Protocol of the Session on April 28, 2005

Unserer Ansicht nach gibt es dafür ein klares und – auch nach dem, was Sie sagen – logisches Konzept: Wir müssen das Landeserziehungsgeld für die Kleinkindbetreuung umwidmen, anders ist dieser Bereich nicht zu finanzieren. Auch da zeigen Sie wieder nicht den Mut, klare und verbindliche Aussagen zu treffen und sich zu entscheiden, damit dieser Wunsch auch seriös finanziert wird. Handeln Sie nun endlich! Wir müssen das Landeserziehungsgeld aufgeben. Dazu haben wir einen Ausstiegsvorschlag gemacht. Damit können wir die Betreuung der Kinder unter drei Jahren finanzieren.

(Beifall bei den Grünen – Zuruf des Abg. Mappus CDU)

Ich sage noch ein paar Sätze zu Ihrem interessantesten Projekt,

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Nämlich?)

dem Projekt Schulreife.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Ah ja!)

Ich sehe das so: Sie haben gemerkt, dass die von Ihnen vorgeschlagene Kindergartenpflicht in dem Maße wahrscheinlich gar nicht sinnvoll ist, vor allem aber ist sie gar nicht finanzierbar. Das, was Sie jetzt mit diesem achtstündigen Kurs vorgeschlagen haben, ist so etwas wie eine „Kindergartenpflicht light“. Es ist aber kein ausgereiftes Konzept und kein großer Wurf.

Zunächst erkennen wir an, dass Sie sehen, dass die frühkindliche Bildung im Kindergarten verbessert werden muss und dass dafür auch Geld bereitgestellt werden muss. Allerdings wollen Sie das Geld aus dem Schuletat nehmen. Ich möchte gerne wissen, woher genau aus dem Schuletat. Da klemmt es schon jetzt an allen Ecken und Enden.

Sie haben dieses Modell von Ihrem Freund Koch aus Hessen übernommen. Es ist aber nicht ausgereift. Wie passt das jetzt in den Orientierungsplan, der umgesetzt werden soll und bei dem es darum geht, die Kinder von vornherein sprachlich zu fördern und integrativ zu erziehen,

(Abg. Drexler SPD: Ab drei! – Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Drei Jahre!)

und zwar in allen Bereichen, nicht nur in einem solchen Kurs?

Die Erfahrungen aus Hessen aber zeigen zum Beispiel, dass viele Kinder aus sozial schwachen Familien dann nur noch in diese acht Stunden geschickt werden, weil diese eben nichts kosten, und nicht mehr in den Kindergarten. Das kann man nun wirklich nicht wollen. Legen Sie erst einmal ein ausgereiftes Konzept vor! Das war erst einmal ein Diskussionsvorschlag von Ihnen. Wir sehen noch nicht, dass er wirklich passt.

Jetzt komme ich zum letzten und wichtigsten Teil,

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Haushalt!)

dem Haushalt: die Schuldenbremse ziehen, und zwar jetzt. Es ist schon beachtlich, was Sie da geboten haben, alle. Das war wohl die „neue Bürgerlichkeit“. Früher hat man gesagt: Man redet nicht vom Geld, man hat es. In der „neuen Bürgerlichkeit“ heißt es offensichtlich: Wir reden nicht über Geld, weil wir keines haben.

(Heiterkeit und Beifall bei den Grünen)

In der Regierungszeit von Herrn Teufel hat sich die Verschuldung nur noch verdoppelt, während sie sich in der Regierungszeit von Herrn Späth verdreifacht hatte. Jetzt wäre es an der Zeit, dass wir zu einem Verschuldungsstopp kommen, Herr Oettinger. Aber für Ihre Regierungserklärung wäre die Bezeichnung „vage“ noch ein Euphemismus. Sie sagen zu der Frage, wie wir zu einem ausgeglichenen Haushalt kommen können, schlichtweg nichts. „Nullverschuldung noch in meiner Generation“, das ist das ganze Angebot. Mit dem, was Sie mit Blick auf die Finanzpolitik ausgeführt haben, erreichen Sie das noch nicht einmal, wenn Sie sich an Joseph Ratzingers Karriere orientieren.

(Heiterkeit bei den Grünen – Abg. Drexler SPD: Das wäre nicht schlecht!)

Eines ist klar: Wer langfristige Verbesserungen will, muss sofort mit Veränderungen und einer harten Therapie anfangen. Das verlange ich von einer neuen Landesregierung. Dazu fehlt Ihnen der Mut.

(Abg. Mappus CDU: Den bräuchten Sie aber auch einmal!)

Nachhaltigkeit ist ein Projekt mit langem Atem und kein politisches Fast Food. Wieder setzt diese neue Landesregie

rung die Politik der Haushaltsnotmaßnahmen mit der Ankündigung von Haushaltssperren fort. Für den Weg einer nachhaltigen Finanzpolitik gibt es demgegenüber klare Leitplanken. Die Leitplanke ist der Anteil der Zinsbelastung am Gesamthaushalt. Er darf mittelfristig nicht weiter steigen und muss langfristig reduziert werden. Das ist ein ganz klarer und nachvollziehbarer Indikator.

Herr Ministerpräsident, wir haben Ihre Vorschläge für eine harte Therapie vermisst.

Ich möchte noch einmal klar machen, wo unsere Veränderungen ganz konkret ansetzen müssen:

Personalkosten reduzieren: Das Land gibt die Hälfte seiner Haushaltsmittel für Personal aus. Bei dieser Haushaltsstruktur ist klar, dass eine Konsolidierung ohne Einsparung von Personal nicht gelingen kann. Ein schlanker, starker Staat erfordert eine Strukturreform des öffentlichen Dienstes. Sie ist nach den Vorschlägen von Otto Schily jetzt möglich.

Um die strukturelle Haushaltslücke von 3 bis 4 Milliarden € zu schließen, müssen wir 300 bis 400 Millionen € einsparen. Umgerechnet heißt das: Von den 260 000 Stellen des Landes sind das 20 000. Sie haben in Ihrem Kandidatenwahlkampf diese Zahl noch getoppt. Die 20 000 bis 30 000 kommen in Ihrer Regierungserklärung überhaupt nicht mehr vor. So kann das nicht weitergehen.

Aufgabenabbau ist das Zweite. Diesen Punkt haben Sie zwar genannt, aber nicht angedeutet, wo der Abbau stattfinden soll. Wir haben dazu klare Aussagen gemacht. Die Schulverwaltung können wir durch die selbstständige Schule mit Schulassistenten stark reduzieren.

Die Flurneuordnung betrifft natürlich Ihre Klientel. Es ist nicht Aufgabe des Staates, den Bauern ihre Äcker zu sortieren.

(Abg. Fleischer CDU: Sie haben aber ein seltsames Verständnis von Strukturpolitik!)

Die Beratung in der Agrarförderung sollte an die Bauernverbände zurückgegeben werden. Weitere Stellen können eingespart werden bei der länderübergreifenden Kooperation im Bereich der Agrarforschung und durch den Verzicht auf eine mittlere Verwaltungsebene beim Verwaltungsaufbau.

Natürlich kann auch durch den Rückgang der Schülerzahlen ein Teil der Lehrerstellen eingespart werden,

(Abg. Dr. Birk CDU: Sicherlich auch die Abschaf- fung von Bauernregeln!)

wobei wir natürlich einen großen Teil auch für die Verbesserung der Unterrichtsversorgung brauchen.

Wo sind die Vorschläge von Ihnen, wie man zu dieser Stelleneinsparung kommt? Welche Stellen sollen in welchen Sparten in welchem Zeitraum gestrichen werden? Welche Verwaltungsaufgaben sollen abgebaut werden? Wie viele Lehrerstellen wollen Sie tatsächlich abbauen?

Nächster Punkt: Reduzierung der Pensionslasten. Ich hätte von einem neuen Regierungschef erwartet, dass er dieses dramatische Problem anspricht und sagt, wie wir diese Pen

sionslawine in ersten Schritten mildern können. Wir sagen klar: Streichung der 13. Monatspension bei Beamten des höheren und des gehobenen Dienstes. Das wäre schon ein nachhaltiger Beitrag, um zu einer Reduktion zu kommen. Was machen Sie stattdessen? Nicht den Pensionären, sondern den Berufseinsteigern wird das Weihnachtsgeld gestrichen. Also wirklich ran an diese Probleme! Das tut natürlich den Betroffenen weh, aber jeder muss einsehen, dass wir sonst in Zukunft die Bezahlung der Pension in der bisherigen Höhe insgesamt infrage stellen müssen.

Wir haben auch vorgeschlagen, keine Lehrer mehr als Beamte einzustellen. Nach unserer Schulreform können Sie dann bei allen Gymnasiallehrern für den Sekundarstufenbereich I das Gehalt um eine Stufe absenken. Damit kann man schon einen Teil der Mehrkosten von Angestellten finanzieren.

Schluss mit den Schattenhaushalten! Schluss mit dem Verkauf von Einnahmen, die wir noch gar nicht haben, wie den Verkauf von Zinsforderungen der LBBW! Schluss mit dem Substanzverfall des Landesvermögens, wie wir ihn bei den Universitätsbauten haben! Kollege Drexler hat schon die Summe genannt: 2,4 Milliarden €. Sie aber wollen neue Löcher aufmachen – Herr Mappus, Sie haben es noch einmal betont – mit Stuttgart 21 und der Vorfinanzierung der Neubaustrecke mit 80 Millionen €, für die Sie überhaupt keine Deckungsvorschläge haben. So kann es nicht weitergehen.

Wenn wir als kleine Oppositionsfraktion schon sehr präzise Vorschläge zu Aufgabenkritik und Aufgabenreduktion machen können, dann können wir das von Ihnen erst recht erwarten. Solche Vorschläge haben wir in Ihrer ganzen Rede leider vollständig vermisst.

Ich darf zum Schluss kommen. Herr Wiedeking sagte am 5. April 2005 bei seiner Rede im Landtag, an Sie, Herr Oettinger, gewandt:

Gemeinsam müssen wir – Sie als Politiker und wir als Unternehmer – definieren und sagen, wohin die Reise gehen soll, wo wir in zehn Jahren im internationalen Wettbewerb stehen wollen.

Ich sage Ihnen, was wir in Baden-Württemberg nach unserer Perspektive in zehn Jahren erreichen wollen.

Erstens: Wir sind bei PISA gleichauf mit den skandinavischen Ländern.

Zweitens: Die Zahl der Schulabbrecher liegt unter 1 %. Die Jugendarbeitslosigkeit ist unter 2,5 % gesunken.

Drittens: 50 % jedes Jahrgangs finden einen Studienplatz an unseren Hochschulen, die zu den führenden Zukunftswerkstätten Europas gehören.

Viertens: Wir sind die Nummer 1 beim Export von Umwelttechnologien in Europa, und wir sind Weltmarktführer bei den umweltfreundlichsten Autos.

Fünftens: Wir erreichen einen Anteil von 20 % bei den regenerativen Energiequellen.

Sechstens: Wir sind ein Land ohne Nettoneuverschuldung. Der öffentliche Dienst des Landes erfüllt seine Aufgaben mit 20 000 Stellen weniger genauso gut wie vorher.

Siebtens: Die Hälfte der Führungspositionen in der Landesverwaltung ist mit Frauen besetzt; dies gilt auch für die Landesregierung.

(Beifall bei den Grünen)