Protocol of the Session on April 28, 2005

ein Argument gewesen, nämlich bei Willy Brandt, bei Ihrem Wirtschaftsminister Schwarz und bei uns in der CDU – damals gab es die Grünen noch nicht. Wer dieses Argument aber jetzt einführt, verkennt Ursache und Wirkung.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Wieser CDU: Sehr gut!)

Die Endlagerung bleibt in Deutschland, ob mit oder ohne Kernkraft, eine Aufgabe unserer und Ihrer Generation.

In wenigen Tagen geht Obrigheim vom Netz – abgehakt. Ich finde es blöd, wenn man Veitstänze darum herum aufführt

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Das macht ja auch niemand!)

und sich wie kleine Kinder darüber freut.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Es waren nur erwach- sene Leute dort!)

Damit trifft man nicht die Befindlichkeit der Arbeitnehmer und der Bevölkerung in der Region. Aber sei’s drum, das ist Ihr Problem. In Ihrer Freizeit dürfen Sie machen, was Sie wollen.

(Heiterkeit – Abg. Drexler SPD: Auch im Parla- ment? – Abg. Junginger SPD: Das ist aber großzü- gig! – Zurufe, u. a.: Veitstänze! – Abg. Fleischer CDU: Wenn man das so empfindet!)

Aber Obrigheim ist ja nur ein kleiner Teil der Entwicklung. Die beiden größeren Schritte stehen ja unmittelbar bevor. In vier Jahren wird Neckarwestheim vom Netz gehen. Da geht es um 900 Megawatt und nicht nur, wie jetzt in Obrigheim, um 230 Megawatt. In acht Jahren – das fällt also auch noch in unsere Verantwortung – wird der erste große Block des Kernkraftwerks Philippsburg vom Netz gehen, der noch einmal 900 oder mehr Megawatt liefert. Damit geht es also um 2 200 Megawatt, die in Baden-Württemberg fehlen werden. Wer die Planungs- und Bauzeit für neue Kraftwerke, egal, mit welcher Technik, kennt, der weiß, dass das, was hier verloren gehen wird, in Baden-Württemberg nicht zeitgleich ersetzt werden kann, sondern importiert werden muss. Dies ist allemal ein dummer und falscher Weg.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Schmiedel SPD: Wenn man jetzt loslegte, dann würde es gehen! – Abg. Boris Palmer GRÜNE: Sie haben ja nichts gemacht!)

Die EnBW nimmt jetzt kurzfristig – nach der Stilllegung von Obrigheim – zwei alte „Kisten“ erneut in Betrieb, nämlich die längst stillgelegten Kraftwerke in Heilbronn und in Walheim. Die CO2-Emission feiert fröhliche Urständ; und das ist Ihre Verantwortung.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Noll FDP/DVP: So ist es! – Weitere Zurufe von der CDU)

Dann wird gesagt, dass die EnBW zu gar nichts verpflichtet werden könne. Ich frage Sie: Wären Sie in dem Fall, dass wir eine entsprechende Zusicherung der EnBW bekämen,

bereit, ergebnisoffen über eine Alternative nachzudenken? Man kann die Ertragssteigerungen, die durch Verlängerung der Laufzeiten von Kernkraftwerken möglich würden, errechnen. Wenn durch politische Entscheidungen im Deutschen Bundestag – egal, durch wen – und im deutschen Bundesrat bilanziell abgeschriebene, technisch neue Kernkraftwerke zehn Jahre länger laufen könnten, wenn die Abschaltung also nicht 2008 oder 2012, sondern zehn Jahre später erfolgte, dann entstünde eine Renditesteigerung, deren Höhe man durch unabhängige Gutachten errechnen kann. Wenn die EnBW bereit wäre, bis zu 50 % ihrer so erzielten Ertragssteigerung in Forschung, Entwicklung und Markteinführung von Geothermie, Biomasse und anderem in Baden-Württemberg zu investieren, wären Sie dann bereit, ergebnisoffen darüber nachzudenken, ob die Laufzeitverlängerung nicht die größte Schubkraft für die erneuerbaren Energien in Baden-Württemberg bringen kann, während Kohle und Gas – CO2-schädlich, wie sie sind – der falsche Weg sind?

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Sie haben in den letzten Wochen mehrfach den Popanz von anderen Kraftwerken in Obrigheim aufgebaut.

(Abg. Scheuermann CDU: Echter Popanz!)

Sie haben die Aussage gemacht, dass die Stadtwerke keine Partner beim Land fänden. Herr Kollege Pfister hat eingeladen – –

(Abg. Drexler SPD: Der Brief ist vom 12. Oktober! Jetzt haben wir langsam April! – Gegenruf des Abg. Wieser CDU: Drexler ist für das Landesar- chiv zuständig! – Zurufe der Abg. Dr. Carmina Brenner CDU, Knapp und Schmiedel SPD)

Herr Kollege Pfister hat zu einem Gespräch eingeladen.

(Weitere Zurufe von der SPD – Unruhe)

Die Stadtwerke kommen zu ihm, um zu besprechen, wie das Land mithelfen kann, damit Produktionskapazitäten, die die Stadtwerke bauen wollen, in Baden-Württemberg technisch, rechtlich und finanziell möglich sind.

(Abg. Drexler SPD: Zwei sind schon weg! – Abg. Wieser CDU: Mit jeder Minute fällt Drexler weiter runter! – Gegenruf des Abg. Fleischer CDU: Aber bitte ohne Schmiedel! – Zurufe der Abg. Knapp und Schmiedel SPD)

Wir berichten gerne in wenigen Wochen darüber. Warten Sie es ab!

Zum Zweiten, Herr Kollege Schmiedel: Sie haben den Deal der Energie Baden-Württemberg mit der STEAG, also der Ruhrkohle AG, kritisiert. Ich weiß verlässlich, dass zu diesem Thema in zwei Zentralen Wut herrscht: bei Eon in Düsseldorf und bei RWE in Essen. Die Energie BadenWürttemberg hat einen strategischen Schachzug mit der STEAG und mit Herrn Müller, Ihrem früheren Wirtschaftsminister, erreicht, der die EnBW stärkt, die auf den deutschen Markt kommt, und umgekehrt. Das hat mit einer Abwanderung von Arbeitsplätzen gar nichts zu tun, hat aber mit einem Wachstum der Energie Baden-Württemberg im

(Ministerpräsident Oettinger)

deutschen Energiemarkt in strategischer Partnerschaft sehr viel zu tun.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Drexler SPD: Aber mit Arbeitsplätzen hier hat das sehr viel zu tun!)

Jetzt zum Standort Obrigheim ganz konkret: Was könnte man machen? Denkbar wäre dort ein Biomassekraftwerk. Dafür sind alle Gegebenheiten vorhanden. Aber die Vorschläge, die bei Ihnen im Gespräch sind, sind überhaupt nicht aktuell und auch nicht machbar. Kohlekraftwerk oder Gaskraftwerk sind in Obrigheim auf absehbare Zeit nicht möglich.

(Abg. Hofer FDP/DVP: So ist es!)

Warum? Wenn man Kohle verbrennen will, braucht man einen Hafen

(Abg. Wieser CDU: Was braucht man?)

oder Autos. Aber Lkw wollen Sie ja nicht – zu Recht. Ein Schiffshafen in Obrigheim, eine Entladestation ist nicht vorhanden. Woher soll die Kohle kommen, damit dort ein Kohlekraftwerk gebaut werden kann?

Zum Zweiten solltet ihr in Obrigheim nicht nur Fässer aufmachen und feiern, sondern euch umschauen und sachkundig machen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Wieser CDU: Sehr gut! – Abg. Drexler SPD zu den Grünen: Habt ihr Fässer aufgemacht? Habt ihr aus Fässern gesoffen?)

Zum Thema Gaskraftwerk: Auch eine Gasleitung nach Obrigheim besteht bisher nicht.

(Abg. Mappus CDU: So ist es!)

Es wird eine geplant, stimmt: von Wingas und Ruhrgas/ Eon, die Süddeutsche Erdgasleitung (SEL). Aber sie wird erst geplant und ist nicht vorhanden. Das dauert noch Jahre, während Sie im Grunde genommen kritisieren, dass jetzt kein Gaskraftwerk gebaut wird. Mit Fässern kann man kein Gas transportieren. Das macht überhaupt keinen Sinn. Deshalb ist dieser Vorschlag oberflächlich und überhaupt nicht sachkundig geprüft.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Wieser CDU: Schwätzer halt! – Zuruf des Abg. Boris Palmer GRÜNE)

Letzter Punkt: Ich bin gerne bereit – wenn Sie das annehmen –, in den nächsten Wochen zu einem Fachgespräch einzuladen – mit Herrn Dr. Claassen und mit Ihrer Teilnahme –, um zu prüfen, welche Möglichkeiten der Grundstückseigentümer Energie Baden-Württemberg für den Erhalt und die Sicherung von Arbeitsplätzen und für die Stromgewinnung am Standort Obrigheim sieht.

(Abg. Wieser CDU: Sehr gut!)

Wenn Sie dieses Angebot annehmen, bin ich zur Moderation des Gesprächs mit der Energie Baden-Württemberg sehr kurzfristig bereit.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Wieser CDU: Wunderbar! Sehr gut! – Abg. Fleischer CDU: Sehr guter Stil! – Abg. Wie- ser CDU: Das schafft Arbeit!)

Ich komme zum vierten und letzten Punkt: Wie finanzieren wir Verkehrswege in Deutschland und Baden-Württemberg? Da geht es um Straßenbau – aber nicht nur. Sie wissen, dass der Schienenwegebau unserer Koalition genauso wichtig wie der Straßenbau ist, denn beides gewährleistet die Infrastruktur, die Baden-Württemberg braucht.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Den Neckar nicht zu vergessen!)

Schifffahrt ohne Frage ebenfalls, Mannheim, Stuttgart. Das ist von gleicher Bedeutung: längere Schleusen und anderes.

Bei einer nüchternen Betrachtung der Haushalte – des Landeshaushalts und des Bundeshaushalts –, der Staatsverschuldung, der Sozialausgaben und anderem glaube ich nicht, Herr Kollege Drexler und Herr Kollege Kretschmann, dass durch Umschichtungen im Haushalt in den nächsten Jahren auf Dauer das Notwendige an Mitteln erbracht werden kann, das unser Standort, unsere Volkswirtschaft braucht, damit wir im Straßen- und Schienenwegebau zukunftsfähig werden. Ich glaube nicht, dass eine Haushaltslösung allein die entsprechenden Aufgaben meistern kann.

(Beifall bei der CDU)

Zweitens behaupte ich, dass die Kraftfahrzeugsteuer nicht mehr zeitgemäß ist. Denn Hubraum ist weder ein Faktor für Luftemissionen noch für Lärm, noch für Straßennutzung überhaupt. Ich sehe auch, dass die Kraftfahrzeugsteuer den Ländern zusteht. Bei gutem Willen muss es möglich sein, alte Steuereinnahmen und neue Steuereinnahmen so auszutarieren, dass kein Haushalt – weder im Bund noch in den Ländern – Nachteile hat.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Drexler SPD: Aha!)