Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 90. Sitzung des 13. Landtags von Baden-Württemberg.
Meine Damen und Herren, Herr Ministerpräsident Teufel hat mir am 19. April 2005 sein Rücktrittsschreiben persönlich übergeben. Es hat folgenden Wortlaut:
Gemäß Artikel 55 Abs. 1 der Landesverfassung erkläre ich meinen Rücktritt zum Ablauf des 20. April 2005.
Ich danke dem Hohen Haus für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den von mir geführten Landesregierungen.
Gemäß Artikel 55 der Landesverfassung sind mit dem Rücktritt des Ministerpräsidenten auch die Ämter der Minister und der Staatssekretäre beendet. Die bisherigen Regierungsmitglieder führen bis zur Amtsübernahme der neuen Regierung ihr Amt weiter.
Damit ist der Moment gekommen, Ihnen, Herr Ministerpräsident, den Dank und die Anerkennung des hohen Hauses für Ihr 14-jähriges Wirken an der Spitze der Landesregierung zu bekunden.
Bei Ihrem Amtsantritt 1991 zeichnete sich erst in Umrissen ab, wie weit die Herausforderungen reichen sollten, denen Sie gerecht werden mussten. Das gilt für die finanzielle Dimension der deutschen Einheit ebenso wie für die umfassende Erweiterung und Vertiefung der Europäischen Union, die Globalisierung oder den Siegeszug der neuen Informations- und Kommunikationstechniken.
Von Ihnen gefordert waren Innovationswillen, Gestaltungskraft, Gespür für den Fortgang von Entwicklungen, aber auch die Bereitschaft, Werte und Traditionen zu bewahren und den bisweilen euphorischen Zeitgeist der Neunzigerjahre richtig einzuschätzen.
Sie haben die Strukturen Baden-Württembergs verändert und der Landesidentität Profil gegeben. Sie stellten sich der Gratwanderung, den Haushalt zu konsolidieren und doch bei der Bildung und der inneren Sicherheit Schwerpunkte zu setzen. Sie investierten Privatisierungserlöse konsequent
in Wissenschaft und Forschung. Und Sie festigten die Position Baden-Württembergs im europäischen Kontext.
Natürlich waren Ihre Vorhaben und Prioritäten hier im Parlament umstritten. Fraktionsübergreifend respektiert wurden jedoch Ihr Ringen um die Substanz der Dinge, die innere Schlüssigkeit Ihrer Regierungsarbeit und Ihr rastloser persönlicher Einsatz.
In Plenardebatten detailliert zu diskutieren war für Sie keine Pflichtübung. Sie achteten den Landtag als zentrales politisches Forum.
Demgemäß gehörten Sie zu den hartnäckigsten Streitern für eine echte Föderalismusreform mit einer nachhaltigen Stärkung der Länderparlamente. Dabei ist Ihnen der enge Schulterschluss zwischen allen vier Fraktionen dieses Hauses immer ein besonderes Anliegen gewesen.
Schließlich konnten Sie sich höchste Achtung erwerben durch Ihre eindrucksvolle Mitarbeit im Europäischen Verfassungskonvent. Ohne Ihr Engagement wäre die Verankerung der Subsidiarität und der Subsidiaritätskontrolle im Entwurf des EU-Verfassungsvertrags nicht gelungen.
(Die Abgeordneten aller Fraktionen spenden ste- hend anhaltenden starken Beifall. – Beifall auf der Zuhörertribüne)
Meine Damen und Herren, nach Artikel 46 Abs. 1 der Verfassung des Landes Baden-Württemberg wird der Ministerpräsident vom Landtag mit der Mehrheit seiner Mitglieder ohne Aussprache in geheimer Abstimmung gewählt. Wählbar ist, wer zum Abgeordneten gewählt werden kann und das 35. Lebensjahr vollendet hat. Der Landtag hat 128 Mitglieder, sodass die Mehrheit im Sinne dieser Verfassungsbestimmung in Verbindung mit Artikel 92 unserer Landesverfassung 65 Stimmen ausmacht.
Herr Präsident, namens der CDU-Fraktion schlage ich Herrn Abg. Günther Oettinger als Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten vor.
Sie haben den Vorschlag gehört. Werden weitere Vorschläge gemacht? – Das ist nicht der Fall. Dann treten wir in die Wahlhandlung ein.
Als Wahlkommission für die Entgegennahme der Stimmzettel und die Feststellung des Wahlergebnisses berufe ich Frau Abg. Götting und Frau Abg. Schmidt-Kühner sowie die Herren Abg. Dr. Klunzinger, Schebesta und Boris Palmer.
Meine Damen und Herren, die Landesverfassung bestimmt, dass der Ministerpräsident in geheimer Abstimmung zu wählen ist. Ich darf Sie daher bitten, die drei Telefonzellen auf der von mir aus gesehen rechten Seite des Plenarsaals als Wahlkabinen zu benutzen. Eine der Schriftführerinnen wird vom Rednerpult aus den Namensaufruf vornehmen. Bitte begeben Sie sich nach Aufruf Ihres Namens zu den Wahlkabinen. Sie erhalten dort den amtlichen Stimmzettel und den Wahlumschlag. Füllen Sie dann den Stimmzettel in der Wahlkabine aus, stecken Sie ihn in den Wahlumschlag, und werfen Sie ihn in die rechts vor mir befindliche Wahlurne.
Ich bitte ein Mitglied der Wahlkommission, in einer Namensliste festzuhalten, welche Abgeordneten gewählt haben.
Wer den von der CDU-Fraktion vorgeschlagenen Abg. Günther Oettinger zum Ministerpräsidenten wählen will, muss dessen Namen auf den Stimmzettel schreiben. Sie sind jedoch an den Wahlvorschlag nicht gebunden. Der Stimmzettel darf allerdings nur e i n e n Namen enthalten. Nicht beschriebene Stimmzettel oder Stimmzettel, auf denen „Enthaltung“ vermerkt ist, gelten als Stimmenthaltung. Auch Neinstimmen sind möglich.
(Unruhe – Heiterkeit – Abg. Stickelberger SPD: Das ist gefährlich! – Abg. Drexler SPD: Das ist aber erfreulich! Das ist ja eine richtige Großzügig- keit!)
Es erhebt sich kein Widerspruch gegen das von mir vorgeschlagene Wahlverfahren. Wir werden somit so verfahren.
Frau Abg. Schmidt-Kühner, ich darf Sie bitten, den Namensaufruf vorzunehmen. Ich bitte, dies langsam zu tun, damit bei der Ausgabe der Stimmzettel vor den Wahlkabinen keine größeren Wartezeiten entstehen.
(Die Abgeordneten der CDU und der FDP/DVP spenden stehend anhaltenden starken Beifall. – Abg. Oettinger CDU nimmt Glückwünsche entge- gen. – Abg. Kaufmann SPD: Herr Präsident, das Wahlergebnis wurde noch nicht vollständig mitge- teilt!)
Meine Damen und Herren, ich darf Sie bitten, die Plätze wieder einzunehmen. Die Vertreter der Medien möchte ich bitten, sich wieder in den hinteren Bereich des Plenarsaals zu begeben.
Damit ist Herr Abg. Oettinger mit der Mehrheit der Mitglieder des Landtags zum Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württemberg gewählt worden. Obwohl ihm schon alle gratuliert haben, muss ich ihn dennoch fragen, ob er die Wahl annimmt.