreibt, sondern ein breites Spektrum an Entwicklungsprozessen vor Ort ermöglicht, ein breites Spektrum an Zusammenarbeit zwischen allgemeinen Schulen und den Sonderschulen, ein breites Spektrum, für das die bereits genannten Außenklassen nur ein Beispiel sind.

Ich bin davon überzeugt, dass wir auf diesem Weg weitermachen sollten: gute Beratung der Eltern, professionelle Hilfe für die Schulen, die Entwicklungsprozesse eingehen, Abhängigkeit des Sonderschulbesuchs vom tatsächlichen sozialpädagogischen Förderbedarf und nicht von irgendeiner theoretischen Definition, nicht einen Königsweg definieren,

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Richtig! – Beifall des Abg. Kleinmann FDP/DVP)

ein breites Spektrum pädagogisch richtiger und für die Schülerinnen und Schüler hilfreicher Möglichkeiten. Diese Wege haben sich bewährt, auch die Zusammenarbeit zwischen Schule und Eltern. Deshalb sehe ich keinen Grund, hier etwas zu verändern.

Klar ist auch: Sie werden immer Beispiele vor Ort finden,

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Klar, natürlich!)