Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die gemeinsame deutsch-französische Erklärung vom Januar 2003 zum 40-Jahr-Jubiläum des Elysée-Vertrags hatte die Absicht, der deutsch-französischen Erfolgsgeschichte von Aussöhnung und Freundschaft neue Impulse zu geben.
Ein zentraler Bestandteil dieser Erklärung ist zu Recht die Stärkung der Zusammenarbeit auf regionaler Ebene. Da Baden-Württemberg die längste Grenze zu Frankreich hat und, historisch über lange Zeit gewachsen, die engsten wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen zu unserem Nachbarn aufweist, stellt sich gerade in unserem Bundesland die Frage nach dem Stand und der Zukunft der privilegierten Beziehungen zu Frankreich.
Die Große Anfrage der CDU-Landtagsfraktion beschäftigte sich in 13 Themenfeldern mit dieser Frage. Die Antwort der Landesregierung ist umfassend und eindrucksvoll, weil sie nachhaltig zum Ausdruck bringt, dass die deutsch-französischen Beziehungen und hier insbesondere die baden-württembergisch-elsässische Zusammenarbeit auch ein Herzstück baden-württembergischer Politik war, ist und auch in der Zukunft bleiben wird.
Mehr als zwei Jahre nach der gemeinsamen Erklärung ist es geboten, für Baden-Württemberg ein Resümee zu ziehen und einen Ausblick zu geben.
Im Zuge der Konversion ist Baden-Württemberg Standort der Deutsch-Französischen Brigade, der Wiege des Eurokorps und damit wohl des bewegendsten Zeichens gemeinsamer Friedensbereitschaft, geworden. Wir sind stolz auf das, was in Müllheim, Donaueschingen und Immendingen geprobt und in Krisengebieten wie auf dem Balkan oder zuletzt in Afghanistan im Dienste der Demokratie geleistet wurde.
Wir wissen um die Bedeutung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Baden-Württemberg und Frankreich. Wir sind, bezogen auf die Größe unseres Landes und seine Bevölkerung, die größte und stärkste Exportregion in Europa. Frankreich ist nach den USA unser zweitgrößter wirtschaftlicher Partner.
Wir wissen auch um die besonderen Verdienste von BadenWürttemberg bei arte und um seine Vorreiterrolle in der kulturellen und sprachlichen Zusammenarbeit.
Wir wissen, dass der Karlsruher Staatsvertrag, rechtliche Grundlage für vieles in der Zukunft, in Baden-Württemberg initiiert und entscheidend vorangebracht worden ist.
Die Biotechnologie ist am Oberrhein grenzüberschreitend zu einem Forschungsschwerpunkt geworden. Das Gleiche gilt für die interdisziplinären Frankreich-Studien und die internationalen Wirtschaftsstudiengänge im Frankreich-Zentrum der Universität Freiburg – ein großartiges Joint Venture zwischen Wissenschaft und Wirtschaft unter der Initiierung und Förderung vornehmlich auch von Vertretern der Wirtschaft wie beispielsweise Dr. Klaus Mangold, das in der Ausbildung im tertiären Bildungsbereich Pionierleistungen erbracht hat. Beide Bereiche gilt es künftig schwerpunktartig fortzuentwickeln und seitens der Politik zu unterstützen.
Doch nicht nur die großen politischen Entscheidungen und Bereiche sind es, die die privilegierten Beziehungen zwischen Baden-Württemberg und Frankreich ausmachen und belegen, nein, es sind vielmehr auch die regionalen Akzente, die durch die gemeinsame Erklärung neu belebt werden und privilegierend wirken sollten.
Die Zusammenarbeit zwischen Frankreich und BadenWürttemberg auf strukturpolitischem, bildungspolitischem und wirtschaftspolitischem Gebiet hatte in der Vergangenheit nur einen Namen: INTERREG. Durch kein Programm ist die Akzeptanz Europas so gestärkt worden wie durch
dieses Programm mit über 200 Einzelprojekten. Die Bundesregierung hat diese Art der regionalen Zusammenarbeit gerade wegen ihres identitätsstiftenden Charakters ausdrücklich anerkannt und gelobt. Deshalb ist die Entscheidung derselben Bundesregierung, die Mittel für INTERREGProgramme künftig nicht mehr dem deutsch-französischen Grenzraum zukommen zu lassen, sondern auf die neuen Außengrenzen zu beschränken, unverständlich, widersprüchlich, ja sie verstößt gegen Wort und Geist der gemeinsamen Erklärung zum Elysée-Vertrag.
Nehmen wir die uns jüngst signalisierte gegenteilige Auffassung der Franzosen, für die die grenzüberschreitende Zusammenarbeit, die das Leben in einem gemeinsamen Lebensraum erleichtert, einen höheren Stellenwert hat als die Förderung der interregionalen oder transnationalen Zusammenarbeit, ohne diese allerdings gering zu schätzen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, durch die gemeinsame Erklärung ist eine großartige Idee – von Wolfgang Schäuble kreiert – von Chirac und Schröder auf die politische Schiene gesetzt worden: der Eurodistrikt. Trotz guter Unterstützung durch Kanzleramtsminister Bury haben heute viele, die sich mit dieser Angelegenheit beschäftigen, Sorgen: Werden alle, aber auch wirklich alle Akteure im Bereich Straßburg/Ortenau auf einer angemessenen Zeitachse dem Auftrag der Regierungschefs und der damit verbundenen Chance gerecht? Ist der räumliche Zuschnitt, insbesondere auf französischer Seite, richtig gewählt? Werden die Projekte tatsächlich eine andere, eine bessere Qualität haben als die bisherige Zusammenarbeit?
Ich möchte zu Letzterem festhalten: Die zu Recht geforderte besondere Qualität der Projektinhalte – nur sie rechtfertigt den Begriff „Eurodistrikt“ – wird nur zu erfüllen sein, wenn die staatlichen Institutionen links und rechts des Rheins Teile ihrer Kompetenzen unbürokratisch an den Eurodistrikt abgeben.
Werden bei uns Land und Bund hierzu bereit sein? All dies sind Fragen, die sehr bald beantwortet werden müssen.
Ich möchte ausdrücklich betonen: Wir wollen, dass der Eurodistrikt Straßburg – Ortenau auch deshalb Erfolg hat, weil wir Straßburg als europäische Hauptstadt betrachten und stärken wollen. Wir begrüßen es, dass PAMINA im Norden, der Raum Freiburg/Mulhouse/Colmar/Sélestat und das Dreiländereck im Süden eigene, maßgeschneiderte Wege gehen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich aus aktuellem Anlass noch auf ein drittes Thema eingehen: die Bemühungen um eine europäische Metropolregion „Oberrhein“, aus unserer Sicht möglichst grenzüberschreitend mit dem Elsass und der Schweiz. Ich bin der Auffassung, dass angesichts der Herausforderungen durch die Erweiterung der Europäischen Union und durch die Globalisierung die gemeinsame Positionierung des trinationalen Oberrheinraums lebensnotwendig ist. Gerade im Hinblick auf künftige Fördermaßnahmen der EU kommt es darauf
an, europäisch aufgestellt zu sein. Ich habe deshalb beim Landesentwicklungsplan 2002 für meine Fraktion darauf hingewirkt, dass der Raum zwischen Mannheim und Basel als „europäischer Verflechtungsraum Oberrhein“ gleich einer europäischen Metropolregion wie Stuttgart zu behandeln ist.
Es ist das Verdienst des Raumordnungsverbands Rhein-Neckar und meiner CDU-Landtagskollegen aus diesem Bereich, dieses Thema aufgegriffen zu haben. Sie haben beantragt, dass der Rhein-Neckar-Raum zusammen mit Südhessen und Rheinland-Pfalz als europäische Metropolregion ausgewiesen wird.
Mit diesem Antrag stellt sich aber auch die Frage nach der Einbindung des Raumes am Oberrhein zwischen Karlsruhe und Basel entsprechend unserem Landesentwicklungsplan. Ich bin einverstanden, wenn die Landesregierung Ende dieses Monats bei der Ministerkonferenz für Raumordnung versucht, eine Öffnungsklausel beschließen zu lassen, die eine Einbeziehung des südlich des Rhein-Neckar-Raums gelegenen Oberrheins später ermöglichen kann. Aber Ziel muss letztlich eine trinationale Metropolregion Oberrhein sein, die nicht nur geografisches Herzstück der EU zu sein hat.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dafür brauchen wir in der Politik, aber auch bei den Betroffen eine neue Aufbruchstimmung. Die jüngste Initiative der Städte am Oberrhein geht in diese Richtung. Ich freue mich auf spannende Zeiten in der Weiterentwicklung der privilegierten Beziehungen zwischen Baden-Württemberg und Frankreich, nicht nur am Oberrhein, sondern auch in diesem Parlament.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! 40 Jahre Elysée-Vertrag durften wir im Jahr 2003 feiern. Das bedeutet 40 Jahre Freundschaft zwischen Deutschland und Frankreich nach mehreren hundert Jahren, die durch Misstrauen und Krieg geprägt waren. Vor allem der Südwesten Deutschlands hat unter den Auseinandersetzungen in den letzten Jahrhunderten gelitten, und zwar nicht nur wegen der Länge der Grenze zu Frankreich, sondern auch wegen der traditionell engen Beziehungen nicht nur in den grenznahen Regionen Baden-Württembergs.
Es ist und bleibt eine großartige historische Leistung, was de Gaulle und Adenauer 1963 vereinbart und was Chirac und Schröder 2003 bekräftigt haben. Wer hätte nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gedacht, dass Frankreich und Deutschland zu den Motoren der europäischen Einigung werden würden? Ohne die deutsch-französische Zusammenarbeit wären wir in Europa noch lange nicht so weit, wie wir es heute sein dürfen.
Im letzten Jahr, meine Damen und Herren, wurde der 22. Januar zum ersten Mal offiziell als Deutsch-Französi
scher Tag gefeiert. Auch das ist ein Zeichen besonderer Wertschätzung der Länder füreinander. Die Regierungen der beiden Länder haben außerdem Beauftragte für die deutsch-französische Zusammenarbeit eingesetzt. Herr Kollege Fleischer hat es eben schon gesagt. Der deutsche Beauftragte ist Staatsminister Bury, der übrigens aus BadenWürttemberg kommt.
Die Beziehungen Baden-Württembergs zu Frankreich lassen sich im Wesentlichen in drei Dimensionen ausdrücken: einer wirtschaftlichen Dimension, einer kulturellen Dimension und einer gesellschaftlich-politischen Dimension. Ich möchte auf diese drei Dimensionen kurz eingehen.
Zunächst zur wirtschaftlichen Dimension: Die Antwort der Landesregierung auf die Frage 6 der Großen Anfrage war nicht überraschend. Frankreich ist mit einem Anteil von über 10 % an den baden-württembergischen Gesamtexporten auf Platz 1 unserer europäischen Exportziele und hinter den USA auf Platz 2 weltweit. Diese Zahlen unterstreichen sehr deutlich, wie wichtig Frankreich für Baden-Württemberg und die baden-württembergische Wirtschaft ist. Gleiches gilt aber auch umgekehrt: Baden-Württemberg ist unter den deutschen Bundesländern mit 16,6 % Anteil an den französischen Gesamtimporten auf Platz 1 und damit wichtigster Absatzmarkt für französische Waren innerhalb Deutschlands. Diese wenigen Zahlen belegen: Frankreich und Baden-Württemberg profitieren sehr stark und wechselseitig von den engen Beziehungen und natürlich auch von der räumlichen Nähe.
Die zweite Dimension ist die kulturelle Dimension. Was die sprachlichen Beziehungen zwischen Baden-Württemberg und Frankreich angeht, können wir mit Recht sagen, dass der Südwesten – ich nehme dabei ausdrücklich das Saarland und Rheinland-Pfalz mit dazu – schon seit Jahrhunderten enge Verflechtungen hat. Nicht nur der badische und der schwäbische Dialekt sind übersät von französischen Einschlägen wie „Bottschamberle“ oder „Waschlavor“.
Es gibt noch mehr: „Souterrain“. – Spaß beiseite: Französisch ist in Baden-Württemberg nach Englisch die wichtigste Fremdsprache. An den Gymnasien des Landes nimmt Französisch mit einer Schülerbelegung von 86 % in der elften Klasse den Spitzenplatz als zweite Fremdsprache ein, und das bereits seit vielen, vielen Jahren. Mit vielen Initiativen und Angeboten, die ich nicht alle aufzählen möchte, haben das Land und der Bund das Erlernen der französischen Sprache in Baden-Württemberg und in Deutschland massiv gefördert. Die Ergebnisse dieser Aktivitäten sind durchaus sehenswert.
Leider ist in Frankreich ein Rückgang beim Erlernen der deutschen Sprache zu verzeichnen. Das ist nicht nur dem Ziel, Deutsch in Frankreich stärker zu verbreiten, abträglich, sondern erschwert auch die Suche deutscher Schulen nach Austauschschulen in Frankreich. Wir sind deshalb froh, dass die Bundesregierung im letzten Jahr eine breit angelegte Kampagne zur Verbreitung der deutschen Sprache in Frankreich gestartet hat und damit aktiv und praktisch dem Problem entgegentritt.
Nun zur dritten Dimension, der gesellschaftlich-politischen Dimension. Für uns ist dabei vor allem das große gesellschaftliche ehrenamtliche Engagement der zahlreichen Partnerschaftskomitees und Vereine zu nennen. Französische Kommunen nehmen unter den Partnerschaften baden-württembergischer Städte und Gemeinden wiederum den ersten Platz ein. Wir sind überzeugt: Es waren diese Partnerschaften, die unzähligen Besuche und Treffen – organisiert zumeist von Ehrenamtlichen in den Partnerschaftsvereinen der beiden Länder –, die aus den einstigen Feinden Freunde gemacht haben. Bei allem, was die Politik bewegen kann, gehört diese Leistung der vielen Menschen, die auf dieser Ebene in den Städtepartnerschaften aktiv waren und sind, zu den herausragendsten Engagements für die deutsch-französische Freundschaft.
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die folgende Aussage des Gemeindetags Baden-Württemberg, die in der Stellungnahme der Landesregierung zum Antrag Drucksache 13/3236 zitiert wird:
Die besondere Intensität der Partnerschaftsarbeit zwischen baden-württembergischen und französischen Städten und Gemeinden war auch beispielgebend für den Aufbau der Partnerschaften mit ungarischen Kommunen.
Das ist für mich ein ganz wichtiger Punkt, meine Damen und Herren. Wir müssen die großartigen Erfolge der deutsch-französischen Freundschaft, die in den letzten 60 Jahren erreicht wurden, auf die neuen Mitgliedsstaaten übertragen, damit Europa stärker zusammenwächst.
Es bleibt also festzuhalten, meine Damen und Herren: Die deutsch-französische Freundschaft und die baden-württembergisch-französische Freundschaft sind Beispiel und Vorbild für ein gelebtes Zusammenwachsen in Europa.
Meine Damen und Herren, ich möchte abschließend Ihnen, Herr Ministerpräsident, im Namen der SPD-Fraktion für Ihre Arbeit hier im Land, aber auch im EU-Konvent, und für die deutsch-französische und die baden-württembergischfranzösische Freundschaft meinen Dank aussprechen.